SRG-Verein will qualitativ wachsen
Das Unternehmen SRG hat eine Strategie, der Verein SRG will sich eine zulegen. Eine erste Version befindet sich in der Vernehmlassung. Der Entwurf schlägt den Regional- und Mitgliedgesellschaften zwei Hauptziele vor: Medienbürgerinnen und -bürger gewinnen und die breite lokale Verankerung fördern.
– von Christa Arnet
Die SRG-Trägerschaft will ihre aktive zivilgesellschaftliche Rolle in einer Strategie verbriefen. «Nur mit einer klaren Strategie können wir den Verein erfolgreich als Trägerschaft für die unternehmerische Tätigkeit der SRG weiterentwickeln», hatte SRG-Präsident Raymond Loretan am 26. April 2013 vor den SRG-Delegierten erklärt und dabei festgehalten: «Die Vereinsstrategie wird den Dialog mit der Öffentlichkeit, der Politik und der Verwaltung vereinfachen, da sie eine fundierte Grundlage zur gesellschaftlichen Mission des Vereins und der Regionalgesellschaften bietet.» Zudem könne sich die Trägerschaft an der Vereinsstrategie messen lassen, denn Fragen zur Berechtigung des durch Gebührengelder finanzierten Vereins tauchten immer wieder auf.
Interessierte Medienbürger gewinnen
«Früher war die SRG ein Unternehmen in Form eines Vereins. Heute ist sie ein Verein, der zur Erfüllung seines Zwecks ein Unternehmen betreibt», erklärte Viktor Baumeler, SRG-Vizepräsident und Präsident der SRG Deutschschweiz, an der Delegiertenversammlung (DV) vom 6. Dezember 2013. Ein erster Entwurf für die Vereinsstrategie ist zu diesem Zeitpunkt gerade in die Vernehmlassung geschickt worden, erarbeitet von einer Projektgruppe unter seiner Leitung mit der programmatischen Bezeichnung «Avancer ensemble». «Bei unserer Arbeit legten wir den Fokus auf die Partizipation der Mitglieder und nicht nur auf deren Repräsentation», umschrieb Baumeler die Stossrichtung des Entwurfs und ergänzte: «Damit wollen wir interessierte Medienbürger gewinnen. Es geht nicht primär darum, möglichst viele unkritische Fans zu haben.»
Passend zum Strategieprozess widmete sich das Forum (siehe Kasten) im Rahmen der letzten DV dem Thema «Verein 2015: Wie soll sich der Verein SRG SSR weiterentwickeln?», um Status quo und Perspektiven der Trägerschaft zu erörtern. Dazu eingeladen waren die drei Publizistik-Professoren und SRG-Kenner Ottfried Jarren, Manuel Puppis und Matthias Künzler. Alle drei erachteten die – international einzigartige – Vereinsform der SRG als Gewinn und hoben dabei im Besonderen den Aspekt der Partizipation (Mitwirkung) hervor.
Puppis: «Dadurch, dass jedermann und jede Frau Mitglied werden kann, ist die Zivilbevölkerung in der SRG nicht nur repräsentiert, sondern sie kann auch partizipieren, also mitgestalten und über ihre Vertreterinnen und Vertreter in den Gremien mitbestimmen.» Künzler: «Die Partizipation ist die Voraussetzung dafür, dass das Publikum den öffentlichen Rundfunk als «sein» Medium wahrnimmt. Als sein Medium, das seine Stimme hört und wo es ein Stück mitentscheiden kann. So können sich der öffentliche Rundfunk und damit die Gebührenfinanzierung auch heute noch legitimieren.» Jarren: «Die Medienbürger-Idee ist gut. Nun muss es die SRG nur schaffen, weitere einzubeziehen.»
Mitgliedgesellschaften setzen unterschiedliche Schwerpunkte
Die Umsetzung der zivilgesellschaftlichen Rolle erfolgt in den Mitgliedgesellschaften der SRG.D unterschiedlich. Beispielsweise hat die aus sechs Sektionen bestehende SRG Zentralschweiz die Landsgemeinde eingeführt. Sektionsübergreifend debattieren dort Gremienmitglieder über aktuelle Problemfelder oder gemeinsame Strategien. Die SRG Zürich Schaffhausen setzt einen Schwerpunkt auf die Medienbildung mit niederschwelligen bis anspruchsvollen Workshops (z. B. zum Umgang mit Social Media oder Einführung in neue Technologien). Die SRG Bern Freiburg Wallis führt gemeinsam mit dem Regionaljournal im Radiostudio regelmässig öffentliche Talkrunden («Mäntig-Apéro», «Stadt-Land-Gespräche») zu Berner Themen durch. Attraktiv sind die «Flussgespräche» der SRG Region Basel auf der MS Merian mit Workshops und Referaten zu medienrelevanten Themen. Die Veranstaltung wird jeweils gemeinsam mit dem Regionaljournal durchgeführt.
Die SRG Ostschweiz schlug im letzten November eine Brücke zur SRG SSR Svizra Rumantscha und thematisierte am gemeinsamen Mitgliederanlass «Grüezi und Allegra» die Sprachenvielfalt in der Schweiz. Sie ist ein wichtiger Service-public-Auftrag der SRG. Die SRG Aargau Solothurn beteiligte sich im September 2013 vor den Aargauer Wahlen an einem vom Regionaljournal, Radio Argovia und der «Aargauer Zeitung» gemeinsam organisierten Regierungsratspodium mit einem Apéro und nutzte den Anlass, um über die SRG-Trägerschaft zu informieren. Auch die Regionalgesellschaft SRG.D nimmt ihren zivilgesellschaftlichen Auftrag aktiv wahr. So ist sie im letzten Herbst an der Olma mit einem Spiegelkabinett aufgetreten, um in spielerischer Weise auf den Verein und seine Bedeutung aufmerksam zu machen. Unter den Mitgliedern beliebt sind die Mitgliederevents, aktuell der Besuch der Solothurner Filmtage mit Bildungsanlass zum Thema Filmkritik inklusive Filmbesuch und Apéro. Das Mitgliedermagazin LINK «verlinkt» den Verein mit seinen Mitgliedern. Auch Nichtmitglieder können von Angeboten der SRG.D profitieren: So stehen der elektronische Newsletter Inside SRG SSR sowie die Web-Plattform www.srginsider.ch (für ein jüngeres Publikum) allen offen.
Strategie wird Ende 2014 der DV vorgelegt
Dreivierteljahr nach Einleiten des Strategieprozesses ist das Projekt «Avancer ensemble» auf gutem Wege: Noch bis Mitte März dieses Jahres sind der erste Entwurf zu Mission, Finanzierungsgrundsätzen, Zielen und 19 Massnahmen sowie eine Dokumentation bei den Gremien der Regional- und Mitgliedgesellschaften in allen Sprachregionen in der Vernehmlassung. Die Arbeitsgruppe «Avancer ensemble» wird das Feedback auswerten und ihren Entwurf bis im Sommer überarbeiten und dem Verwaltungsrat unterbreiten. Die Regionalvorstände werden dann noch einmal Gelegenheit haben, zu dem vom Verwaltungsrat verabschiedeten Vorschlag Stellung zu nehmen. Schliesslich wird der Verwaltungsrat die bereinigte Strategie im Dezember 2014 der DV vorlegen.
Christa Arnet ist Redaktionsleiterin von Inside SRG SSR.
Bilder: SRG.D
Zusammenfassend lauten die Zielsetzungen der Vereinsstrategie wie folgt:
• Die Ausrichtung der Regionalgesellschaften ist staats- und medienpolitisch, mit einer breiten lokalen Verankerung durch die Vermittlung der Angebote des Unternehmens.
• Es wird ein moderates Wachstum des Mitgliederbestandes angestrebt.
• Von einer offenen Mitgliedschaft für alle ohne Mitgliederbeitrag wird abgesehen.
• Die Zusammenarbeit innerhalb des Vereins und mit dem Unternehmen ist zu optimieren.
• Verein und Regionalgesellschaften prüfen eine Fokussierung auf das Label SRG SSR.
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