Radio – ein Medium mit Zukunft

«Ende der 1980er-Jahre war das mediale Angebot in meinem nordbadischen Empfangsgebiet äusserst überschaubar. Im ­Radio gab es nur gerade mal zwei Sendungen pro Woche, die mein Bedürfnis nach Musik abseits des Mainstreams befriedigten. Eines Abends betätigte ich mal wieder den Frequenzregler und stiess dabei auf die Sendung ‹Sounds!› auf DRS 3.»

– Eine Carte blanche von Rolf Schöner

«Ich verstand kein Wort des Moderators und rätselte, aus welchem Land ich da mit so toller Musik beglückt wurde. Nach ein paar weiteren ‹Sounds!›-Sendungen konnte ich dann den schweizerdeutschen Moderationen folgen. Und wurde Fan – auch von den Leuten hinter dem Mikrofon. Mit ‹Sounds!› bekam ich nun täglich spannende, neue Musik geboten – ein Quantensprung!

Radiohören spielt für mich auch heute noch eine wichtige Rolle, um neue Musik zu entdecken. Mein Sohn (15) hört kaum Radio. Viel lieber benutzt er den Streaming-Dienst Spotify, weil er damit ein seinem Geschmack entsprechendes Musikprogramm gestalten kann. Spotify, iTube und Co. werden vor allem bei jungen Menschen immer beliebter. Auch grosse Musiklabels starten jetzt mit eigenen Streaming-Apps.

Heute kann ich aus unzähligen Internetradios aus der ganzen Welt, Streamingangeboten und iTunes mein ganz individuelles Programm zusammenstellen. Das ist toll, macht aber auch Arbeit. Klassische Radioformate nutze ich ­lieber: weil mir die Musikredaktion die Auswahl abnimmt. Weil die Moderatorinnen mich persönlich ansprechen und mit Informationen versorgen. Auch weil mich – abseits der ­Musiksendungen – Fachleute professionell mit relevanten Nachrichten und Hintergründen füttern. Und das einfach, indem ich das Radio mit dem Sender meines ­Vertrauens anstelle. Ein Service (public), den vielleicht auch mein Sohn mal schätzen wird.

Aktuelle Studien belegen, dass junge Menschen zwar weniger Radio hören, das Medium aber immer noch stark genutzt wird. Das geschieht immer mehr auf andere Art als ‹live› am Radiogerät. Radiosender müssen künftig einen noch flexibleren, einfachen Konsum über alle ‹Kanäle› anbieten – zeit-, orts- und geräteunabhängig, auch weil die mobile Mediennutzung weiter zunehmen wird. Wenn das Empfangen von DAB-Signalen auf allen mobilen Geräten möglich wird, könnte dieser vom Internet unabhängige Verbreitungsweg Radiohören für junge Menschen ­attraktiver machen. Moderne Technologie und schöne Musik ­reichen natürlich nicht. Radio muss mehr bieten: regionale, aktuelle Information, emotionale Bindung, Interaktivität und Mitbestimmung, multimediale Verkettung. Das Radio kann – durch ­seine Beschränkung auf den Audiokanal – in der medialen ­Reizüberflutung aber auch eine Beruhigung von der Bilderflut anbieten. Gerade den Digital Natives.

Auch wenn ich mir manchmal Sorgen um die Zukunft des Radios mache: Wenn ich höre, dass junge Leute neue Radiosender aufmachen, oder wenn gleichzeitig mehrere Schülerinnen ihre Matura-Arbeit als Radiosendung bei uns im Sender produzieren, dann kann es um das Medium wohl nicht ganz so schlecht stehen.»

Rolf Schöner ist Vorstandsmitglied der SRG Aargau Solothurn und Mitglied der Programmkommission sowie Programmleiter von Radio Kanal K, Aarau.

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