«Die Kinder bestimmen wie sich der Medienkonsum weiterentwickelt»

Als vor drei Jahren Schweizer Radio DRS und Schweizer Fernsehen SF zu Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) verschmolzen, arbeitete die trimediale Kinderredaktion «Zambo» schon länger konvergent. Wo steht das damalige Vorreiterprojekt heute? Thomas Grond, Bereichsleiter Kinderprogramme, und Susanne Eberhart, stellvertretende Bereichsleiterin, ziehen Bilanz.

– Interview: Oliver Fuchs

Wie kam es, dass ausgerechnet das ­Kinderprogramm als Erstes die ­Konvergenz wagte?
Thomas Grond: Ich glaube, es war die Zielgruppe, die den Ausschlag für «Zambo» gegeben hat. Kinder reagieren sehr schnell auf neue Angebote.
Susanne Eberhart: Das hat sicher auch einen pragmatischen Grund. «Pirando» – also der Vorgänger von «Zambo» im Radio – wurde 2008 für sein Zusammenspiel von Radio und Online-Community ausgezeichnet. «Pirando» war ein strategisches Projekt und damals innerhalb von Radio DRS als «Speerspitze Online» definiert. Gleichzeitig wurde bereits ernsthaft über die Konvergenz nachgedacht. Neben diesen theoretischen Diskussionen wollte man einen Übungsplatz, auf dem man im Vorfeld bereits gewisse Dinge ausprobieren konnte.

Das Kinderprogramm als «Speerspitze»?
Grond: Das Kinderprogramm geniesst ­sicher einen Sympathiebonus. Um es mit einem Sprichwort auszudrücken: «Man schiesst nicht auf das Rote Kreuz.» Ein Beispiel: Die Spezialbewilligung vom ­BAKOM, um Inhalte online live zu ­streamen, erhielt «Zambo» problemlos. Beim Sport wäre das vermutlich ungleich schwieriger gewesen.

War die Vorreiterrolle für den Aufbau von «Zambo» förderlich oder hinderlich?
Eberhart: Radio und Fernsehen zusammenzuführen, ist eine beträchtliche Auf­gabe. Ein halbes Jahr vor der Konvergenz, als wir bei «Zambo» gestartet sind, waren die beiden noch sehr homogene Blöcke. Und mittendrin hatten wir den Auftrag, Neues zu schaffen.

Wie habt ihr dieses Blockdenken ­überwunden?
Grond: Ich habe unserem Team sinngemäss an einer Sitzung gesagt, es sei mir egal, was in ihrem Vertrag stehe und was rundherum passiere. Innerhalb von ­«Zambo» arbeiten nicht «Fernsehleute» und «Radiomacher» nebeneinander, sonst ­werde es nicht funktionieren. Wir seien alle zusammen nun einfach «Zambo». Das war eine wichtige Umstellung in der Denkweise.
Eberhart: Anfangs mischten wir beispielsweise bei uns im Grossraumbüro alle Funktionen wild durcheinander. Erst mit der Zeit trennten wir die Sitzordnung wieder auf. Heute gibt es das Onlinebüro, das Radiobüro und so weiter. Voraussetzung für diesen Schritt war aber, dass sich ein Teamgeist entwickelte.

Susanne Eberhart: «Ein halbes Jahr vor der Konvergenz, als wir bei ‚Zambo‘ gestartet sind, waren Radio und Fernsehen beiden noch sehr homogene Blöcke. Und mittendrin hatten wir den Auftrag, Neues zu schaffen.»

Stichwort Funktionen: Was für besondere Ansprüche stellt die Arbeit in einer konvergenten Redaktion?
Grond: In erster Linie gab es völlig neue Workflows. Die Vorgabe war, mit wenig Geld und wenig Platz möglichst viel umzusetzen – und das zudem mit möglichst wenig technischem Personal. Dies gilt nach wie vor.
Eberhart: Wir haben beispielsweise im TV eine Bildmischerin eingespart – diese Aufgabe übernimmt die Regisseurin im Studio. Und ein Multimediatechniker kümmert sich gleichzeitig um Audio und Bild.
Grond: Wir haben sehr viel Neues erfunden und neue Systeme im technischen Bereich eingeführt. So konnten wir unsere Leute auch nicht immer in die interne Ausbildung, in die vordefinierten Kurse schicken – die Ausbildungen waren auf unsere Art, zu arbeiten, noch gar nicht richtig eingestellt und mussten auch erst unser Umfeld und unsere Bedürfnisse kennenlernen.
Eberhart: Man könnte sogar sagen: Der ganze Betrieb war nicht auf uns eingestellt (schmunzelt). Dafür haben wir jetzt durch diese Vorreiterrolle einen sehr guten Ruf. Wenn wir jetzt Stellen ausschreiben, dann kommen die Jungen gerne zu uns.
Grond: Mittlerweile gibt es glücklicherweise auch Leute von aussen, die eine trimediale Ausbildung vorweisen können.

«Der ganze Betrieb war nicht auf uns eingestellt. Dafür haben wir jetzt durch diese Vorreiterrolle einen sehr guten Ruf.»

Müssen also alle Mitarbeitenden alles machen können?
Eberhart: Nein, man kann nicht beliebig viele Funktionen in einer Person vereinen. Beispielsweise laufen bei unserer Videojournalistin, ­Ilona Stämpfli, bereits schon fünf Berufe zusammen: Redaktorin, ­Tönlerin, Kamera­frau, Cutterin und ­Sprecherin. Wenn sie fürs Fernsehen einen Beitrag filmt, kann sie aber unmöglich auch noch einen Radiobericht dazu machen.

Welche Stellung hat «Zambo» heute innerhalb von SRF? Hat «Zambo» die Vorreiterrolle gewahrt?
Grond: Wir wurden damals mit dem Auftrag vorgeschickt, «etwas» aufzubauen. Dieses «etwas» haben wir nach unseren Vorstellungen geformt. Plötzlich merkt man, dass «Zambo» eigene Wege wählt, die man im Mutterhaus mit einer ungleich grösseren Struktur so nicht umsetzen kann.
Eberhart: «Zambo» hat sich ein bisschen als Seitenboot, ja als Schnellboot entwickelt, und jetzt müssen wir in den grossen Dampfer integriert werden. Aber unser Zielpublikum – Kinder – lebt immer ein Stück weit in der Zukunft. Sie bestimmen, wie sich der Medienkonsum weiterentwickelt. Darum finde ich es sinnvoll, wenn sie auch ein bisschen «Extrawurst» spielen können – und man es auch mal duldet, wenn das Schnellboot nicht alles genau gleich macht wie das Mutterschiff.

«Unser Zielpublikum – Kinder – lebt immer ein Stück weit in der Zukunft. Sie bestimmen, wie sich der Medienkonsum weiterentwickelt. Darum finde ich es sinnvoll, wenn sie auch ein bisschen «Extrawurst» spielen können»

Seit drei Jahren gibt es «Zambo», was steht die nächsten drei an?
Eberhart: Der künftige Medienkonsum – und nicht zuletzt auch die Markenbindung – formen sich ganz stark im Kindesalter. Es ist viel schwieriger, Jugendliche anzusprechen, die mit unserem Programm noch nie Kontakt hatten. Oft ist es dann bereits zu spät. Das heisst aber auch, dass wir – wenn wir wirklich ernst nehmen wollen, wohin die Reise geht – die Kinder da abholen müssen, wo sie sind. Dass auch Elfjährige bereits ein Smartphone besitzen, ist Fakt. Mobile Anwendungen werden für sie immer wichtiger.
Grond: An neuen Ideen mangelt es nicht. SRF hat aber eine klare Budgetstruktur, die Gelder werden in erster Linie nach sogenannten «Slots», also Sendeflächen, verteilt. Das hemmt Experimente – gerade im schnelllebigen Onlinebereich, der ja nicht über eine klassische Sendefläche verfügt. Mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit ist die Kinderprogramm-Zukunft in erster Linie «nicht linear», das heisst zu grossen Teilen losgelöst von den klaren Strukturen der Radio- und TV-Programme. Dem versuchen wir bei «Zambo» Rechnung zu tragen.

Thomas Grond: «An neuen Ideen mangelt es nicht. SRF hat aber eine klare Budgetstruktur, die Gelder werden in erster Linie nach sogenannten ‚Slots‘, also Sendeflächen, verteilt. Das hemmt Experimente.»

Wie?
Grond: Indem wir immer wieder mit neuen Formaten und Formen experimentieren. Unser Publikum meldet uns, auch dank unserer aktiven Online-Community, sehr schnell, ob eine Sendung, ein Beitrag oder ein Artikel «ankommt» oder nicht.
Eberhart: Unser Ziel muss es bleiben, Kindern ein intelligentes Programm zu bieten, das sie ernst nimmt und ihnen auf Augenhöhe begegnet.

Interview: Oliver Fuchs

Bilder: SRF / Oscar Alessio

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