Sendungen auf Radio SRF im Rahmen der Aktion «Jeder Rappen zählt» beanstandet

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Mit E-Mail vom 24. Dezember 2014 haben Sie die Berichterstattung der Tagesschau vom 24. Dezember beanstandet. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 29. Dezember bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kritisierte Sendung sehr genau angeschaut. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie begründen Ihre Reklamation wortwörtlich wie folgt:

Ich habe heute, 24.12.2014, die Tagesschau am Nachmittag und Abend auf SFR-Info angeschaut. Es ist doch Heiliger Abend. Trotzdem wurden die bereits vor Wochen in den USA begangen Tötungen vom Schwarzen durch weisse Polizisten wieder hervorgeholt und gesendet. Dass erst vor ein paar Tagen weisse Polizisten von Schwarzen erschossen wurden, wurde nicht erwähnt, obwohl diese Taten jünger sind. Alle diese Ereignisse waren nicht aktuell.

Weshalb muss die Tagesschau am Heiligen Abend solche schweren Verbrechen wieder auftischen? Dass die Polizei in den USA schnell zur Waffe greift ist bekannt. Die Täter in den USA sind aber auch schneller bereit zur Waffe zu greifen. Die Schwarzen, die erschossen wurden sind auch nicht ganz unschuldig, obwohl die Polizei sicherlich auch nicht von Schuld freigesprochen werden kann. Wenn schon am Heiligen Abend solche Taten nochmals erwähnt werden müssen, dann bitte ausgewogen. Nicht nur, dass weisse Polizisten Schwarze erschossen haben, sondern auch umgekehrt. Das ist meine Meinung und vielleicht als Anregung an die Tageschau-Verantwortlichen gedacht.“

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Franz Lustenberger, Stv. Redaktionsleiter der Tagesschau, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:

„Herr X kritisiert die Tagesschau von Weihnacht-Abend wegen der Berichterstattung über die Erschiessung eines schwarzen Teenagers durch die Polizei in Berkeley.

Die Tat geschah am späten Dienstag Abend Ortszeit (23. Dezember 2014) in unmittelbarer Nähe des Ortes, an dem im August bereits ein Jugendlicher von einem Polizisten erschossen wurde. Die Meldung war also am 24. Dezember absolut aktuell. Die Tagesschau hat keine alte Meldung wieder aufgetischt, sondern über einen Vorfall vom späten Dienstagabend amerikanischer Zeit berichtet. Das belegen die beiden Agenturmeldungen:

Police shoot black teen at Missouri gas station

Dec 24 (Reuters) - An 18-year-old black teen was fatally shot by police at a gas station late on Tuesday in a St. Louis suburb near where unarmed teen Michael Brown was killed by a white officer in August, police and local media said.

A police officer shot and killed a man who drew a handgun and pointed it at him as the officer approached him and another man at a gas station in the St. Louis-area suburb of Berkeley, St. Louis County Police Department spokesman Brian Schellman said.

(Reporting by Eric M. Johnson in Seattle)

USA: US-Polizist erschiesst in Missouri schwarzen Jugendlichen

St. Louis (sda/dpa/afp) Erneut haben US-Polizisten einen schwarzen Teenager erschossen. Der Vorfall ereignete sich in der Stadt Berkeley, nahe Ferguson im Bundesstaat Missouri, wo im August der unbewaffnete schwarze Jugendliche Michael Brown von einem weissen Polizisten erschossen worden war.

Die Zeitung ‚St. Louis Post-Dispatch’ (Mittwoch) sprach von einem schwarzen 18-Jährigen. Zu den Schüssen kam es am späten Dienstagabend vor einer Tankstelle in Berkeley, heisst es in einer Erklärung der Polizei auf Facebook.

Bei einer Routinekontrolle seien Polizeibeamte auf zwei Männer gestossen, von denen einer eine Waffe auf die Polizisten richtete. Der Beamte habe in Notwehr gehandelt.

Die Identität des Toten sei bislang nicht geklärt. Der zweite Mann sei geflüchtet, eine Untersuchung sei eingeleitet worden. Am Tatort kam es am Mittwochmorgen zu Zusammenstössen zwischen Demonstranten und Polizisten, berichtete der Sender NBC.

Protestwelle in den USA

Seit Browns Tod und andere Todesfälle Schwarzer durch Polizeigewalt hatten in den USA in den vergangenen Monaten Empörung und landesweite Massenproteste hervorgerufen.

In mehreren Fällen wurde die Strafverfolgung der Täter von sogenannten Grand Jurys gestoppt, die überwiegend aus weissen Laienrichtern bestanden. Bei landesweiten Protestmärschen wurde eine grundlegende Justizreform gefordert.

Unter den Toten war auch der sechsfache Familienvater Eric Garner, der im Juli in New York im Würgegriff eines Polizisten starb. Garner war wie Brown unbewaffnet – ebenso wie der im November in Cleveland getötete zwölfjährige Tamir Rice, dem eine Spielzeugwaffe zum Verhängnis wurde. Im November wurde zudem der unbewaffnete Schwarze Akai Gurley von einem Polizisten in Brook-lyn erschossen.

(SDA-ATS\/fo/dc) - brd016

24.12.2014 11:14 Uhr

Die Meldung ist nicht nur aktuell, sie ist auch relevant: Die Erschiessung von Michael Brown im August hatte in den USA zu Protesten und zu einer breiten Diskussion über die Rolle der Polizei und des Justizsystems geführt. Dass diese neue Tat am Vorabend von Weihnachten ausgerechnet in unmittelbarer Umgebung von Ferguson stattfand, gibt ihr zusätzliche Relevanz. Das kommt auch in den obigen Agenturmeldungen zum Ausdruck. Selbst die renommierte Nachrichtenagentur Reuters stellt bereits im ersten Abschnitt diesen Zusammenhang her.

Die Tagesschau hat am Sonntag 21. Dezember ausführlich über die Erschiessung von zwei Polizisten berichtet. Im Text ist von Doppelmord, von einer eiskalten Exekution die Rede.

Tagesschau vom Sonntag, 21. Dezember 2014 (Hauptausgabe)

(Moderation) Die Tat glich offenbar einer Exekution: Ein 28 Jahre alter Schwarzer hat in New York zwei Polizisten durch ein Fenster ihres Streifenwagens erschossen – am helllichten Tag. Der Täter nahm sich anschliessend selber das Leben.

Die Tat steht im Zusammenhang mit mehreren Todesfällen von schwarzen Opfern durch Polizeigewalt: Der Angreifer hatte im Internet Rache für die Opfer angekündigt.

Der Doppelmord ereignete sich im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Die erschossenen Polizisten waren dort postiert worden, nachdem es Beschwerden über Gewalt gegeben hatte.

(Bericht) Aus Sicht der Polizei war es eine eiskalte Exekution – die Opfer willkürlich ausgesucht, nur weil sie eine Uniform trugen. Noch bevor sie ihre Waffen ziehen konnten, wurden sie mit gezielten Kopfschüssen getötet.

[O-TON MANN / De Blasio]

‚Es war eine besonders abscheuliche Tat, die unsere Gesellschaft und Demokratie im Herzen trifft. Wenn ein Polizist ermordet wird, zerstört das das Fundament unserer Gesellschaft.’

Trotz dieser Worte sieht sich der Bürgermeister mit heftiger Kritik konfrontiert. Demonstrativ drehen ihm mehrere Polizisten den Rücken zu, als er zur Pressekonferenz erscheint.

[O-TON MANN / Lynch] ‚An vielen Händen klebt nach dieser Tat Blut. Das beginnt im Rathaus, im Büro des Bürgermeisters.’

Mehr als hundert Polizisten standen am Abend zu Ehren der Opfer Spalier – geeint in Trauer. Doch viele von ihnen fühlen sich vom Bürgermeister im Stich gelassen, nach den von Polizeigewalt ausgelösten Unruhen der letzten Wochen in ein falsches Licht gerückt.

Man kann sich immer fragen, welchen Zusammenhang die Tagesschau bei einer neuen Meldung herstellen soll und welchen nicht. Die Tagesschau hat sich – in Über-einstimmung mit den Nachrichtenagenturen – dafür entschieden, den geographischen Zusammenhang herzustellen. In Ferguson/St.Louis hatten im August die ganzen Auseinandersetzungen ihren Anfang genommen, in unmittelbarer Umgebung geschah diese neue Tragödie.

Die Tagesschau hat im Bericht am 24. Dezember zum Vorfall in Berkeley / St.Louis ausgewogen berichtet. Sie hat beide Seiten – die Mutter des Getöteten wie auch den Sprecher der Polizei zu Worte kommen lassen. Auch Herr X betont in seiner Eingabe, dass die Schuldfrage nicht einfach zu klären sei. Ohne genaue Kenntnis der Fakten und weiterer Untersuchungen hat die Tagesschau gemäss ihren Richtlinien berichtet – keine voreiligen Urteile, sondern die Beschränkung auf die Fakten und die Darstellung der Meinungen beider Seiten.

Ich habe am 24. Dezember selber gearbeitet. Sie, Herr X und Herr Achille Casanova, können versichert sein, ich hätte an Heiligabend auch lieber nur positive Geschichten gesendet. Aber leider steht die Welt auch an diesem Tag nicht still. Am schrecklichsten wurde uns Nachrichten-Redaktoren dies vor zehn Jahren bewusst, als ein Seebeben mit dem nachfolgenden Tsunami in Südostasien hunderttausende Opfer forderte.

Der Auftrag der Tagesschau ist, über das Aktuelle und Relevante des Tages zu berichten. Ich beantrage daher, die Eingabe im Sinne meiner Ausführungen zu beantworten.“

3. Soweit die umfassende Stellungnahme des Stv. Redaktionsleiters der Tagesschau. Herr Franz Lustenberger begründet ausführlich, warum er beantragt, Ihre Beanstandung abzulehnen.

Die Ausgangslage sollte unbestritten sein. Am Abend des 9. August 2014 wurde in der Stadt Ferguson im Bundesstaat Missouri in den USA der 18-jährige afroamerikanische Schüler Michael Brown nach Tätlichkeiten gegenüber dem Polizisten Darren Wilson von diesem erschossen. In der Folge kam es zu andauernden Unruhen und Demonstrationen gegen rassistische Polizeigewalt, zur Entsendung der Nationalgarde und zur Verhängung nächtlicher Ausgangssperren. Nachdem eine Grand Jury am 24. November entschieden hatte, kein Verfahren gegen Darren Wilson zu eröffnen, kam es am 25. November zum Teil zu gewaltsamen Protesten in mehr als 170 Städten der USA.

Ein ähnlicher Fall ereignete sich am 23. Dezember in der US-Kleinstadt Berkeley, nur wenige Kilometer von Ferguson entfernt. Während einer polizeilichen Routinekontrolle soll ein schwarzer Jugendlicher eine Waffe gezogen haben. Daraufhin erschoss ein Polizist den jungen Mann mit drei Schüssen. Die Mutter des Toten beschuldigte die Polizei, ihren Sohn auf der Flucht erschossen zu haben. Am Morgen nach der Tat gab es in Berkeley Zusammenstösse zwischen Demonstranten und Polizisten. Es kam zu Handgreiflichkeiten. Einige Müllbehälter brannten, ein Geschäft wurde verwüstet.

Berücksichtigt man diese Ausgangslage sowie die gesellschaftspolitische Relevanz derartiger Ereignisse, bin ich klar der Auffassung, dass die Tagesschau – auch am Heiligabend – zwingend darüber berichten musste. Im Beitrag der Tagesschau ging es keinesfalls um „nicht aktuelle“, sondern ganz klar um einen neuen Vorfall, welcher gerade am Vortag stattfand. Im Beitrag wurde deutlich darauf hingewiesen, dass es umstritten sei, wie es zu dieser erneuten Tötung gekommen ist. Die Mutter des Getöteten sowie der Sprecher der Polizei konnten ihre divergierende Sicht der Dinge darlegen und die „Schuldfrage“ wurde bewusst offen gehalten. In diesem Sinne erachte ich die Berichterstattung der Tagesschau als sachgerecht.

Diese Feststellung bezieht sich auch auf den Zusammenhang zwischen dieser tragischen Episode und den Ereignissen vom August in Ferguson. Nicht nur wegen der geographischen Nähe, sondern auch wegen den zu erwartenden erneuten Diskussionen über die Rolle der Polizei und des Justizsystems war es journalistisch richtig, die Folgen und das Gewaltpotential beider Ereignisse in den Vordergrund zu stellen.

Sie vermissen einen Hinweis, wonach nicht nur „weisse Polizisten Schwarze erschossen haben, sondern auch umgekehrt“. Sie beziehen sich womöglich insbesondere auf den Vorfall vom 21. Dezember in New York, als ein Afroamerikaner zwei Polizisten erschossen und sich selbst getötet hatte. Ich kann Ihre Überlegungen durchaus nachvollziehen, denn es ist unbestritten, dass diese laut Bürgermeister Bill de Blasio erfolgte „Hinrichtung“ die Frage der Gewalt gegenüber Polizisten in dramatischer Weise aufwirft. Nachdem die Tagesschau vom 21. Dezember darüber bereits sehr umfassend berichtet hatte, teile ich die Auffassung von Herrn Lustenberger, wonach vorliegend dem Zusammenhang mit den Ereignissen vom August den Vorzug zu geben war.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich zwar für Ihre Reaktion Verständnis habe, Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, nicht unterstützen kann.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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