Berichterstattung von Radio SRF 2 Kultur über Ausstellung im Museum Strauhof beanstandet

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Mit E-Mail vom 11. Februar 2015 und mit Brief des gleichen Tages haben Sie eine Berichterstattung von Radio SRF 2 Kultur über die Ausstellung „Museum Strauhof: Rund dreissig Deutschschweizer Verlage stellen sich ins Schaufenster“ beanstandet. Sie sind der Auffassung, dass diese Sendung Ihnen und einem von Ihnen verantworteten Projekt „schweres Unrecht und einen nicht wieder gut zu machenden Schaden punkto Wahrnehmung in der kulturellen Öffentlichkeit“ beigefügt hätte. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 16. Februar bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von Radio SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die Angelegenheit analysieren können. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schluss-bericht zu senden.

  1. Sie begründen Ihre Reklamation wie folgt: „Am 3. Februar wurde im Strauhof die Ausstellung «60 Jahre ,Alles in Allem’: Zürich im Spiegel von Kurt Guggenheims Romanchronik und von weiteren literarischen Werken des 20. Jahrhunderts» eröffnet. Eine Ausstellung, für deren grafische Umsetzung der erfahrene Grafiker Urs Bernet und die Künstlerin Anna Luchs zuständig sind. Gleichzeitig nahm eine Aktivität der schweizerischen Verlage ihren Anfang, die in einem Raum im oberen Stock mit fünfzig Veranstaltungen verschiedenster Art bis Ende April ihre Arbeit vorstellen. Diese Plattform, die den Raum nur dann nutzen darf, wenn keine Veranstaltung im Zusammenhang mit der Ausstellung stattfindet, ist mit ein paar Plakaten und Kartonständern bestückt, die Hinweise auf die Arbeit der Verlage geben. Von Anfang an hat die Stadt Zürich bekundet, dass es in dem Haus nur e i n e Ausstellung geben solle, nämlich die von mir kuratierte, und dass die Präsentation der Verleger eine Präsentation von Veranstaltungen ist, und nicht eine Ausstellung im wörtlichen Sinn. Nun hat das Tessiner Radio am 6. Februar über die Ausstellung berichtet: http://www.rsi.ch/rete-due/programmi/cultura/attualita-culturale/Lomaggio-del-museo-Strauhof-a-Kurt-Guggenheim-3720043.html
    Und ich nahm die Tatsache auf meinem Facebook-Account in humoriger Weise zur Kenntnis und zeigte mich erfreut, dass die SRG die Ausstellung wenigstens in der italienischen Schweiz zur Kenntnis nehme.

    Daraufhin meldete sich am 9. Februar Esther Schneider bei mir und teilte mir mit:
    Sehr geehrter Herr X Wahrscheinlich haben Sie es übersehen. Mein Kollege Heini Vogler aus der Literaturredaktion hat für SRF2Kultur am Montag in der Aktuellsendung am Vorabend einen Beitrag zur Ausstellung gemacht.
    Titel der Ausstellungsbesprechung: „Museum Strauhof: Rund dreissig Deutschweizer Verlage stellen sich ins Schaufenster.“
    Sie können den Bericht nachhören unter srf.ch: http://www.srf.ch/sendungen/kultur-kompakt/die-cinematheque-suisse-und-die-frage-der-langzeitspeicherung
    Mit freundlichen Grüssen Esther Schneider
    P.S. ich überlasse es Ihnen, den großen Verteiler darüber zu informieren Ich öffnete den Link und konstatierte, dass in dem von Heini Vogler verantworteten Beitrag von einer ‚literarischen Ausstellung’ gesprochen wird. Vogler meint aber die «Ausstellung» von «Publishers in Residence», beschreibt alle Kartonständer ausführlich, liefert eine Art Branchenreport des Verlagswesens und endet mit der Formulierung «Eine Ausstellung, die den Büchern der Deutschschweizer Verlagen wunderbare Geschichten entlockt.» Und dabei erwähnt Vogler weder im Vorspann, noch im Abspann, noch im Artikel selbst die Ausstellung «60 Jahre ,Alles in Allem’» auch nur mit einem Wort.
    Vogler war im Haus und konnte nicht übersehen haben, dass nicht nur das Parterre, sondern auch zwei Drittel des oberen Stocks durch die Ausstellung belegt sind, die ja auch vor dem Haus auf einem grossen Plakat als Hauptsache angekündigt ist. Bitte schauen Sie sich den folgenden Link an, der Ihnen einen Eindruck von der Ausstellung geben kann: http://utzi-foto.smugmug.com/Kunde-1/Strauhof-Alles-in-Allem/n-pWk8f
    Es kann sich also nicht um ein Versehen oder einen Irrtum handeln, dass Vogler die Guggenheim-Ausstellung in seiner Sendung vollkommen ignoriert. Was ich nicht nur als ungeschickt oder als Fehlleistung taxiere, sondern als eine bewusste Irreführung der Hörerschaft, die, soweit sie sich auf den Kultursender SRF 2 beruft, der Meinung sein muss, im Strauhof sei bis zur Wiedereröffnung im Herbst unter der Ägide der Zürcher Museumsgesellschaft einzig und allein eine Präsentation der Schweizer Verleger über ihre Arbeit zu sehen, die sogenannte Zwischennutzung bestehe einzig und allein aus «Publishers in Residence».
    Es erwächst der Ausstellung damit nicht nur ein grosser Schaden im Hinblick auf ihr Renommee und ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, es erwächst ihr auch ein finanzieller Schaden, wäre doch anzunehmen, dass von vielen Tausenden von Hörerinnen und Hörern von SRF2 eine nicht geringe Zahl die Ausstellung besuchen und Eintritt bezahlen würde, wäre sie denn auf faire und objektive Weise darüber informiert worden.

    Diese bewusste Fehlinformation, bei der man sogar einen antisemitischen Hintergrund vermuten könnte, handelt es sich doch bei dem Autor, den SRF totschweigt, ausgerechnet um den ersten jüdischen Schweizer Autor, der im Strauhof ausgestellt wird, ist nicht nur journalistisch höchst anfechtbar, ja im Kern verleumderisch, sondern widerspricht auch ganz offensichtlich den Aufgaben eines dem Service publique verpflichteten Senders, fair und gerecht über die kulturelle Wirklichkeit zu berichten und nicht ganz bewusst einen Player auszugrenzen.

    Ich erhebe somit ganz offiziell Beschwerde gegen diese Sendung und seinen verantwortlichen Redaktor Heini Vogler.
    Ich weiss aber auch, dass Verfahren vor der Ombudsstelle jeweils sehr lange gehen und die Ausstellung, die am 31. Mai schliesst, schon längst vorbei ist, wenn vielleicht in meinem Sinne entschieden wird.
    Ich meine daher, dass es für die Sache hilfreicher sei, wenn es gelänge, die SRG noch zu einer ausführlichen, fairen Berichterstattung über die Ausstellung zu bringen, wenn immer möglich in einem weit verbreiteten Sendegefäss. Sollte das in nützlicher Frist geschehen, wäre ich auch bereit, meine Beschwerde zurückzuziehen.“
  2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von Radio SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Frau Franziska Baetke, Programmleiterin Radio SRF 2 Kultur, schreibt dabei Folgendes:
    „Ausgangslage: Die Literaturredaktion hat am Dienstag, 27. Januar 2015, an ihrer Sitzung beschlossen, einen Redaktor an die Medienorientierung über die neue Ausstellung ‚Publishers in Residence. Ein Blick in die Verlagswelt’ im Strauhof Zürich zu schicken und zwar mit dem Auftrag, einen kurzen Bericht über die Ausstellung zu verfassen. Geplant war ein Moderationsgespräch von 3-4 Minuten Länge für die Vorabend-Sendung von Radio SRF 2 Kultur vom 3. Februar 2015. Literaturredaktor Heini Vogler hat die Ausstellung besucht. Vorbemerkung zur Arbeitsweise: Die Literaturredaktion ist eine Fachredaktion. Das heisst, sie liefert Beiträge in die Senderedaktionen. Wenn es darum geht, Inhalt, Länge und Fokus eines Beitrages zu bestimmen, redet die Senderedaktion mit. Es erfolgt also eine Absprache zwischen dem Fachredaktor – in diesem Falle Heini Vogler – und dem Produzenten der Sendung. Entscheidungsfindung Heini Vogler hat der Senderedaktion berichtet, dass die Ausstellung aus zwei Teilen besteht:
  3. Guggenheim-Ausstellung von Charles Linsmayer
  4. Ausstellung ‚Publishers in Residence’

Gemeinsam haben Fachredaktor und Produzentin entschieden, auf einen Ausstellungsteil zu fokussieren und zwar auf den Teil: ‚Publishers in Residence’. (Vorgängig hat, wie oben schon angeführt, auch schon die Literaturredaktion in eben diesem Sinn entschieden.) Bei der Fülle an Themen wird die Auswahl immer wichtiger. Vor allem, wenn nur drei bis vier Minuten Sendezeit zur Verfügung stehen.

Gründe für die Auswahl:

  1. Aktueller Anlass. Die wirtschaftliche Situation der Verlage ist zurzeit sehr schwierig, mit dem neuen Eurokurs ist sie noch härter geworden. Die Literaturredaktion hat den Auftrag, besonderes Augenmerk auf die Schweizer Verlagsszene sowie den Buchhandel zu richten.
  2. Die Ausstellung über Guggenheim ist eher ein regionales Thema (auch die NZZ hat dieses Thema im Lokalteil platziert und nicht im Feuilleton).

Die Fach- und die Senderedaktion von Radio SRF 2 Kultur haben nach rein journalistischen und publizistischen Kriterien so entschieden. Die Tessiner Kollegen haben den Fokus anders gelegt. Das ist gut so. Darin zeigt sich der publizistische Gestaltungsraum im Hause SRG. Jede Redaktion hat die Freiheit, ihre eigenen Schwerpunkte zu setzen.

Die getroffene Auswahl hat in keiner Weise antisemitische Hintergründe, wie Herr X in seinem Schreiben unterstellt. Diesen Vorwurf weise ich deutlich zurück.

Herrn Linsmayer Arbeit als Literatur-Vermittler wird von der SRF Literaturredaktion aufmerksam verfolgt. Es gibt keinen Grund, seine Projekte zu ignorieren. Im Gegenteil: erst kürzlich ist auf Radio SRF1, Radio SRF 2 Kultur und auf Kultur Online (srf.ch/kultur) ausführlich über ein anderes Projekt von Herrn Linsmayer berichtet worden:

  1. Hintergrundsendung ‚Reflexe’ auf Radio SRF 2 Kultur vom 13.2.2014: Der Jäger der Literaturschätze (zu Otto Frei und Linsmayer)
  2. Hintergrundsendung ‚BuchZeichen’ auf Radio SRF1 vom 26.1.2014: Otto Frei: Der Poet vom Untersee
  3. Online-Artikel zu Otto Frei am 27.1.2014
  4. Kurzbeitrag SRF1 vom 24.1.2014 auf SRF 1 (Hinweis auf Sendung BuchZeichen)

Die SRF Literaturredaktion verfolgt Herrn Linsmayers Arbeiten weiterhin und wird zu gegebenem Anlass auch wieder darüber berichten. Ob die aktuelle Ausstellung im Zürcher Strauhof nachträglich noch von Radio SRF 2 Kultur besprochen wird, ist zurzeit in Abklärung.

Ich bitte Sie, die Beschwerde von Herrn X zurückzuweisen.“

3. Soweit die Stellungnahme der Verantwortlichen von Radio SRF 2 Kultur. Programmleiterin Franziska Baetke erklärt ausführlich, warum die Literaturredaktion entschieden hat, über die Ausstellung „Publishers in Residence. Ein Blick in die Verlagswelt“ im Strauhof Zürich zu berichten.

Sie monieren nun, dass Radio SRF über diese Ausstellung berichtet habe und überhaupt nicht über die im Strauhof gleichzeitig eröffnete Ausstellung «60 Jahre ,Alles in Allem’: Zürich im Spiegel von Kurt Guggenheims Romanchronik und von weiteren literarischen Werken des 20. Jahrhunderts». Durch die Nicht-Erwähnung der von Ihnen verantworteten Ausstellung sei „schweres Unrecht und einen nicht wieder gut zu machenden Schaden punkto Wahrnehmung in der kulturellen Öffentlichkeit“ beigefügt worden.

Ihre Enttäuschung und Ihre kritische Reaktion kann ich durchaus nachvollziehen. Doch kann man von einer „bewussten Fehlinformation und von Irreführung der Hörerschaft“ sprechen, indem nur über eine der zwei Ausstellungen im Strauhof berichtet wurde?

Bei der Beantwortung dieser Frage muss ich mich ans Gesetz und an die geltende Praxis halten. Bundesverfassung und Gesetz über Radio und Fernsehen gewährleisten die Programmautonomie der Veranstalter. Diese sehr wichtige Medienfreiheit bedeutet insbesondere, dass die Verantwortlichen von Radio und Fernsehen selber bestimmen, ob und wie über ein Thema oder Ereignis berichten wird. In anderen Worten kann niemand ein Recht auf Antenne beanspruchen. Dies wird auch im Art. 6 Abs. 3 RTVG ausdrücklich festgelegt. Er sieht vor, dass niemand von einem Programmveranstalter die Verbreitung bestimmter Darbietungen und Informationen verlangen kann.

Es lag deshalb im freien Ermessen der Verantwortlichen von Radio SRF 2 Kultur, nur über eine der beiden am 3. Februar eröffneten Ausstellungen im Strauhof zu berichten. Dies war umso mehr zulässig, als der Radiobeitrag von Redaktor Heini Vogel über die Ausstellung „Publishers in Residence – Ein Blick in die Verlagswelt“ als sachliche und aktuelle Darstellung der Situation der Verlage in der Schweiz anzusehen ist.

Wenn der Beitrag an sich nicht zu beanstanden ist, gilt es auch die Anmoderation zu beachten. Ich stelle fest, dass in der Anmoderation des Radiobeitrages – wenn auch nur kurz – ebenfalls über die „unruhigen Zeiten“ berichtet wurde, welche das Literaturmuseum Strauhof „hinter sich“ habe. Gemeint war dabei der Entscheid des Stadtrates von Zürich vom Herbst 2013, das Museum Strauhof nicht weiter zu betreiben, was für Empörung in Literaturkreisen sorgte. Bekannte Schweizer Schriftsteller sowie Künstlerinnen und Musiker sammelten über 5000 Unterschriften, um mit einer Petition gegen die geplante Schliessung zu protestieren. Mit Erfolg: Bereits Anfang Dezember 2014 wurde bekannt, dass der Verein „Literaturmuseum Zürich“ vom Stadtrat den Zuschlag für den künftigen Betrieb erhalten hat und ab September 2015 den Strauhof betreiben wird.

In der Anmoderation zur Berichterstattung von Herrn Vogler wurde unterstrichen, dass sich die Zürcher Kulturszene lange unschlüssig war, wie es mit der Institution Strauhof weitergehen soll. Die Lage hat sich inzwischen geklärt: „Mitte Jahr geht es mit literarischen Ausstellungen im Strauhof weiter“, sagte der Radiomoderator. Und weiter: „In der Zwischenzeit sind rund 30 Deutschschweizer Verlage in die Bresche gesprungen. Heute startet im Strauhof der Parcours ‚Publishers in Residence. Ein Blick in die Verlagswelt‘. Die Verlage zeigen, wie sie mit Manuskripten umgehen, wie sie Bücher machen und um die Leserschaft buhlen.“

In diesem Zusammenhang erhält die Nicht-Erwähnung der am gleichen Tag eröffneten Ausstellung „Zürich im Spiegel von Kurt Guggenheims Romanchronik und von weiteren literarischen Werken des 20. Jahrhunderts“ einen grösseren Stellenwert. Denn aus dem Radiobericht erhält das Publikum die falsche Wahrnehmung, wonach im Strauhof bis zur Wiedereröffnung im September einzig „rund 30 Deutschschweizer Verlage in die Bresche gesprungen“ seien. Indem „Ihre“ Ausstellung nicht erwähnt wurde, konnte sich das Publikum über das Geschehen im Strauhof ungenügend eine eigene Meinung bilden. Dies ist nicht ohne Bedeutung. Berücksichtigt man, dass sich die Ausstellung über Kurt Guggenheim in die bisherige und künftige Tätigkeit von Strauhof als „Haus für Literaturausstellungen“ einfügt, hätte sie zumindest erwähnt werden sollen.

Auch wenn ich Ihren gravierenden Unterstellungen bezüglich antisemitischen Hintergrunds überhaupt nicht folgen kann, kann ich Ihre berechtigte Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, unterstützen.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Mög­lichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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