«Wenn Satire allen gefällt, läuft etwas schief»

Satire bewegt. Sie bewegt diejenigen, die damit ihre Meinungen kundtun, und diejenigen, die sich über sie aufregen. Kabarettist und Satiriker – und SRG Zug-Mitglied – Michael Elsener erklärt, warum nicht jeder Satire gut finden darf, und glaubt, dass Jesus bei Satire auch wegzappen würde.

– Interview von Olivia Gähwiler

LINK: Michael Elsener, wozu braucht es Satire?
Michael Elsener: Satire ist das Ventil einer Gesellschaft. Die Menschen können damit ihren Unmut ausdrücken oder auf Missstände hinweisen. Indem ich die Gedanken und Emotionen der Menschen aufnehme und auf lustige Weise thematisiere, agiere ich als Vertreter des Volkes und könnte im Ernstfall Satire auch als Waffe einsetzen.

Als Waffe wofür?
Eine Waffe gegen die Mächtigen und Gros­sen in einem Land. Es gibt keine krassere Emotion, als wenn Menschen über eine Person lachen. Humor schweisst zusammen und kann gesellschaftliche Bewegungen unterstützen. Das weckt Urängste bei Macht­habern – deshalb werden Karikaturen oder ­Satiresendungen auch immer als Erstes in einem Land mit Demokratiedefizit verboten, wenn sie zu kritisch gegenüber den ­Regierenden sind.

Humor schweisst zusammen und kann gesellschaftliche Bewegungen unterstützen. Das weckt Urängste bei Macht­habern.

Hat Satire wirklich so viel Einfluss?
Vom Gedanken, mit Satire die Welt bewegen zu können, bin ich weggekommen. Aber wenn ich das Publikum mit meinen Nummern dazu bringen kann, einen anderen Blickwinkel auf eine Person oder eine Situation einzunehmen, ist das grossartig.

Birgt der Einfluss von Satire auf die ­Gesellschaft nicht auch die Gefahr,
Grenzen zu überschreiten?
Als Humorist muss man sich über seinen Einfluss bewusst sein. Ich tu das, indem ich meine Pointen hinterfrage und mir ­deren Auswirkungen überlege. Ich lasse oft eine hübsche Pointe fallen, weil ich ­finde, dass sie auf den Falschen zielt.

Als Humorist muss man sich über seinen Einfluss bewusst sein. Ich tu das, indem ich meine Pointen hinterfrage und mir ­deren Auswirkungen überlege.

Was ist für Sie die falsche Richtung?
Wenn jemand schon am Boden liegt, ­mache ich nicht auch noch Witze über ihn. Zum Beispiel der Fall «Geri Gate»: ­Obwohl ich damals wahrscheinlich nur «Nackt-­Selfie» hätte sagen müssen und alle gelacht hätten, war das für mich ein No-Go.

Und trotzdem ecken Satiriker immer ­wieder an. Sind die Schweizer zu ­sensibel oder die Komiker zu forsch?
Schweizer haben einen tollen Humor. ­Viele verspüren aber neuerdings Phantomschmerzen. Sie fühlen sich bei einer Pointe betroffen, obwohl es sie selbst gar nicht betrifft. Andere warten auch nur ­darauf, bis das Wort «Jesus» in einer Satire vorkommt, damit Sie endlich wieder einmal eine Beschwerde schreiben können.

Schweizer haben einen tollen Humor. ­Viele verspüren aber neuerdings Phantomschmerzen. Sie fühlen sich bei einer Pointe betroffen, obwohl es sie selbst gar nicht betrifft.

Müssen Sie ihre bitterbösen Witze beim ­öffentlichen Sender manchmal ein wenig entschärfen?
Ich passe mein Programm nie an. Das Feedback ist aber, wenn ich bei «Giacobbo/­Müller» auftrete, natürlich um einiges grösser.

Wie reagieren Sie, wenn jemand mit ­einer Pointe unzufrieden ist?
Meistens verschärfe ich die Pointe dann. Oder wenn mir ein unzufriedener Katholik schreibt, er hätte bei meiner Version der Weihnachtsgeschichte weggezappt, dann schreib ich: «Ich glaube, Jesus hätte dasselbe getan.»

«... Und für so etwas müssen wir Billag-Gebühren zahlen», heisst es dann.
Wenn eine Satiresendung allen gefallen würde, liefe etwas schief. Es braucht Reaktionen vom Publikum – das macht es ­lebendiger und noch besser. Wenn jemandem eine Pointe nicht gefällt, ist das natürlich schade. Aber solche Sendungen sind ja freiwillig, man muss die nicht schauen. Und schliesslich zahle ich auch Billag-Gebühren für «Samschtig-Jass». Der nervt mich ab und zu auch. Und das ist in Ordnung.

Interview: Olivia Gähwiler

Bild: Alexandra Wey

THEMENVERWEIS:
Satire – der unvollständige Nachrichtenersatz, LINK 6/14

Michael Elsener
Er ist jung, lockig und Zuger. Und bereits nicht mehr aus der Schweizer Kabarett­szene wegzudenken: Michael Elsener. Der 29-Jährige ist bekannt für seine fiktiven ­Figuren, klassischen Kabarettnummern und seine Parodien bekannter Personen. Und dafür, dass er als studierter Politik­wissenschafter gerne etwas kritischer ­hinschaut. Elsener tritt regelmässig in ­«Giacobbo/Müller» auf SRF 1 auf und ist langjähriges Mitglied der SRG Zug.
Bild: Amanda Nikolic

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