Einzug der Medien ins Schulzimmer

Heutzutage sind Medien allgegenwärtig. Deshalb sollen schon Kinder den Umgang mit ihnen lernen. In diesem Punkt ist man sich in der Schweiz einig. Doch welche Themen dabei wichtig sind und wie sie vermittelt werden sollen, darüber scheiden sich die Geister.

– Fee Riebeling

Braucht es ein Schulfach Medienkompetenz? Bild: istockphoto

Unsere Gesellschaft ist von Medien geprägt. Will man sich in dieser sicher bewegen, reicht es nicht aus, die zahlreichen Medienangebote nur zu nutzen. «Vielmehr muss man lernen, wie Medien funktionieren, und die Hintergründe kennen», sagt Thomas Merz, Professor für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Thurgau. Da Smartphones, Tablets und Co. bereits im Kinderzimmer anzutreffen sind, sei es wichtig, Kinder bei der Verarbeitung ihrer Erfahrungen zu unterstützen und zu begleiten. «Im Idealfall ab dem Kindergarten, spätestens ab der ersten Primarschulklasse», so der Experte. «Denn es ist eine Illusion, zu denken, diese Aufgabe könnten die Eltern kompetent übernehmen.» Zudem sei überall dort, wo es um Bildungsinhalte geht, die Schule gefordert.

Medienkompetenz fest verankern

Dass Kinder und Jugendliche bisher nur unzureichend über den verantwortungsvollen Umgang mit Medien unterrichtet wurden, zeigen die zahlreichen Medienberichte über Fälle von beispielsweise Cybermobbing oder sexuellen Belästigungen auf Social-Media-Plattformen wie Facebook. Damit der Nachwuchs künftig besser gewappnet ist und derartige Vorkommnisse nicht mehr oder zumindest seltener vorkommen, fordert die Kinder- und Jugendschutzorganisation Pro Juventute, das Thema Medienkompetenz zum offiziellen Schulfach zu machen. Denn bislang sei die Materie lediglich als Lernziel im Lehrplan benannt, als so genannter fächerübergreifender Unterrichtsgegenstand.

Auch die Auseinandersetzung mit den klassischen Informationsmedien gehört auf den Stundenplan. Denn sich richtig informieren zu können, ist eine Grundkompetenz in einer Mediengesellschaft.» Thomas Merz, Professor für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich

Das Problem dabei: «Befragungen zeigen, dass sich viele Lehrer bei dieser Formulierung nicht wirklich verantwortlich fühlen für das Thema», erklärt Merz. «Zudem passiert es häufig, dass zwar mit Medien unterrichtet würde, aber nicht über sie.» Dadurch fehle ein wichtiger Bereich. Eine klare Zuweisung der Verantwortung entlastet zudem andere Lehrpersonen. Weil sich Technologien und Anforderungen kontinuierlich ändern, sei es wichtig, dass sich entsprechende Fachlehrer fortlaufend und konsequent damit befassen könnten. Eine wertvolle Unterstützung für die Umsetzung würden dabei spezielle Unterrichtsmaterialien wie das multimediale Dossier «Medienkompetenz» von SRF MySchool, dem Bildungsangebot von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), geben.

Neue, soziale und klassische Medien thematisieren

Aber nicht nur der Umgang mit den neuen Medien und Social Media sollte nach Meinung von Medienwissenschaftler Merz fester Bestandteil des Schulunterrichts sein: «Auch die Auseinandersetzung mit den klassischen Informationsmedien gehört auf den Stundenplan», sagt er. Denn sich richtig und kritisch informieren zu können, sei eine Grundkompetenz in einer Mediengesellschaft.

Der Einfluss der Medien – der neuen sowie der klassischen – ist in der heutigen Gesellschaft enorm: Wie gehen die Schulen damit um? Bild: istockphoto

Wie Medien wirken, vermittelt Medienpädagogin Silvie Spiess bereits Kindern auf der Primarstufe. Die Co-Autorin des Lehrmittels «Medienkompass» weiss, worauf es ankommt. «Wichtig ist, dass man die Kinder altersgemäss an die Thematik heranführt», sagt sie. Deshalb sollen ihre Schüler beispielsweise herausfinden, wie alt Elefanten werden. Die Kinder merken dabei schnell, dass eine oberflächliche Google-Recherche nicht ausreiche, sondern auch andere Aspekte angeschaut werden müssen, so Spiess. Denn je nachdem, ob sich die Frage auf Elefanten aus Asien, Afrika oder auf in Zoos lebende Tiere bezieht, fällt die Antwort der Suchmaschine anders aus. Bei Besuchen bei SRF lernen die Kinder zudem, wie Sendungen wie die Hitparade oder Nachrichten entstehen. «Bei solchen Erlebnissen bleibt Wissen hängen», sagt Spiess.

Wie wichtig es ist, das Qualitätsbewusstsein punkto Medien zu fördern, verdeutlichte der Soziologe und Publizistikwissenschaftler Kurt Imhof einst in einem Interview mit dem Magazin «Polis» der FHNW: «Eine Gesellschaft, die ihre Jugend über Softnews erzieht, belastet die späteren Generationen mit mehr Problemen als nur den eigenen Schulden.»

Offenheit des Lehrplans 21 sorgt für Diskussionen

Ein solches Szenario versuchen die Deutschschweizer Bildungsverantwortlichen mit dem neuen Lehrplan 21 zu verhindern, der im Sommer in die Vernehmlassung geht. Zwar sind dessen Inhalte noch nicht zur Publikation freigegeben, doch immerhin die Hauptzielsetzung ist bekannt: So sollen die Schweizer Schülerinnen und Schüler in Zukunft selbstbestimmt, kreativ und mündig an der Mediengesellschaft teilhaben und sich sachgerecht und sozial verantwortlich verhalten können. Kurz: Sie sollen Medien nicht nur passiv konsumieren, sondern sie auch reflektieren und proaktiv nutzen, so Thomas Merz, der an der Entwicklung des Papiers beteiligt war. Um das zu erreichen, werden im Lehrplan systematisch und altersgerecht Teilkompetenzen genannt, die im Umgang mit Medien und den Informations- und Kommunikationstechnologien nötig sind. Zu der Frage, ob Medien in einem eigenen Schulfach behandelt werden sollen, sagt der neue Lehrplan hingegen nichts. Dies werden die Kantone bei der Einführung entscheiden müssen. Das lässt unter den Bildungsexperten Raum für Diskussionen.

«Wichtig ist, dass man die Kinder altersgemäss an die Thematik heranführt.» Sylvie Spiess, Primarlehrerin und Co-Autorin von «Medienkompass»

Während sich die einen deutlich für ein Schulfach Medienkompetenz aussprechen, bezeichnen andere diese Forderung als nicht umsetzbar. So sei das Unterrichtsgefäss bereits jetzt extrem voll. «Da noch weitere Stunden drauf zu packen, ist meines Erachtens nicht möglich», sagt Monika Lehmann-Wirth, Kindergärtnerin und CVPKantonsrätin im Kanton St. Gallen. Das würde die Schülerinnen und Schüler überfordern. Stattdessen andere Fächer zu kürzen, läge ebenfalls nicht drin. Ihr Vorschlag: Das Thema in den bestehenden Unterricht integrieren. Die dafür nötigen Kenntnisse könnten sich Lehrpersonen in obligatorischen Weiterbildungen oder schulhausinternen Kursen aneignen.

Weiterführung des Alphabetisierungsauftrags

«Natürlich brauchen alle Lehrpersonen eine gewisse mediale Grundbildung», sagt auch Thomas Merz. «Das ist wie mit der Sprache», so der Experte. Sie werde in allen Fächern angewendet und reflektiert. Aber nur in einem Fach werde für den systematischen Aufbau der Kompetenzen gesorgt. Doch genau das muss die Schule gewährleisten: «Ein eigenständiges Fach Medienbildung wäre die logische Fortführung des Alphabetisierungsauftrags der Schulen», so der Professor der Pädagogischen Hochschule Thurgau. «Ein Muss in einer Gesellschaft im 21. Jahrhundert.» Wie Medienkompetenz künftig konkret umgesetzt wird, kann auch Merz nicht vorhersagen: «Wir Medienwissenschaftler machen lediglich Vorschläge. Aber entscheiden muss die Politik.» Er kann sich jedoch vorstellen, dass man das Thema Medienbildung, das laut den aktuellen Lehrplänen derzeit in anderen Fächern integriert sei, teilweise auslagern und in einem eigenständigen Fach verdichten könnte. «Durch diese lineare Kürzung würde man niemandem etwas wegnehmen und die bisherige Anzahl Stunden könnte beibehalten werden», setzt der Experte den Argumenten der Gegenseite entgegen.

Mögliche Lösung wird bereits praktiziert

Dass dieser Ansatz tatsächlich funktioniert, zeigt das Vorgehen an einer Primarschule im Zürcher Oberland, an der Silvie Spiess einen Tag pro Woche als Medienpädagogin tätig ist.

Die Lehrpersonen können sich bei ihr Beratung für den Unterricht mit und über Medien holen. Zudem unterstützt sie ihre Kollegen bei der Durchführung von Medienprojekten im Unterricht. Im Fach Deutsch realisierte sie beispielsweise einen Fotoroman – ein klassisches Medienprojekt, kombiniert mit vielen Sprachaspekten wie Rechtschreibung und Storytelling. Auch wenn in Volketswil Kollegen wie Schüler das Angebot schätzten: Ob das Beispiel schweizweit Schule macht, wird sich erst nach der Vernehmlassung zeigen.

Fee RiebelingLINK empfiehlt!

Lehrmaterial:
www.srf.ch/sendungen/myschool
www.medienkompass.ch
Ratgeber «Medienkompetenz» für Eltern:
www.zhaw.ch (Suchbegriff «Medienkompetenz»)
Workshops und Beratung für Eltern und Lehrpersonen:
www.projuventute.ch > Was wir tun > Angebote > Pro Juventute Medienprofis
Arbeitspapier Lehrplan 21:
www.lehrplan21.ch > Grobstruktur
LINK-Artikel:
Medienkompetenz: «Entscheidend ist die Einbettung der Game-Welt ins Umfeld», LINK 01/2014

Medienbildung der SRG.D: Auch Erwachsene müssen sich informieren!

«Alles, was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien», schrieb einst der Soziologe Niklas Luhmann. Deshalb ist Medienkompetenz nicht nur für Kinder und Jugendliche wichtig. In einer Mediengesellschaft müssen sich auch Erwachsene im Informations-Dschungel zurechtfinden und die Angebote beurteilen können.

«Dafür ist es zwingend, dass sie wissen, welche Macht Medien ausüben können», sagt Vinzenz Wyss, Journalistikprofessor an der ZHAW und Präsident der Bildungskommission der SRG Zürich Schaffhausen. Nur wer die Qualität der dargebotenen Informationen bewerten kann, sei in der Lage, sich eine eigene Meinung zu bilden und so zum Fortkommen der Gesellschaft beizutragen. «Um kritisch zu sein, müssen die Konsumenten die Medien verstehen», so der Experte. Nur dann kann die Demokratie funktionieren.

Weil einem dieses Wissen über Medien nicht einfach zufällt und Erfahrungen alleine nicht reichen, veranstaltet die SRG Zürich Schaffhausen regelmässig spezielle Kurse, die sich an Mitglieder und auch an weitere Interessierte richten. Am Ende sollen die Anwesenden alte wie neue Medien reflektiert anwenden, sich mit ihnen auseinandersetzen und über sie an gesellschaftlichen und sozialen Prozessen teilnehmen können. Das setzt voraus, dass die Akteure die dafür notwendige Technik beherrschen. Deshalb wird auch der Umgang damit zum Thema gemacht.

«19 Veranstaltungen gab es im vergangenen Jahr, aber es sollen noch deutlich mehr werden», sagt Vinzenz Wyss. Damit das Angebot nicht nur Mitglieder der SRG erreicht, plant die SRG Zürich Schaffhausen, künftig auch an Unternehmen, Behörden und Organisationen heranzutreten.

Auch andere Mitgliedgesellschaften der Trägerschaft engagieren sich im Bereich Medienbildung. Am 19. Juni 2013 beispielsweise organisierte die SRG Aargau Solothurn eine Podiumsdiskussion, in der erfahrene Kommunikationsexperten wie der Programmchef von SRF Virus Christoph Aebersold zum Thema «Digitale Jugend – Jugendlicher Medienkonsum im Zeitalter von Internet & Gratiszeitungen» diskutierten. Den Bericht über das Schlossgespräch lesen Sie hier.

Fee Riebeling
Medienbildung für Erwachsene:
Events SRG Deutschschweiz (wird laufend aktualisiert)

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