Zwei «Tagesschau»-Beiträge über Schweden beanstandet
Mit E-Mail vom 27. Dezember 2014 haben Sie die Berichterstattung der Tagesschau vom 25. Dezember über einen Brandanschlag in Schweden sowie vom 27. Dezember über das beschlossene „Stillhalte-Abkommen“ beanstandet. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 29. Dezember bereits bestätigt.
Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kritisierte Sendung sehr genau angeschaut. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.
1. Sie begründen Ihre Reklamation wortwörtlich wie folgt:
„Zum Brandanschlag auf eine Moschee in der Schwedischen Stadt Eskilstuna wurde in der TAGESSCHAU im gleichen Atemzug die drittgrösste Partei Schwedens ‚Sverigedemokraterna’ als ‚fremdenfeindliche rechtsextreme Partei’ dargestellt. Dies übrigens ohne jeglichen Zusammenhang! Als Halb-Schwede verwehre ich mich scharf dagegen. Ich hänge Ihnen das Parteiprogramm der Partei an, welches in seinen Aussagen und Forderungen wesentlich moderater ist, als die Klartext-Positionen der SVP. http://sverigedemokraterna.se/
Hingegen entspricht es dem journalistischen ‚Courent normal’, dass unsere SVP auch in Schweden (z.B. auf Wikipedia) als ‚högerextrem parti’ dargestellt wird. Also: ‚rechtsextrem’. Durch wen – und wie – wird eigentlich die ‚politische Mitte’ definiert? So verwundert es kaum, dass eine schwed. EU-Kommissarin nach Annahme der Minarett-Initiative vor Fernsehkameras das Statement abgab: ‚Wenn die Schweiz EU-Mitglied wird, muss die SVP verboten werden.’ (Nach meinem Wissen die älteste Volkspartei der Schweiz....). Soviel zum Zustand des bröckelnden Demokratieverständnisses in der EU.
Als Wähler, der seine Stimme recht gleichmässig sowohl linken als auch rechten Anliegen gibt, ist es unerträglich, dass sich unser Radio und Fernsehen noch immer gebärdet, als würde Herr Schellenberger die Chef-Redaktion innehaben! Daher wird meine Stimme ganz bestimmt der Initiative zur Abschaffung der Billag-Gebühren gehören.
Wie kontraproduktiv dieser politisch gefärbte Meinungsterror ist, ersehen Sie vielleicht in der Tatsache, dass vom Dänischen Radio unterdessen ein tägliches Programm ausgestrahlt wird: http://www.radio24syv.dk/programmer/danmarks-roest/
‚Ett dagligt debattprogram till svenskarna, om allt som de inte kan, vill eller får tala om i svenska medier’ – ‚Ein tägliches Debattierprogramm für die Schweden, über all das, was sie in den Medien nicht sagen können und dürfen’.
Unser Fernsehen täte besser daran, eine Dokumentation darüber zu produzieren, wie oppressiv die Situation in Schweden ist, und sich das Land – in der ‚Nach-Palme-Ära’ zum 2. Mal am Abgrund befindet, weil sich eine Politische ‚Elite’ – schon wieder dazu berufen fühlt, die Realität der Vision unterzuordnen.
So undurchsichtig die ganze PEGIDA-Aktion ist, die Erkenntnis von den Medien manipuliert und desinformiert zu werden, ist nicht von der Hand zu weisen und trägt zur gefährlichen Spaltung bei. Die Menschen spüren es, sehen es.“
Im Kontext „mit den unerträglichen, gefärbten und nie-recherchierten Berichterstattungen durch unser ‚Staats-Fernsehen’ SRF“ senden Sie mir mit E-Mail vom 28. Dezember einen Artikel des Ex-Unternehmers, CEO und Bankers Olov Hedengren. „Genau wie Hedengren es beschreibt, es handelt sich um einen beispiellosen Übergriff auf die Demokratie und die parlamentarischen Spielregeln“, ist in Ihrer Eingabe zu lesen. Leider kann ich dies nicht überprüfen, denn ich bin der schwedischen Spra-che nicht mächtig.
Was die Tagesschau vom 27. Dezember betrifft, formulieren Sie Ihre Kritik wie folgt:
„U m einen möglichen Erfolg der Partei ‚Sverigedemokrater’ bei allfälligen Neuwahlen im März 2015 zu verhindern, haben sich sämtliche Parteien von Links bis hin zur Mitte (Mitte-Links..) darauf geeinigt – bis 2022 (!) ein ‚Stillhalte-Abkommen’ zu schliessen. Die grosse Dänische Tageszeitung BERLINGSKE TIDENE macht auf die Fragwürdigkeit eines solchen Umgangs mit der Demokratie aufmerksam. Kommentar Tagesschau: ‚.....nachdem die Rechtspopulisten Öl ins Feuer gegossen haben...’
Es ging der Partei um den ökonomischen Wahnsinn, dass in Schweden unterdessen 67% des gesamten Sozial-Etats (vergleichbar inkl. AHV, IV, SUVA, Arbeitslosenversicherung usw.) – also 67% alleine für die sehr problematisch verlaufende Integration der höchsten per-capita Einwanderung aus muslimischen Ländern aufgewendet werden muss. SRF wie üblich nach dem Schema: ‚Die guten Linken – die bösen Rechten’.“
2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Franz Lustenberger, Stv. Redaktionsleiter der Tagesschau, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:
„Mit E-Mail vom 27. Dezember 2014 kritisiert Herr X die Berichterstattung der Tagesschau in der Spätausgabe vom 25. Dezember und der Hauptausgabe vom 27. Dezember 2014 – einerseits zum Brandanschlag auf eine Moschee in Schweden (25. Dezember) und zur Vereinbarung zwischen der rot-grünen Minderheitsregierung und den bürgerlichen Parteien der vorhergehenden Regierungskoalition in Schweden. (27. Dezember).
Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass die Schweizerische Volkspartei SVP in den schwedischen Medien als rechtsextrem dargestellt werde und dass in der schwedischen Gesellschaft andere Meinungen unterdrückt würden und das Land sich in der Nach-Palme-Ära zum zweiten Mal am Abgrund befinde. Er kritisiert in diesem Zusammenhang die Einigung zwischen der rot-grünen Minderheitsregierung und den vorher regierenden bürgerlichen Parteien, das sogenannte Stillhalte-Abkom-men. Dies sei demokratisch fragwürdig, angesichts des ökonomischen Wahnsinns und der Einwanderung aus muslimischen Staaten. Faktum ist, die rot-grüne Minderheitsregierung und die bürgerlichen Parteien der vormaligen Regierung haben sich zu einem Kompromiss durchgerungen, um die Blockade der Partei Schwedendemokraten in der Beratung des Budgets 2015 zu beenden.
Zu all diesen innerschwedischen Politdiskussionen hat sich die Tagesschau in den erwähnten Beiträgen nicht geäussert, ebenso wenig zur Beurteilung der SVP in den schwedischen Medien. Es bleibt einzig die Frage, ob die Einordnung der Partei «Schwedendemokraten» als «rechtspopulistisch», respektive «rechtsextrem» in den beiden erwähnten Beiträgen angemessen ist oder nicht.
In den Medien wird die Partei als rechtspopulistisch, rechtsnational oder eben auch rechtsextrem bezeichnet, als «Partei mit Neonazi-Vergangenheit» (Basler Zeitung vom 5. Dezember 2014), als Partei mit «Nazi-Wurzeln» (Süddeutsche Zeitung vom 4. Dezember 2014), die Partei habe «rechtsextreme Wurzeln» (Spiegel Online vom 3. Dezember 2014).
Dieses Faktum wird durch die Parteihistorie bestätigt: Die Wurzeln der Partei liegen in der rassistischen und rechtsextremistischen Bewegung Bevara Sverige Svenskt (dt. etwa: «Bewahrt Schweden schwedisch»). Dies drückt sich in der aktuellen Position zur Einwanderungspolitik aus: «Eine homogene Gesellschaft hat bessere Voraussetzungen, eine friedliche und demokratische Entwicklung zu nehmen, als eine heterogene.» In der Aussenpolitik sehen die Schwedendemokraten «traditionelle schwedische Werte» und die schwedische Kultur durch Einwanderung, Islamisierung , Globalisierung und den so genannten kulturellen US-Imperialismus bedroht. Die Forderung nach einer «homogenen Gesellschaft» drückt rechtsextremes Gedankengut aus.
Aufgrund dieser Beschreibungen, den Ursprüngen der Partei und der umfangreichen Dokumentation ist die Tagesschau der Ansicht, dass die Einordnung der Schwedenpartei in den beiden Sendungen vertretbar ist. Ich bitte Sie deshalb, die Eingabe in diesem Sinne zu beantworten.“
3. Soweit die Stellungnahme des Stv. Redaktionsleiters der Tagesschau. Herr Franz Lustenberger argumentiert ausführlich, warum seiner Meinung nach die Einordnung der Partei „Schwedendemokraten“ als „rechtspopulistisch“ beziehungsweise „rechtsextrem“ vertretbar sei.
Geht es um meine eigene Beurteilung, so muss ich um Verständnis dafür bitten, wenn es für die Ombudsstelle nicht möglich ist, auf Ihre kritische Einschätzung der politischen Lage in Schweden einzutreten. Als „Halb-Schwede“ verfolgen Sie die innerschwedischen Politdiskussionen aufmerksam und fühlen sich sicher auch vom Geschehen direkt betroffen.
Doch diesen Aspekt zu beurteilen, ist eigentlich gar nicht nötig. Denn in Ihrer Beanstandung werfen Sie vor allem eine wichtige, grundsätzliche Frage auf: Ist es zulässig, dass Medien – vorliegend die Tagesschau – einzelne politische Parteien im Schema „Recht-Links“ einordnen? Durfte die Tagesschau die drittgrösste Partei Schwedens „Sverigedemokraterna“ als „rechtsextreme Partei“ (Tagesschau vom 25. Dezember) beziehungsweise als „rechtspopulistische Partei“ (Tagesschau vom 27. Dezember) qualifizieren? Diese Fragen abschliessend zu beantworten, ist für die Ombudsstelle nicht einfach, denn es gilt, zwischen zwei gegensätzlichen Sachverhalten eine Güterabwägung vorzunehmen.
Einerseits gilt es zu berücksichtigen, dass es stets problematisch sein kann, eine politische Partei in einem stereotypischen Grundmuster zu definieren. In der Regel vertritt eine Partei verschiedene politische Positionen und Haltungen, welche nicht einfach mit einem schablonenartigen Schema „Links-Rechts“ differenziert genug definiert werden können.
Anderseits aber ist es in der politischen Diskussion üblich geworden, Parteien sowie ihre entsprechenden Haltungen durch eine Positionierung „Links“, „Mitte“ oder „Rechts“ festzulegen. Eine solche vereinfachte Sichtweise ist allgemein akzeptiert und öfters sehr hilfreich, um den politischen Diskurs überhaupt verständlich zu machen.
Dies gilt insbesondere, wenn es um die innenpolitische Lage eines fremden Landes geht, welche die breite Öffentlichkeit wenig oder überhaupt nicht kennt. Dies ist wohl bezüglich Schweden der Fall. Ich erachte es deshalb grundsätzlich als zulässig – und journalistisch sogar zwingend –, wenn auch in der Tagesschau eine derartige Einordnung vorgenommen wurde. Voraussetzung dafür ist aber, dass diese auch der Wirklichkeit entspricht.
Dies scheint mir bezüglich der Einordnung der Schwedendemokraten als „rechtsextreme“ sowie „rechtspopulistische“ Partei der Fall zu sein. Soweit ich beurteilen kann – und wie von Herrn Lustenberger plausibel dargelegt –, befindet sich die 1988 gegründete Sverigedemokraterna sowohl in der Innen- wie auch vor allem in der Ausländerpolitik auf dem rechten Rand des politischen Spektrum Schwedens. Nicht umsonst schreibt die NZZ vom 17. Februar, dass diese Partei in den letzten Wahlen Gewinne auf Kosten der etablierten Parteien rechts der Mitte erzielt hätte.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich die durch die Tagesschau vorgenommene Einordnung vielleicht gewagt aber auch als hilfreich erachte, damit sich das Publikum über die parteipolitische Lage in Schweden eine eigene Meinung bilden konnte. Insgesamt wurde das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt. Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, kann ich deshalb nicht unterstützen.
4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.
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