«Unsere Neulinge riskieren auch mal eine kalte Dusche»
33 Jahre Altersunterschied liegen zwischen dem jüngsten und dem ältesten Redaktionsmitglied des Regionaljournals Basel Baselland. In letzter Zeit sind einige neue Stimmen dazugekommen, altbekannte sind geblieben. Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen den Journalistengenerationen? Redaktionsleiter und Teammitglieder geben Auskunft. Doch zuerst die Planungssitzung.
– von Alexandra Hänggi
«Auf den Leim kriechen sollten wir denen aber auch nicht!» Die Jüngste am Tisch, Rahel Walser (*1987), wirft einen Blick in die Runde und erinnert ihre Redaktionskollegen daran, dass die Besetzer auf dem Basler Hafengelände seit Wochen von der Räumungsfrist wussten. Die anderen stimmen zu und der zuständige Reporter versichert, diesem Fakt in der Berichterstattung Rechnung zu tragen.
An der Sitzung hat die Regionalredaktion Basel Baselland zuvor auch die eben ausgestrahlte Mittagssendung kritisiert. Freundlich wird die zuständige Redaktorin auf eine Ungenauigkeit bei der Nennung eines Wissenschaftspreises hingewiesen. Sie macht sich eine Notiz, um es bei der heutigen Abendsendung dann ganz korrekt zu sagen. Nun geht es um die Planung der nächsten Tage.
Im Zusammenhang mit der polizeilichen Räumung im Hafen will das Regi möglichst aktuell berichten und verschiedene Exponenten zu Wort kommen lassen. Kontakte in die Szene und in die Politik sind geknüpft. Die Stimmung am Sitzungstisch ist konzentriert und sachbezogen. Es fällt auf: Alle äussern sich und alle hören zu.
Kritischer Geist willkommen
Dieses selbstverständliche Diskutieren auf gleicher Augenhöhe ist bemerkenswert, denn das insgesamt 14-köpfige Team besteht aus Leuten wie Hansruedi Schär (*1954), der seit vierzehn Jahren hier arbeitet, und Matieu Klee (*1972), der erst vor wenigen Wochen dazugestossen ist. Ein Grund dafür ist sicher die Haltung des Redaktionsleiters Dieter Kohler (*1961), der sich von den Personalwechseln der letzten Zeit nicht aus dem Konzept bringen lässt.
«Wir freuen uns immer auf neue Leute und hoffen, dass sie sich rasch mit Dynamik und frischen Ideen einbringen und auch unser Tun hinterfragen. Als eigentliches Autorenradio sind wir auf Eigenständigkeit und Kreativität angewiesen. Der Chef schätzt es, wenn Neue mit einem Vorschlag auch mal eine kalte Dusche riskieren.
Keine exakte Wissenschaft
Vor dem Hinterfragen und Kaltduschen kommt aber meist die Einführung ins Handwerk. «Regi machen» sei keine exakte Wissenschaft, sinniert Dieter Kohler, es brauche Tipps und Tricks, die von Mensch zu Mensch weitergegeben werden.
Einer dieser Menschen ist oft Hansruedi Schär, der stellvertretende Redaktionsleiter. «Ich war wohl nicht zufällig einst Lehrer.» Doch obwohl er die Einführung von jungen Kollegen und Kolleginnen gerne übernimmt, legt er Wert darauf, nicht der «Redaktionspapi» zu sein. «Gewisse handwerkliche Dinge, wie etwa der Umgang mit O-Tönen, sind mir persönlich ein Anliegen.» Er bemühe sich aber, jeweils eine Palette von Möglichkeiten aufzuzeigen, und dann müssen die Neuen ihren eigenen Weg finden. Rahel Walser nickt heftig. Sie sei damals von Hansruedi und Dieter eingearbeitet worden: «Zwei Philosophien!» – Unterdessen hat sie ihren eigenen, nochmals anderen Arbeitsstil entwickelt.
Am System wachsen
«Jedes Einschaffen ist anders», betont Hansruedi Schär. So kommt es etwa sehr darauf an, ob jemand zuvor bereits Jahre als Printjournalist tätig war und nur das Technische noch lernen muss. So einer ist derzeit Matieu Klee, der im hektischen Alltag lediglich noch Unterstützung bei der Technik braucht. Handkehrum bringen manchmal journalistische Greenhorns ein ausgesprochenes Flair für Technik mit. «In beiden Fällen müssen wir aufpassen, dass wir die Leute nicht überfordern.» Hansruedi Schär lächelt und murmelt für einmal etwas unväterlich: «Doch irgendwann ist die Schonfrist vorbei.»
«In beiden Fällen müssen wir aufpassen, dass wir die Leute nicht überfordern.» Hansruedi Schär lächelt und murmelt für einmal etwas unväterlich: «Doch irgendwann ist die Schonfrist vorbei.»
Und dann kommt die partnerschaftliche Zusammenarbeit. Marlène Sandrin (*1977) fing als Stagiaire im Regi Basel an, heute ist sie verantwortliches Redaktionsmitglied. Am ehesten noch den Stage-Anfang hat sie als Kampf um Anerkennung in Erinnerung. «Ich wollte gute Arbeit liefern und nicht brave Tierli-Geschichten machen.» Spätestens mit der Anstellung hat sich das ergeben. Die Reihenfolge zuerst Reporterin, dann auch Moderatorin, Diensthabende und zuletzt Produzentin ermöglicht das Reinwachsen. «Das System emanzipiert einen automatisch», findet auch Kollegin Walser.
Offen für Parkkarten-Geschichten
Und ist denn in diesem gemeinsamen Schaffen und Themensetzen der Altersunterschied spürbar? – Während Rahel Walser die unterschiedlichen Persönlichkeiten im Team betont und Matieu Klee von der guten Fussballmannschaft spricht, in der es verschieden gelagerte Talente braucht, runzelt Hansruedi Schär die Stirn. Natürlich spiele es bei der journalistischen Themensuche eine Rolle, in welcher Lebenssituation sich jemand persönlich gerade befindet. «An ein Jugendkulturfestival schickt mich heute niemand mehr. Dafür bin ich hier der Einzige, der ein Auto hat.
«Natürlich spielt es bei der journalistischen Themensuche eine Rolle, in welcher Lebenssituation sich jemand persönlich gerade befindet.» (Hansruedi Schär)
Da bin ich offen für Themen wie Parkkarten ...», lächelt Schär. Und Marlène Sandrin ergänzt, dass die Jüngeren in der Stadt wohl ein paar andere Orte kennen als die Älteren und auch mal eine entsprechende Geschichte einbringen. «Aber eigentlich herrscht hier ein Grundkonsens.»
«Ich nenne es den Regi-Groove»
Regi-Leiter Kohler sieht das auch so und denkt sofort an die publizistischen Leitlinien. Rahel Walser lacht: «Ich würde es eher den Regi-Groove nennen!» Sie ist regelmässig auch für andere Radiogefässe tätig und stellt fest: Im Regionaljournal wird sehr eng zusammengearbeitet, man geht von Büro zu Büro. Die einzelnen Elemente einer Sendung müssen ineinandergreifen. «Beste Teamarbeit auch ohne Grossraumbüro», wirft der Chef ein. Anfangs sei ihr aufgefallen, fährt sie fort, dass es immer um Viertel vor zehn plötzlich so still wurde. «Bis ich gemerkt habe: Alle sind gemeinsam beim Kaffee. Auch gegessen wird zusammen und danach gibts einen Töggeli-Match.»
«Im Regionaljournal wird sehr eng zusammengearbeitet, man geht von Büro zu Büro. Die einzelnen Elemente einer Sendung müssen ineinandergreifen.» (Rahel Walser)
Später im Gespräch kommen die Redaktionsleute nochmals auf ihr Einführungsprogramm für Neulinge zu sprechen, das in erster Linie auf Kollegenhilfe beruht. Ein gewisser Stolz ist in der Runde nicht zu überhören. Nur Hansruedi Schär weist auf die Wichtigkeit von kontinuierlich funktionierenden Schnittstellen und klar geregelten Verantwortlichkeiten hin. – Halt doch ein bisschen Papa. «Im Sendestress müssen wir uns blind aufeinander verlassen können.» Da nicken alle.
Alexandra Hänggi
Bilder: Imagopress / Patrick Lüthy
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