Regionaljournal Ostschweiz auf Radio SRF beanstandet

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Mit eingeschriebenem Brief vom 3. Juli 2014 haben Sie im Namen des Vereins gegen Tierfabriken Schweiz die Sendung „Regional-Journal Ostschweiz“ vom 26. Juni auf Radio SRF 1 beanstandet. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 8. Juli bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von Radio SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kritisierte Sendung analysieren können. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute mei­nen Schlussbericht zu senden.

1. In Ihrem Schreiben werfen Sie der Sendung vor, bei der Berichterstattung zum Urteil des Bundesgerichtes vom 26. Juni 2014 in Sachen „Daniel Vasella/Novartis gegen Erwin Kessler/VgT betreffend Persönlichkeitsverletzung“ das Sachgerechtigkeits-gebot verletzt zu haben.

Sie begründen Ihre Beanstandung wie folgt:

  1. „Am 26. Juni 2014 fällte das Bundesgericht nach einer öffentlichen Beratung am Vormittag kurz vor Mittag das Urteil in diesem aufsehenerregenden Ge­richtsurteil. Die schriftliche Urteilbegründung liegt noch nicht vor, hingegen hat das Bundesgericht im Anschluss an die öffentliche Urteilsverkündung eine Pressemitteilung herausgegeben mit einer Zusammenfassung der Urteilsbe­gründung.
  2. Am Abend des 26. Juni brachte das Regionaljournal Ostschweiz von SRF 1 einen Bericht des Bundesgerichtskorrespondenten Sascha Buchbinder. Die­ser Bericht kontrastiert mit seiner Unsachlichkeit und teilweisen Unwahrheiten zur Berichterstattung der Printmedien und war durchs Band weg tendenziös darauf ausgelegt, VgT-Präsident Erwin Kessler und den VgT lächerlich zu machen:
    1. Schon im zweiten Satz bezeichnet er die fragliche Veröffentlichung, welche das Bundesgericht zu beurteilen hatte, abschätzig als ‚Tiraden von Erwin Kessler’ – eine Bezeichnung, welche das Bundesgericht weder wörtlich noch sinngemäss verwendet hat und die der Form und dem Inhalt dieser Veröffentlichung unangemessen ist; das Bundesgericht spricht vielmehr ausdrücklich von einer ‚Wertung mit einem zutreffenden Kern’.
    2. Kurz darauf spricht er wieder von ‚Schimpf-Tiraden’. Davon kann in der frag­lichen Veröffentlichung keine Rede sein. Das Bundesgericht spricht ausdrück­lich von einer zulässigen ‚Wertung mit einem zutreffenden Kern’ – etwas ganz anderes als blosse Beschimpfungen, wie Buchbinder das Bundesgericht wahrheitswidrig wiedergegeben hat.
    3. Weiter behauptet Buchbinder wahrheitswidrig, das Bundesgericht habe sein Urteil damit begründet, man könne diese Publikation von Erwin Kessler nicht ganz ernst nehmen. In Tat und Wahrheit war das die Meinung eines einzelnen der fünf urteilenden Bundesrichter und diese wurde vom Gesamtgericht nicht übernommen. Beweis: Pressemitteilung des Bundesgerichtes.
    4. Zum Schluss streicht Buchbinder noch hervor, Erwin Kessler sei ‚zu spät zur Verhandlung’ erschienen. Diese Bemerkung kann keinen anderen Zweck gehabt haben, als nochmals das von ihm von Erwin Kessler gezeichnete Bild eines schludrigen (‚zu spät zur Verhandlung’), nicht ernst zu nehmenden Typen, der statt mit sachlichen Argumenten primitiv mit ‚Schimpf-Tiraden’ arbeitet, abzurunden und zu verstärken. Buchbinder hat Erwin Kessler nach der Urteilsverkündung persönlich angesprochen, aber nicht nach dem Grund des Zu-spät-Kommens gefragt. Grund war eine technische Störung bei der SBB. Zudem fand gar keine ‚Verhandlung’ statt, sondern eine öffentliche Urteilsberatung, bei der sich die Parteien nicht äussern (Unterschied zu einer Verhandlung), sondern nur wie Journalisten und anderes Publikum zuhören können (Anwesenheit fakultativ). Welchen anderen Grund als Erwin Kessler schlecht darzustellen konnte die für das Publikum unwichtige Bemerkung haben, er sei zu spät gekommen, ohne Angabe des Grundes?
  3. Gemäss der Pressemitteilung des Gesamtgerichtes waren für das Gesamtge­richt folgende Gründe ausschlaggebend für die Abweisung der Klage Vasellas (so ging es auch aus der mündlichen Beratung klar hervor). Zitate aus der Pressemitteilung:

a) Was den Begriff ‚Massenverbrecher’ betrifft, stellt der durchschnittliche Leser nach Ansicht des Bundesgerichts aufgrund der Verwendung zusam­men mit ‚Versuchstieren’ keine Verbindung zu Massenverbrechen an Menschen oder zu einem Genozid her. In diesem Sinne hat auch die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichtes den Ausdruck gewürdigt, die in ihrem letztjährigen Urteil (6B_412/2012) Erwin Kessler vom Vorwurf der Verleumdung von Daniel Vasella freigesprochen hat.

b) In Bezug auf die Begriffe ‚Misshandlung von Versuchstieren’ und ‚Tier­quälerei’ teilt das Bundesgericht die Ansicht des Thurgauer Obergerichtes, dass eine Wertung mit einem zutreffenden Kern vorliegt, zumal für die betroffenen Tieren auch mit legalen Versuchen Qualen und Ängste ver­bunden sein können.

c) Zu beachten ist allgemein, dass die Vorwürfen weniger an Daniel Vasella und Novartis persönlich gerichtet sind, sondern vielmehr an die Pharma­industrie insgesamt.

d) Eine Rolle bei der Beurteilung spielt zudem, dass der fragliche Text auf der Homepage des VgT erschienen und der Leser in der Lage ist, die Aussagen entsprechend einzuordnen.

  1. Von dieser Urteilsbegründung des Bundesgerichtes hat Radio SRF 1 durch seinen Journalisten Buchbinder nur die dritte (c) übernommen, die erste (a), zweite (b) und vierte (d) dagegen unterschlagen und an deren Stelle unwahre weitere Begründung des Gerichtes behauptet.
  2. Durch diese unsachliche Gerichtsberichterstattung wurde das Sachgerechtig­keitsgebot verletzt.“

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von Radio SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Rolf Hieringer, Stv. Chefredaktor CR Radio und Leiter Regionalredaktionen, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:

„Ich nehme in meiner Funktion als Leiter der SRF-Regionalredaktionen gerne Stel­lung zur Beanstandung von Herrn Dr. Erwin Kessler (Geschäftsnummer 3614), die er im Namen des Vereins gegen Tierfabriken Schweiz eingereicht hat.

Herr Erwin Kessler wirft der Regionalredaktion Ostschweiz vor, bei der Bericht­erstattung zum Urteil des Bundesgerichts vom 26. Juni 2014 in Sachen ‚Daniel Vasella/Novartis gegen Erwin Kessler/VgT betreffend Persönlichkeitsverletzung’ das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt zu haben.

Herr Erwin Kessler legt in fünf Punkten dar, warum er zu diesem Schluss kommt.

Gestatten Sie mir, auf die relevanten Punkte zu antworten:

Zu 2.2.: Unser Bundesgerichtskorrespondent Sascha Buchbinder hat im Zusammen­hang mit einer offiziellen Verlautbarung des VgT das Wort ‚Tiraden’ verwendet, das Bundesgericht hingegen nicht. Hingegen bezeichnet Tirade laut Duden (24. Auflage) einen Wortschwall.
Die repetitive, umfangreiche Bezichtigung Daniel Vasellas als jemand, der Massen­verbrechen an Tieren zu verantworten habe, der sich daran bereichere sowie der Vorwurf der Tierquälerei etc. ist mit der Bezeichnung ‚Tirade’ in einem Mundart-Gespräch kurz und zutreffend charakterisiert.

Im Beitrag des Regionaljournals Ostschweiz sagte Sascha Buchbinder: ‚Zum ande­ren war die Mehrheit der Richter der Meinung, «Massenverbrechen gegen Tiere», dieser Ausdruck sei derart polemisch, dass er auch von einem unbefangenen Leser einfach nicht ganz ernst genommen werden könne und entsprechend haben sie eigentlich auch Erwin Kessler mit seinen Schimpftiraden gegen Herrn Vasella nicht so ganz ernst genommen.’

Herr Erwin Kessler betont, das Bundesgericht habe im Bezug zur VgT-Verlautbarung ausdrücklich von einer zulässigen ‚Wertung mit einem zutreffenden Kern’ gesproc­hen; dies sei etwas ganz anderes als blosse Beschimpfungen, wie von Sascha Buchbinder wahrheitswidrig behauptet.

Die protokollarischen Notizen unseres Bundesgerichtskorrespondenten aus der Verhandlung zeigen ein differenzierteres Bild:

Bundesrichter (BR) Marazzi nannte die Aussagen ‚dermassen übertrieben und demagogisch, dass sie offensichtlich nicht zum Nennwert zu nehmen sind’. Die Aussagen seien ‚beinahe lächerlich’. Zwar sei Gerichtsnotorisch, dass Tierver­suche mit Leiden verbunden sein könnten, doch ‚Erwin Kessler übertreibt’, er gebe die Wahrheit ‚stark vereinfacht’ wieder.

BR Hohl folgte dem Gegenantrag Marazzi ohne Einschränkung.

Ebenso BR Herrmann, der zudem von einer ‚exzessiven Verwendung der Begriffe’ sprach und die Äusserungen als ‚am Limit des Tolerablen’ beurteilte.

BR Escher (Referentin) sprach von einer ‚äusserst groben Verletzung’, nannte die Wortwahl ‚masslos übertrieben’ und bezeichnete die Aussagen als ‚ein nicht vertretbares Urteil, unnötig herabsetzend’.

BR von Werdt folgte Escher und stellte fest, Erwin Kessler stelle die Tierversuche auf dieselbe Stufe wie Genozid. Er werfe Daniel Vasella verabscheuungswürdige Verbrechen vor.

Erwin Kessler stimmte dem halblaut zu: ‚Ganz genau!’

BR von Werdt meinte weiter: Kessler wolle einen Zusammenhang mit den grössten Verbrechen herstellen, ‚da gibt es nichts zu verniedlichen’.

Erwin Kessler pflichtete auch dem im Saal halblaut bei: ‚Will ich nicht!’

Die Aussagen unseres Bundesgerichtskorrespondenten waren daher weder unwahr noch tendenziös.

In Punkt 2.3. beanstandet Erwin Kessler nochmals, unser Korrespondent habe wahr­heitswidrig behauptet, das Bundesgericht habe sein Urteil damit begründet, man könne diese Publikation von Erwin Kessler nicht ganz ernst nehmen. In Tat und Wahrheit sei das die Meinung eines einzelnen der fünf urteilenden Bundesrichter und diese seien vom Gesamtgericht nicht übernommen worden. Als Beweis führt Erwin Kessler die Pressemitteilung des Bundesgerichtes an.

Sascha Buchbinder betont hingegen, weder BR Hohl noch BR Herrmann hätten sich distanziert von den Worten von BR Marazzi, als sie dessen Antrag folgten. Dies habe eindeutig darauf hingewiesen, dass sie die Behauptung von BR Marazzi teilten, man könne die Publikation von Erwin Kessler nicht ganz ernst nehmen. Auch aus der Pressemitteilung des Bundesgerichts lassen sich hierzu keine Schlüsse ziehen. Die schriftliche Begründung liegt noch nicht vor.

In Punkt 2.4. kritisiert Erwin Kessler die Beobachtung, Erwin Kessler sei ‚zu spät zur Verhandlung’ erschienen. ‚Diese Bemerkung kann keinen anderen Zweck gehabt ha­ben, als nochmals das von ihm von Erwin Kessler gezeichnete Bild eines schludrigen (‚zu spät zur Verhandlung’), nicht ernst zu nehmenden Typen, der statt mit sach­lichen Argumenten primitiv mit ‚Schimpf-Tiraden’ arbeitet, abzurunden und zu verstärken.“

Diesen Vorwurf weisen wir zurück. Unser Bundesgerichtskorrespondent hat seine Aufgabe wahrgenommen und auch Beobachtungen zum Verhalten der Protagonisten vor Gericht wiedergegeben. Sascha Buchbinder hat als Gerichtsberichterstatter eine langjährige Erfahrung (seit 1997 ca. 400 Verhandlungen und Urteilsberatungen verfolgt). Parteivertreter, die nachträglich den Saal betreten, habe er noch nie zuvor beobachtet. Ein verspätetes Erscheinen war in diesem Sinn und in seinen Augen bemerkens- und berichtenswert.

In Punkt 3 beschreibt Erwin Kessler aus seiner Sicht, welche Gründe für das Gesamtgericht für die Abweisung der Klage Vasellas ausschlaggebend gewesen seien, nämlich: Was den Begriff ‚Massenverbrecher’ betrifft, stellt der durchschnitt­liche Leser nach Ansicht des Bundesgerichts aufgrund der Verwendung zusammen mit ‚Versuchstieren’ keine Verbindung zu Massenverbrechen an Menschen oder zu einem Genozid her. In diesem Sinne hat auch die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichtes den Ausdruck gewürdigt, die in ihrem letztjährigen Urteil (6B_412/2012) Erwin Kessler vom Vorwurf der Verleumdung von Daniel Vasella freigesprochen hat.

Unser Berichterstatter am Bundesgericht nimmt dazu wie folgt Stellung: ‚Erwin Kess­ler pflichtete – entgegen seinen Ausführungen in dieser Beschwerde – dem Gerichts­präsidenten von Werdt bei, als dieser erklärte, Kessler wolle einen Zusammenhang zwischen Massenverbrechen gegen Tiere und Völkermord herstellen, er wolle Daniel Vasella verabscheuungswürdige Handlungen vorwerfen (vgl. Ausführungen zu 2.2).’

In Punkt 3.b. schreibt Erwin Kessler: In Bezug auf die Begriffe ‚Misshandlung von Versuchstieren’ und ‚Tierquälerei’ teilt das Bundesgericht die Ansicht des Thurgauer Obergerichtes, dass eine Wertung mit einem zutreffenden Kern vorliegt, zumal für die betroffenen Tieren auch mit legalen Versuchen Qualen und Ängste verbunden sein können.

Hier betont unser Bundesgerichtskorrespondent: ‚Alle Richter sprachen von polemi­schen Wertungen, übertriebenen Wertungen und dergleichen. Zum Freispruch kam es, weil die Bundesrichter meinten, die Äusserungen würden, wenn sie nur auf Tiere gemünzt seien, ihre Tragweite verlieren.’

Soweit unsere Stellungnahme zu den einzelnen Punkten.

Grundsätzlich möchten wir betonen, dass es dem Wesen der Berichterstattung ent­spricht, nicht alle Argumente vollständig wiedergeben zu können. Wer die ganze Argumentation des Bundesgerichts verfolgen will, muss der Sitzung beiwohnen. Zudem steht es dem Bundesgerichtskorrespondenten frei, Beobachtungen wiederzu­geben, wenn sie von Relevanz oder Interesse sind.

Wie ebenfalls bereits erwähnt, wäre es dienlich, die schriftliche Begründungen des Urteils beizuziehen oder gar das Protokoll der Verhandlung zu beantragen. Sich auf die stark verkürzte Pressemitteilung des Bundesgerichts zu berufen, erachten wir in diesem Fall nicht als hilfreich.

Unser Fazit: Die Berichterstattung über die öffentliche Urteilsberatung war fair und ausgewogen. Erwin Kesslers polemische Äusserungen und die für ihn ambivalente Begründung des Gerichts wurden zutreffend widergegeben.“

3. Soweit die Stellungnahme der Verantwortlichen von Radio SRF. Herr Rolf Hieringer argumentiert ausführlich, warum Ihre Reklamation seiner Meinung nach abzulehnen sei.

Gegenstand Ihrer Beanstandung ist das Gespräch zwischen Moderatorin Martina Brassel und Bundesgerichtskorrespondent Sascha Buchbinder im Regionaljournal Ostschweiz vom 26. Juni 2014 über das Urteil des Bundesgerichtes des gleichen Tages, wonach Ihr Artikel vom 5. August 2009 auf der Internetseite des Vereins gegen Tierfabriken die Persönlichkeit von Novartis und ihrem früheren CEO Daniel Vasella nicht verletzt. Mit drei gegen zwei Stimmen korrigierte somit das Bundes­gericht den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau von 2011. Dieses kam zum Schluss, dass die Verwendung des Ausdrucks „Massenverbrechen“ die Persön­lichkeit von Novartis und Daniel Vasella verletzen würde.

Sie monieren nun, dass der erwähnte Radiobericht „mit seiner Unsachlichkeit und teilweisen Unwahrheiten“ zur Berichterstattung der Printmedien kontrastiert und „durchs Band weg tendenziös darauf ausgelegt“ worden sei, Sie als Präsident des VgT lächerlich zu machen. Sie werfen deshalb Radio SRF vor, das Sachgerechtig­keitsgebot verletzt zu haben.

Als Beweis unterstreichen Sie unter anderem, dass Ihre Veröffentlichung abschätzig als „Tirade von Erwin Kessler“ bezeichnet wurde. Das Bundesgericht hätte Sie zu­dem mit Ihrer „Schimpftirade gegen Herrn Vasella nicht so ganz ernst genommen“. Sie vermissen zudem einen Hinweis, wonach das Bundesgericht Ihren Artikel und die ausgesprochenen Vorwürfe als „Wertung mit einem zutreffenden Kern“ ansehe. Sie kritisieren zudem, dass im Radiobericht hervorgehoben wurde, dass Sie „zu spät zu der Verhandlung“ des Bundesgerichts eingetroffen seien.

Nachdem ich die Angelegenheit analysieren konnte, kann ich Ihre kritische Reaktion durchaus nachvollziehen. Denn ich stelle fest, dass zwischen der Berichterstattung der Printmedien – die meisten haben die SDA-Meldung übernommen – und derjeni­gen von Radio SRF wesentliche Unterschiede bestehen.

Auf die Frage, warum die Bundesrichter die Klage von Daniel Vasella abgewiesen haben, antwortete der Bundesgerichtskorrespondent Sascha Buchbinder wie folgt:

„Im Wesentlichen aus zwei Gründen. Zum einen sind sie zum Schluss gekom­men, es sei nicht Vasella als Person herabgesetzt worden durch diese Tirade von Erwin Kessler, sondern er sei einfach der Sündenbock gewesen für die ganze Pharmabranche. Aber es sei nicht darum gegangen, ihn als Person zu verletzen.

Zum anderen war die Mehrheit der Richter der Meinung, ‚Massenverbrechen gegen Tiere’, dieser Ausdruck sei derart polemisch, dass er auch von einem unbefangenen Leser einfach nicht ganz ernst genommen werden könne und entsprechend haben sie eigentlich auch Erwin Kessler mit seinen Schimpftiraden gegen Herrn Vasella nicht so ganz ernst genommen.“

Soweit die wesentlichen Informationen in der Berichterstattung von Radio SRF 1.

Anders dagegen die Meldung der Schweizerischen Depeschenagentur SDA. Über die Begründung des Bundesgerichtes schreibt sie am 26. Juni um 13.36 Uhr Folgen­des:

„Die Diskussion der fünf Lausanner Richter hat sich in der öffentlichen Beratung vom Donnerstag vor allem darum gedreht, wie der Durchschnittsleser den Begriff ‚Massenverbrechen an Tieren’ versteht. Dies ist entscheidend für die Beantwor­tung der Frage, ob eine Persönlichkeitsverletzung stattgefunden hat oder nicht. Der Präsident der Zweiten zivilrechtlichen Abteilung und eine weitere Richterin vertreten die Auffassung, dass ein Durchschnittsleser beim Begriff Massenver­brechen an Genozid, Folter und die Verbrechen des Dritten Reiches denkt. Werde eine Person oder ein Unternehmen bezichtigt, für Massenverbrechen ver­antwortlich zu sein, so die beiden Richter, liege eine Persönlichkeitsverletzung vor. Ebenso bei der Herstellung eines Zusammenhangs mit ‚Misshandlungen von Versuchstieren’.

Ein anderes Bild des Durchschnittslesers haben die drei weiteren Richter, deren Auffassung sich schliesslich durchgesetzt hat. Sie sind der Meinung, dass der Leser bei der Lektüre des am 5. August 2009 auf der VgT-Website publizierten Textes nicht an einen Genozid denkt. Vielmehr sei er in der Lage zu erkennen, dass der Verein gegen Tierfabriken und dessen Präsident Erwin Kessler den Begriff Massenverbrechen in moralisch-ethischer Hinsicht verstehen.

Zwar sei der von Kessler angeschlagene Ton im publizierten Text scharf und ent­spreche nicht einem ‚guten Geschmack’. Aber im Rahmen der Medien- und Meinungsäusserungsfreiheit sei es vertretbar, eine Ansicht auch provokativ und pointiert darzulegen.“

Die Unterschiede sind nach meiner Auffassung frappant. Während die SDA-Meldung als vollständig und sachlich angesehen werden kann, scheinen mir die Begründun­gen von Herrn Buchbinder sehr persönlich gefärbt. Dies äussert sich insbesondere in der Behauptung, wonach das Bundesgericht Ihre Kritiken gegenüber Novartis und Herrn Vasella „nicht so ganz ernst genommen“ hätte. Zugegeben, der Bundes­gerichtskorrespondent von Radio SRF hat die Verhandlungen aufmerksam verfolgt und sich eine eigene Meinung bilden können. Selbstverständlich sind Kommentare auch am Radio gestattet. Doch laut Gesetz müssen „Ansichten und Kommentare als solche erkennbar sein“, was vorliegend nicht der Fall war.

Weder die protokollarischen Notizen von Herrn Buchbinder noch die Pressemitteilung des Bundesgerichtes lassen die Schlussfolgerung zu, wonach das Bundesgericht Ihre Kritik „nicht so ganz ernst genommen“ hätte. Zudem vermisse ich im Radiobei­trag verschiedene meiner Meinung nach wichtige Informationen. So zum Beispiel der Hinweis in der Medienmitteilung, wonach die Verwendung des Begriffs „Massenver­brechen“ zusammen mit „Versuchstieren“ für den durchschnittlichen Leser keine Ver­bindung zu Massenverbrechen an Menschen oder zu einem Genozid bedeutet. Auch unterstreicht das Bundesgericht, dass der fragliche Text auf der Homepage des VgT erschienen sei. Der Leser sei somit in der Lage, die Aussage entsprechend einzuord­nen. Darüber ist in der Berichterstattung nichts zu hören. Dies gilt auch für die An­sicht des Bundesgerichtes, wonach Begriffe wie „Misshandlungen von Versuchs­tieren“ und „Tierquälerei“ „eine Wertung mit einem zutreffenden Kern“ seien, zumal für die betroffenen Tiere auch legale Versuche mit Qualen und Ängsten verbunden sein können.

Natürlich gilt es zu berücksichtigen, dass die schriftliche Begründung des Urteils noch nicht vorliegt. Umso wichtiger erscheint mir, die offiziell veröffentlichte „Medien­mitteilung des Bundesgerichtes“ zu berücksichtigen. Ich teile die Auffassung von Herrn Hieringer nicht, wonach eine derartige Medienmitteilung „in diesem Fall nicht als hilfreich“ anzusehen sei.

Aufgrund aller dieser Feststellungen gelange ich zur Auffassung, wonach sich das Publikum insbesondere durch die Unterlassung wesentlicher Information nur ungenü­gend eine eigene Meinung bilden konnte.

Anders dagegen meine Schlussfolgerungen hinsichtlich Ihre Kritiken zum Begriff „Tirade“ sowie zur Aussage über Ihr verspätetes Eintreffen an den Verhandlungen. In Anbetracht des aggressiven Inhalts Ihres Artikels sind die Begriffe „Tirade“ oder „Schimpftirade“ nicht nur zulässig, sondern geradezu passend. Was das „verspätete Eintreffen“ betrifft, ging es um die Frage der Moderatorin, wie Sie und Herr Vasella sich vor dem Gericht verhalten hätten. „Ja kann man nicht sagen“, antwortete Herr Buchbinder, „dass sie dem Gericht heute die Ehre erwiesen hätten. Daniel Vasella ist gar nicht erst erschienen. Erwin Kessler ist zu spät zur Verhandlungen gekommen...“ Eine Bemerkung, welche der Wahrheit entspricht und im Rahmen der Medienfreiheit nicht zu beanstanden ist.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich Ihre Beanstandung, soweit ich darauf ein­treten konnte, im Rahmen der Erwägungen als teilweise berechtigt erachte.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Mög­lichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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