«Aus Bern der Bericht von …»
Wie hat sich die Beziehung zwischen den Politikern und den Medienschaffenden in den letzten Jahrzehnten verändert? Welche Auswirkungen hat die veränderte Nutzung der Medien auf die Arbeit der Bundeshausredaktoren? Solche und weitere zentrale Fragen wurden im Berner Rathaus Anfang März an der prominent besetzten Frühjahrstagung der SRG.D intensiv diskutiert.
– Von Rea Wittwer
«Jeden Tag gönne ich mir eine Siesta. Das kurze Abschalten mitten im Alltag ist mir sehr wichtig», erzählte Tischnachbar Hansruedi Wittwer, SRG-Pensionär und Mitglied der Trägerschaft während einer Pause. Was in Hansruedi Wittwers Alltag seit Jahrzehnten Platz findet, gehörte zu den zentralen Diskussionspunkten der diesjährigen SRG.D-Frühjahrstagung in Bern: Zeit haben – oder eben nicht. Denn Journalistinnen und Journalisten beispielsweise haben heute viel weniger Zeit als früher, profund zu recherchieren. «Komplexere Themen, der steigende Druck von aussen, eine oftmals diffuse Faktenlage und die neuen Medien haben unseren Beruf seit den 80er Jahren erheblich verändert», erklärte Hanspeter Trütsch, Leiter der SRF-Bundeshausredaktion.
Zeit versus Qualität
Vielschichtige Themen objektiv aufzubereiten, braucht Zeit und Fachwissen. Trütsch als zweiter Referent nach der Eröffnungsrede von alt Bundesrat Pascal Couchepin, der den Fokus auf die Transparenz und das Vertrauen in die Politik legte, stand mit seiner Aussage nicht alleine da. Die Probleme häufen sich, so ein Zwischenfazit der Tagung: Zeitmangel steigende Informationsflut und die Fluktuation dossierkundiger Journalisten machen einem ganzen Berufsstand zu schaffen. Die technologischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte bringen Hektik in den ohnehin rasanten Journalistenberuf. Doch dramatisiert wurde an der Frühjahrstagung zum Thema «Aus Bern der Bericht von ... – Die politische Berichterstattung aus dem Bundeshaus» keineswegs. Es wurde erläutert, erklärt, beleuchtet und hinterfragt.
Medien dürfen nicht käuflich sein
Im Anschluss an Hanspeter Trütschs Einblicke in seine fast 20-jährige Tätigkeit als SRF-Bundeshausredaktor war im Rathaus der Fokus auf das Verhältnis zwischen Politik und Medien gerichtet. Nick Lüthi, Chefredaktor «Medienwoche», diskutierte mit Medienprofessor Manuel Puppis, Politikberater Mark Balsiger und dem Publikum über die Mechanismen der beiden Systeme. Auch hier wurde über die Veränderung der Presselandschaft seit den 80er Jahren diskutiert, gar eine mögliche Renaissance der Parteienpresse in den Raum gestellt. «Journalisten sollten aber weder Eigeninteressen verfolgen noch persönliche Verbindungen zu Politikern pflegen. Und auf keinen Fall dürfen sie käuflich sein», so Professor Puppis. «Die Medien im Allgemeinen und der Service public im Besonderen funktionieren wie ein Filter. Sie bereiten die Geschäfte und Beschlüsse aus dem Bundeshaus objektiv auf, damit ein Meinungsbildungsprozess bei der Bevölkerung stattfinden kann», führte Puppis aus.
Im Hinblick auf die bevorstehende Abstimmung zum RTVG empfahl Nick Lüthi der SRG eine offensivere Kommunikation. «Die Trägerschaft muss informiert und aktiv präsent sein, um in der Öffentlichkeit differenziert Aufklärungsarbeit zu leisten.» Dass ein Grossteil der Bevölkerung SRG und Billag in einem Atemzug nenne, sei ein Missstand, den es zu beheben gelte, wurde im Plenum festgehalten.
Am Nachmittag gab Martin Schläpfer Einblick in seinen Alltag als Lobbyist. Schläpfer, Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik Migros Genossenschaftsbund, hielt ein feuriges Plädoyer für die Transparenz der Politik und Wirtschaft gegenüber den Medien und schlussendlich der konsumierenden Bevölkerung. Lobbyisten, die ihr Handwerk verstehen, funktionieren als Brückenbauer und tragen mit ihrer Arbeit einen Teil zum politischen Prozess bei.
«Wir kämpfen für die Qualität»
Nationalrätin Christa Markwalder verschaffte im abschliessenden Podiumsgespräch mit Radio SRF-Bundeshausredaktor Philipp Burkhardt und Susanne Hasler, Vizepräsidentin Publikumsrat SRG.D, einen angeregten Überblick. «Ich bin grundsätzlich per du mit den anderen Parlamentariern, zwei Personen ausgenommen. Das wird sich aber auch nicht ändern», schmunzelte Markwalder. «Gegenüber Medien verhält es sich anders: Politiker und Journalisten duzen sich nicht, es sei denn, man kennt sich in einem anderen Kontext», so die Nationalrätin.
Radiomann Burkhardt pflichtete ihr bei und fügte hinzu, dass er froh sei, meistens dankbare Interviewpartner zu haben: «Politiker sind in der Regel rhetorisch auf dem Punkt, das erleichtert uns die Arbeit.» Er verriet, es gäbe aber auch Vorträge, bei denen man den Saal kurz verlassen könne und dabei überhaupt nichts verpasse – und bringt mit dieser Anekdote das Publikum zum Lachen. Und ja, auch er spüre den Druck und das rasante Tempo im Berufsumfeld. «Doch unser Team kämpft für die Qualität. Vor den Sessionen nehmen wir uns Zeit für eine intensive Vorbereitungsphase mit Themenauswahl.» Diesem Umstand ist es wohl auch zu verdanken, dass Christa Markwalder der SRF-Radioberichterstattung aus dem Bundeshaus ein grosses Kompliment aussprach.
Rea Wittwer
«Öpis mit medie» - Der Beruf Bundeshausredaktor/in: der Bericht und das Video auf SRG Insider
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