«Rundschau»-Beitrag über die Einbürgerung eines jungen Kosovaren beanstandet

3929 |

Mit eingeschriebenem Brief vom 20. Januar 2015 hat mir die Unabhängige Beschwerdeinstanz UBI Ihre Eingabe vom 17. Januar zur Behandlung weitergeleitet. Sie wurden darüber informiert. Sie beanstanden die Sendung „Rundschau“ vom 7. Januar. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 29. Januar bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kritisierte Sendung sehr genau angeschaut. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie begründen Ihre Beanstandung wie folgt:

In der Rundschau vom 7. Januar 2015 des Schweizer Fernsehens berichtet Herr Sandro Brotz über die Geschehnisse von Paris (Satire-Zeitschrift) und schloss den Bericht mit der Bemerkung «er habe Angst vor einer zu erwartenden Islamophobie - auch in der Schweiz».

Er verwies dann auf Erscheinungen bei Einbürgerungen, wo gewisse Nationen und Religionen bereits benachteiligt würden. Er brachte dann das Beispiel Einsiedeln; wie dort die Einbürgerungen verlaufen und dann kamen Bilder von Pfyn im Kanton Thurgau (Kirche).

Ein Bäcker der Firma Bürgi namens Amir beschuldigte im Folgenden die Pfyner Gemeindeversammlung der parteiischen Abweisung seines Einbürgerungsgesuches, weil er Moslem sei! «Ein Bürger» habe beantragt, das Gesuch abzulehnen, weil er Moslem sei...
Diese Darstellung von Amir und der Rundschau ist nicht nur falsch, sie ist auch rufschädigend für eine ganze Gemeinde und zeigt eine fahrlässige und politisch bedenkliche Klärung durch Herr Sandro Brotz und seiner «Rundschau»!

Begründung:

In einem Protokoll werden selten alle Wortmeldungen gebracht - das würde viel zu weit führen. Weil ich meinen Antrag für ein NEIN seriös dargelegt habe, ist er im beiliegenden Protokoll in einigen Punkten aufgeführt, aber leider nicht in allen Punkten.

Das NEIN zu dieser Einbürgerung wurde verschiedentlich empfohlen. Meine Begründung: Herr Amir ist gar nicht integriert. Als Moslem hat er wie andere Muslime auch immer unter Muslimen im gleichen (Moslem-)Block in Pfyn gewohnt. Im Dorf hat Amir nirgends mitgemacht, in keinem Verein, in keinem Sportklub, in keiner Vereinigung! Sein Deutsch war damals äusserst mangelhaft, denn im Betrieb Bürgi sind viele Albaner tätig, die aber den ganzen Tag miteinander albanisch kommunizieren. Die wenigen Einheimischen mit deutscher Muttersprache mussten viel Ausgrenzung und Spott (auf albanisch) ertragen. Amir hat also auch im Betrieb oft in seiner Muttersprache kommuniziert. Die schnell noch nachträglich inszenierte Mithilfe bei der Feuerwehr war reine Augenwischerei! Amir wurde dann ja schliesslich doch noch eingebürgert, er ist aber in all den Jahren nicht einmal an eine Gemeindeversammlung gekommen - sagt die Gemeinde! Richtig, viele Mitbürger waren wie ich der Meinung, dass ein Doppelbürger rechtlich besser gestellt ist, als (Normal-)Bürger entgegen BV ART. 8, Abs. 1. Erwähnt wurden auch einige andere «Fehler», die allerdings den Weg ins Protokoll ebenfalls nicht gefunden haben. Selbst heute noch, nach bald 7 Jahren ist das Deutsch von Herrn Amir kaum erhaben!

Das Vorgehen der Rundschau, allen voran von Herrn Sandro Brotz ist alles andere als seriös und schon gar nicht korrekt. Ein Telefon an die Gemeinde und/oder an die Votanten jener Gemeindeversammlung hätte auch ihm Klarheit gebracht! Schade, dass so Bürger und Freunde unseres Fernsehens vor den Kopf gestossen werden und zu zweifeln beginnen, wo im Grunde Zweifel unberechtigt sein sollten. Die Rundschau ist eine kritisch-konstruktive Sendung, aber nur, wenn sie bei den Fakten bleibt.

Soweit Ihre Argumentation. Sie legen auch einen Auszug aus dem Protokoll der Versammlung der Politischen Gemeinde Pfyn vom 3. Juni 2008 bei.

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Mario Poletti, Redaktionsleiter der „Rundschau“, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:

„Gerne beantworten wir die Beanstandung von Herrn X. Den Vorwurf, die Rundschau habe ‚alles andere als seriös und schon gar nicht korrekt’ berichtet, weisen wir dezidiert zurück. Zu den konkreten Kritikpunkten – oder vielmehr Unterstellungen – halten wir Folgendes fest:

Zum Vorwurf an Moderator Sandro Brotz

Es trifft in keinerlei Hinsicht zu, wie in der Beanstandung behauptet, dass Moderator Sandro Brotz in der erwähnten Sendung gesagt haben soll, ‚er habe Angst vor einer zu erwartenden Islamophobie – auch in der Schweiz’. Es war im Gegenteil eine Frage an Studiogast Mustafa Memeti – den Imam von Bern –, ob er Angst vor einer Islamophobie habe. Moderator Brotz sagte auch mit keiner Silbe, wonach mit Blick auf die Einbürgerungen ‚gewisse Nationen und Religionen bereits benachteiligt würden’. Dieser Satz fiel nicht. Moderator Brotz sagte hingegen an die Adresse von Herrn Memeti: ‚Wir werden gleich im nächsten Beitrag einen jungen Muslim kennenlernen, der um seine Einbürgerung kämpft. Für ihn wird es möglicherweise schwierig.’ Es ist schwer nachvollziehbar, wie der Beanstander dazu kommt, die erwähnte Behauptung zu formulieren.

Zudem bezog sich der erste Satz der Moderation zur Überleitung vom Gespräch mit Herrn Memeti auf die Reportage von Samira Zingaro nicht ansatzweise auf eine Islamophobie, sondern sie lautete: ‚Wir sind mitten in der Dauerdebatte um die Fremden und Wir. Nur wer gut integriert ist, soll Schweizer werden – so will es das neue Bürgerrechtsgesetz.’

Aufgrund der Behauptungen entsteht der Eindruck, mit der Beanstandung solle lediglich die Rundschau und vor allem Moderator Sandro Brotz diskreditiert werden. Die Formulierung, das Vorgehen der Rundschau und des Moderators Sandro Brotz sei ‚alles andere als seriös und schon gar nicht korrekt’, fällt auf den Beanstander zurück. Wenn etwas nicht seriös und korrekt ist, dann ist es wohl die Beanstandung selber. Es ist deshalb auch nicht einzusehen, weshalb Moderator Brotz – wie von Herrn X gefordert – getadelt werden soll.

Zum Vorwurf: ‚rufschädigend für eine ganze Gemeinde’

Der Bericht in der Rundschau erzählt von Einbürgerungswilligen auf ihrem Weg zum Schweizer Pass. Das Verfahren verläuft föderalistisch und zum Teil nicht überall linear – wie das Beispiel des (heute eingebürgerten) Kosovaren Amir zeigt.

Amirs Gesuch wurde der Gemeindeversammlung Pfyn vorgelegt, er lebt seit er Teenager ist in der Schweiz. Er hat alle gesetzlichen Vorschriften erfüllt, um den Schweizer Pass beantragen zu können. Amir steht (neben der porträtierten deutschen Familie) für einen Einbürgerungswilligen, dessen Gesuch auf kommunaler Ebene vom Souverän beurteilt wird.

Der Fall wurde damals auch von einigen Medien aufgenommen. Die Protokolle der Gemeindeversammlung sind öffentlich und die ‚Rundschau’ hat daraus korrekt zitiert. Explizit heisst es in der ‚Rundschau’: ‚So steht es im Protokoll.’ Tatsächlich wurden an der Gemeindeversammlung verschiedene Gründe geltend gemacht, um Amirs Gesuch abzulehnen. Neben der kontrovers diskutierten doppelten Staatsbürgerschaft wurde laut Protokoll eben auch folgende polarisierende Wortmeldung verzeichnet: Es sei ‚der Stellenwert der Religion für Menschen muslimischen Glaubens’ in Erinnerung gerufen . Die ‚Rundschau’ zitiert diesen Satz aus dem Protokoll, und hält klar fest, dass der muslimische Glaube als eines von mehreren Argumenten gegen die Einbürgerung vorgebracht wurde: ‚Die Pfyner lehnten sein Gesuch ab – unter anderem, weil er Muslim sei.’ Die Rundschau hat den Fokus auf diese Wortmeldung gelegt, weil sie am problematischsten erscheint, garantiert doch unsere Bundesverfassung die Religionsfreiheit. Es hätte zu weit geführt, alle Bedingungen, die Amir erfüllen musste, detailliert auszuführen: 12 Jahre Wohnsitz in der Schweiz, davon d rei Jahre in Pfyn, genügend Deutschkenntnisse, keine Steuerrückstände, Bestreitung des Lebensunterhaltes sowie ein Attest, ob man über genügend Wissen zur Schweiz, Staat, Regierungssystem, Gemeinde, Kanton verfügt. Entscheidend ist, dass er schliesslich alle diese Bedingungen erfüllt hat – und darum mit seinem Rekurs erfolgreich war.

Abschliessend ist festzuhalten, dass Entscheide an Gemeindeversammlungen ein wichtiger Teil unseres Föderalismus – und öffentlich sind. Es muss also auch damit gerechnet werden, dass sie in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Selbstverständlich haben wir die Persönlichkeitsrechte des Beanstanders gewahrt und ihn nicht namentlich erwähnt, obwohl der aus dem Protokoll korrekt zitierte Wortlaut eindeutig ihm zugeordnet werden kann.

Wir sind überzeugt, dass wir ausgewogen über die Problematik berichtet haben – und dass sich das Publikum jederzeit eine eigene Meinung bilden konnte. Darum bitten wir Sie, die Beanstandung abzuweisen.“

3. Soweit die Stellungnahme des Redaktionsleiters der „Rundschau“. Herr Mario Poletti argumentiert ausführlich, warum seiner Meinung nach Ihre Beanstandung abgewiesen werden soll. Nachdem ich die von Ihnen kritisierte „Rundschau“ sehr genau analysieren konnte, stelle ich fest, dass Herr Poletti die wesentlichen Inhalte der Sendung ausführlich und korrekt wiedergegeben hat. Seine Argumente scheinen mir zudem sehr plausibel zu sein. In meiner eigenen Beurteilung kann ich mich deshalb kurz fassen.

Sie monieren zwei Dinge. Zuerst einmal werfen Sie Herrn Sandro Brotz vor, gesagt zu haben, er habe „Angst vor einer zu erwarteten Islamophobie – auch in der Schweiz“. Tatsächlich hat Herr Brotz diesen Satz im Gespräch mit dem Berner Imam Mustafa Memeti ausgesprochen. Nicht aber als seine eigene Überzeugung, sondern ausdrücklich und klar als Frage an den Imam. Eine zulässige und journalistisch durchaus begründete Frage, welche der Imam auch umfassend beantworten konnte. Ich kann deshalb Ihre Interpretation und Ihre Kritik am Moderator nicht teilen.

Dann beanstanden Sie vor allem die Art und Weise, wie in der Sendung die Frage der Ablehnung der Einbürgerung von Herrn Grajçevci Amir durch die Gemeinde Pfyn behandelt wurde. Als Begründung sei lediglich die Tatsache erwähnt, dass er Muslime sei. Dabei geht es aus dem Protokoll der Versammlung der Politischen Gemeinde Pfyn von 3. Juni 2008 hervor, dass auch andere Gründe – insbesondere die Anerkennung von doppelten Staatsbürgerschaften – eine Rolle gespielt haben. In Ihrer Eingabe erinnern Sie ausführlich an Ihre weiteren Begründungen für die vorgeschlagene Ablehnung – Begründungen, welche aber sogar im Protokoll nicht berücksichtigt worden seien. Sie bestreiten aber nicht, dass an der Generalversammlung der „Stellenwert der Religion für Menschen muslimischen Glaubens in Erinnerung“ gerufen worden sei.

Als Direktbetroffener kann ich Ihre Reaktion durchaus verstehen. Sie hätten gewünscht, dass nicht nur die muslimische Religion, sondern auch die anderen von Ihnen aufgeworfenen Argumente berücksichtigt worden wären. Wurde durch diese Unterlassung die Information über die Gemeindeversammlung von Pfyn verfälscht? War die Darstellung in der „Rundschau“ für die Gemeinde sogar „rufschädigend“?

Aus zwei Gründen kann ich Ihre Schlussfolgerungen nicht teilen. Zuerst einmal, weil es unbestritten ist, dass auch die Religion von Herrn Amir für die knappe Ablehnung seiner Einbürgerung – 38 zu 35 Stimmen bei zwei Enthaltungen – eine wesentliche Rolle gespielt hat. Dann aber auch, weil in der Rundschau deutlich vermerkt wurde, dass die Pfyner sein Gesuch „unter anderem, weil er Muslim sei“, abgelehnt hätten.

Dass lediglich dieser Ablehnungsgrund erwähnt wurde, ist sicher zu bedauern. Eine derartige Vereinfachung der Diskussion bei der Gemeindeversammlung ist aber durchaus zulässig. Auch in einem kurzen Fernsehbeitrag – ähnlich wie Sie für ein Protokoll ausdrücklich akzeptieren – können nicht alle Argumente gebracht werden, das würde viel zu weit gehen.

Ich gelange somit zur Auffassung, dass sich das Publikum über die Art und Weise, wie die Einbürgerung von Herrn Amir abgelehnt wurde, insgesamt eine eigene Meinung bilden konnte. Das Sachgerechtigkeitsgebot wurde deshalb nicht verletzt. Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, erachte ich deshalb als unbegründet.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

Tags

Kommentar

Kommentarfunktion deaktiviert

Uns ist es wichtig, Kommentare möglichst schnell zu sichten und freizugeben. Deshalb ist das Kommentieren bei älteren Artikeln und Sendungen nicht mehr möglich.

Weitere Neuigkeiten