Beanstandung eines Übersetzungsfehlers in «10vor10»-Beitrag über «Charlie Hebdo»
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Mit E-Mail vom 5. Februar 2015 haben Sie eine falsche Übersetzung im Beitrag „Vier Wochen nach Charlie“ in der Sendung 10vor10 vom 4. Februar kritisiert. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 5. Februar bereits bestätigt.
Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die Angelegenheit analysieren können. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.
- Sie begründen Ihre Reklamation wie folgt: „Bei ca. 3’25’’ (gemäss Timeline des Videos auf srf.ch) macht der Karikaturist Rénald "Luz" Luzier folgende Aussage: "Je pense (que) la majorité des musulmans s’en foutent de Charlie Hebdo." Dies wird durch die Off-Stimme wie folgt übersetzt: "Die Mehrheit der Muslime sind verrückt nach Charlie Hebdo." Diese Übersetzung ist zweifelsohne nicht korrekt. Vermutlich ist sie durch einen Verhörer entstanden: "...sont fous de..." statt "...s’en foutent...". Aber "être fous de qc./qu." ist ein "falscher Freund" und kann nicht mit "verrückt sein nach etw./jmdn." übersetzt werden. Abgesehen davon, macht die deutsche Übersetzung auch inhaltlich keinen Sinn und hätte aufhorchen lassen müssen. Man könnte diesen Übersetzungsfehler grundsätzlich als vernachlässigbar betrachten. Ich bin aber der Meinung, dass er in diesem Zusammenhang nicht hätte entstehen dürfen. Ich muss nicht weiter begründen, dass die ganze Thematik rund um das Satireblatt Charlie Hebdo, die diesbezüglichen Haltungen und Positionen von Muslimen sowie die Pariser Attentate vom Januar 2015 ohnehin viel Zündstoff bietet und somit journalistische Sorgfalt erfordert. Mich stört es deshalb ungemein, dass diese durchaus relevante Aussage des Überlebenden Luz nicht korrekt wiedergegeben wurde. Es gibt zudem zwei Aspekte, die meinen Unmut über diesen unnötigen Fehler zu einem richtiggehenden Ärgernis befördern: 1. Der Beitrag wurde von Vice News übernommen, dies wurde in der Anmoderation so deklariert und als Exklusivität angepriesen. Ich kann es nicht fassen, dass es das SRF bzw. die "10 vor 10"-Redaktion nicht fertigbringt, einen pfannenfertig eingekauften Beitrag zumindest korrekt zu übersetzen. 2. Es handelt sich nicht um eine anspruchsvolle Übersetzung aus einer exotischen Sprache. Vielmehr ging es darum, eine (bezüglich Tonqualität und sprachliche Artikulierung des Sprechenden einwandfreie) Passage von der einen in eine andere Schweizer Landessprache zu übersetzen. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass das SRF über die notwendigen Ressourcen verfügt, um dies zu gewährleisten. Ich hoffe, diese Beanstandung kann dazu beitragen, dass die sprachliche Qualität der Berichterstattung des SRF auch im Detail hochgehalten wird“.
- Wie erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Herr Christian Dütschler, Redaktionsleiter von „10vor10“, schreibt dabei Folgendes: „Herr X beanstandet den Beitrag „Vier Wochen nach Charlie Hebdo“ in der Sendung 10vor10 vom 4. Februar 2015. Gerne nehmen wir zu seiner Beanstandung Stellung. Der von uns bei der Online-Nachrichten-Plattform Vice-News eingekaufte Beitrag beinhaltet hauptsächlich ein Interview mit dem Karikaturisten Renald Luzier, der dem Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo durch glückliche Umstände entgangen ist und das Titelbild der nächsten Ausgabe gezeichnet hat. Der ursprüngliche Beitrag von Vice-News ist teils in französischer, teils in englischer Sprache und hat eine Länge von ungefähr 12 Minuten. Wir haben diesen auf rund 4 Minuten gekürzt und ins Deutsche übersetzt. Die Kritik des Beanstanders bezieht sich denn auch auf unsere Übersetzung, konkret auf folgende Passage im Beitrag: Frage der Journalistin: „Beschäftigt es Sie manchmal, dass Ihre Karikaturen Muslime beleidigen könnten?“ Antwort Renald Luzier: „Die Mehrheit der Muslime sind verrückt nach Charlie Hebdo. Wer sich das Recht herausnimmt zu behaupten, die Mehrheit der Muslime sei verletzt, verkauft die Muslime für dumm.“ Wie der Beanstander richtig bemerkt, haben wir bei der Übersetzung dieser Passage einen Satz des ursprünglichen Interviews falsch interpretiert: Statt „la majorité des musulmans s’en foutent de Charlie Hebdo“ haben wir „la majorité des musulmans sont fous de Charlie Hebdo“ verstanden und mit „die Mehrheit der Muslime sind verrückt nach Charlie Hebdo“ übersetzt. Diese Übersetzung ist falsch. Korrekt hätte der Satz heissen müssen: „Die Mehrheit der Muslime kümmert sich keinen Deut um Charlie Hebdo." Wir möchten uns für den Übersetzungsfehler entschuldigen und bedauern, dass wir Luzier falsch zitiert haben. Nachdem wir auf den Fehler hingewiesen worden sind, haben wir in der Rubrik „Korrekturen“ auf unserer Webseite umgehend eine Richtigstellung publiziert. Auf unserer Internetseite ist der Beitrag zudem nicht mehr zugänglich. Gerne erklären wir kurz die Hintergründe, wie es zu diesem Fehler kommen konnte. Zum eingekauften Beitrag lag uns kein schriftlicher Text vor. Die Übersetzung hat eine erfahrene Journalistin unserer Redaktion gemacht, die über sehr gute Französischkenntnisse verfügt. Punktuell hat sie bei der Übersetzung auch mit den Französisch sprechenden Kollegen von RTS zusammengearbeitet. Den konkreten Satz über das Verhältnis der Muslime zu Charlie Hebdo hat sie jedoch nicht überprüfen lassen, da er ihr unproblematisch erschien. Auch inhaltlich schien die gewählte Übersetzung plausibel, zumal Luzier im ungekürzten Originalinterview ein konkretes Beispiel von einem Muslim erwähnt, der Charlie Hebdo positiv gegenübersteht. Für die Journalistin, die den Beitrag bearbeitet hat, war die gewählte Übersetzung also aus sprachlicher wie inhaltlicher Sicht plausibel. Die Bearbeitung von eingekauften Beiträgen scheint auf den ersten Blick einfach. Damit sind aber besondere Herausforderungen verbunden, weil zum Beispiel die Möglichkeit eines Hintergrundgesprächs mit dem Interview-Partner fehlt. Gerade die Tatsache, dass die Journalistin den Beitrag nicht vor Ort selber gedreht hatte, ist unserer Ansicht nach im konkreten Fall mit ein Grund, dass es zu diesem Missverständnis überhaupt erst kommen konnte. Aber es bleibt ein Übersetzungsfehler, der so nicht hätte passieren dürfen. Unabhängig vom Übersetzungsfehler möchten wir es nicht versäumen, auf den unserer Meinung nach hohen Informationsgehalt des Beitrages hinzuweisen. Bereits in der Moderation wird der Beitrag als Interview mit Renald Luzier, Mitarbeiter von Charlie Hebdo, angekündigt. Der Hauptinhalt des gezeigten Beitrages waren denn auch die persönlichen Erlebnisse von Luzier im Zusammenhang mit dem Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo. Im ersten Teil erklärt er ausführlich, wie er den Tag des Attentats erlebt hat und wie unvorbereitet er sich dabei fühlte. In einer vergleichsweise kurzen Passage wird dann die Wirkung von Charlie Hebo auf Muslime thematisiert. In der Interview-Antwort von Luzier haben wir seine Hauptaussage, nämlich dass seiner Meinung nach die Mehrheit der Muslime durch die Karikaturen von Charlie Hebdo nicht verletzt werde, korrekt wiedergegeben. Im letzten Teil des Interviews schliesslich bezieht er sich auf die berühmte Mohammed-Karikatur, welche er nach dem Attentat für das Cover von Charlie Hebdo gezeichnet hat. Sehr berührend erzählt Luzier zum Schluss, dass er beim Zeichnen der Karikatur ein Zwiegespräch mit Mohammed gehalten und dieser ihm erlaubt hätte, ihn weiterhin zu zeichnen. Insgesamt glauben wir, dass der Beitrag unseren Zuschauern eine neue, wertvolle Perspektive auf das Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo vermittelt hat. Die persönlichen Erlebnisse und Gedanken eines Direktbetroffenen gehen unter die Haut und hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck. Wir sind uns bewusst, dass der Übersetzungsfehler eine falsche Aussage zur Folge hatte. Gleichzeitig möchten wir Sie bitten, in Ihre Beurteilung den Gesamtwert des Beitrages für das Publikum miteinzubeziehen.
- Soweit die sehr umfassende Stellungnahme des Redaktionsleiters von „10vor10“. Herr Christian Dütschler gibt Ihnen Recht und gibt offen zu, dass ein Übersetzungsfehler passiert ist. Er hat deshalb das Nötige unternommen, damit eine Richtigstellung erscheint. Geht es nun um meine eigene Meinung, so habe ich sicher Verständnis dafür, dass Übersetzungsfehler immer wieder passieren können. Dies umso Mehr, wenn keine schriftliche Vorlage vorhanden ist. Doch diesen Fehler verfälscht total die Aussage von Herr Luzier über die Haltung der Muslime gegenüber den Karikaturen von „Charlie Hebdo“. In diesem Sinne handelt es sich nicht lediglich um eine unbedeutende Unzulänglichkeit. Auch wenn insgesamt der Beitrag von 10vor10 einen hohen Informationsgehalt aufweist, erachte ich Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, als berechtigt.
- Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 51A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.
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