Mediengebühr: Zeitgemäss oder visionslos?
Die Meinungen sind gemacht, bevor die Diskussion überhaupt lanciert ist, so der erste Eindruck des kontroversen Podiums der SRG Zentralschweiz / Zug zum Radio- und TV-Gesetz, über das am 14. Juni abgestimmt wird. Doch es täuscht: Noch sind viele Fragen offen, wie die zeitweise sehr strittige Diskussion zeigte.
– Von Patricia Diermeier
«Ich zahle heute zu wenig Radiogebühren!» Mit seiner «Beichte» in Zug brachte es der Bierbrauer und Nationalrat Alois Gmür (CVP SZ) gleich zu Beginn auf den Punkt, um was es bei der Abstimmung am 14. Juni geht: Um eine moderne und gerechtere Gebührenverteilung. «Heute müsste ich für jedes Empfangsgerät in meinen 14 Lastwagen und 10 Autos, sowie für meine drei Computer und jedes Radio im Lager bezahlen!» Doch wie er, tue das fast keiner. Deshalb soll das Gesetz an die Zeit von Smartphones, Tablets, Autoradios etc. angepasst werden.
«Künftig soll nicht pro Gerät, sondern je Haushalt und Unternehmen bezahlt werden», führte Ständerat Peter Bieri (CVP ZG) aus. Damit würden die viel kritisierten Billag-Kontrollen überflüssig. So könnten die Verwaltungskosten und die Gebühren gesenkt werden. Jeder Haushalt müsste nach der Annahme des Gesetzes nur noch 400 statt wie heute 462 Franken pro Jahr bezahlen. Nebst den Privathaushalten würden weiterhin auch die grösseren Unternehmen Gebühren bezahlen. Verschont oder spürbar entlastet würde das Kleingewerbe. Denn, wie Gmür in seiner «Beichte» ausführte, müssen Gewerbler heute auch zahlen. «Würde das geltende Gesetz eingehalten, kämen heute bereits rund 500 Mio. Franken Gebühren von den Unternehmen zusammen. Künftig müssten diese in der Summe nur noch 200 Mio. Franken bezahlen, KMU mit weniger als einer halben Million Umsatz sogar gar nicht mehr.»
«Revision fehlt Vision»
Nationalrätin Yvette Estermann (SVP LU) lehnt die Revision klar ab, weil ihr die Vision fehle: «Man kann nicht über Gebühren sprechen, ohne vorher die Leistungen definiert zu haben.» Auch kritisierte sie, dass die Gebührenhöhe vom Bundesrat festgelegt werde: «2030 könnten die Gebühren auf 1000 Franken steigen!» Dass dies nicht möglich sei, versuchte Bieri darzulegen: «Erstens wird die Höhe der Gebühren schon heute vom Bundesrat festgelegt. Zweitens ist ein Leistungsauftrag an die Gebühr gebunden, der in der Bundesverfassung (Art. 93) festgeschrieben ist. Radio und Fernsehen tragen zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung bei. Sie berücksichtigen die Besonderheiten des Landes und die Bedürfnisse der Kantone.» Deshalb sei die SRG gehalten, Programme in den vier Landessprachen zu senden und die Bedürfnisse der Regionen und der sprachlichen Minderheiten angemessen zu berücksichtigen. Ferner sei die SRG gemäss Verfassung und Gesetz beauftragt, die Ereignisse sachgerecht darzustellen und die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck zu bringen. «Die SRG trägt damit wesentlich zum Zusammenhalt des Landes bei», erklärte Bieri. Anhand der Kosten, die für die Erfüllung dieses Leistungsauftrags nötig seien, werden die Gebühren berechnet und durch den Bundesrat festgelegt.
Yvette Estermann entgegnete: «Man könnte auch billiger produzieren. Statt ein Interview in zwei oder drei Sprachen zu führen, könnte man mit Untertiteln arbeiten.» Produziert würde abwechslungsweise in einer der vier Landessprachen, die anderen würden untertitelt.
Billag und Werbung
Olivier Kessler interessierte die Höhe der Gebühren nicht. Der Co-Präsident des Vereins No-Billag möchte die Radio- und TV-Gebühren gleich ganz streichen: «Jeder soll nur bezahlen, was er sehen und hören möchte.» Ihn stört vor allem der «Zwang» zu Gebühren. «Ich möchte freiwillig entscheiden.» Er ist überzeugt, dass mit Werbung und Bezahlprogrammen die Medienbedürfnisse optimal abgedeckt werden könnten.
Daran zweifelte Bieri: «Man wird kaum Investoren für rein schweizerische Programme finden. Dafür ist der Markt viel zu klein.» Ohne starke Medien würden private Medienanbieter aus Deutschland, Italien und Frankreich unsere Sprachregionen «einverleiben». Die Schweiz würde viel von ihrer eigenen Kultur und ihrer Identität einbüssen. «Wenn es keine rätoromanischen Sendungen mehr gibt, wird dies unsere vierte Landessprache massiv gefährden.»
Es bestünde auch die Gefahr, so Bieri, dass sich nur noch Medien-Mogule Programme leisten könnten: «Das wird zu ‹Berlusconi-Fernsehen› führen. Einigen wenigen wird es noch möglich sein, ihre politischen Ideen zu verbreiten und damit die Meinungen zu steuern. Heute regelt das Gesetz, dass keine politische und religiöse Werbung ausgestrahlt werden darf.»
Stefan Eiholzer, Leiter des Regionalstudios Zentralschweiz, der die Debatte im Publikum verfolgte, klärte in der anschliessenden Fragestunde auf: «Radio und TV sind generell sehr teuer – vor allem gute Informationssendungen.» Als Beispiel führte er das «Echo der Zeit» auf: «Obwohl es allen Privaten offensteht, ein ‹Echo der Zeit› zu machen, wagt sich niemand daran. Denn so etwas lässt sich nicht ohne Gebühren finanzieren.»
Souveräne Podiumsleitung
Podiumsleiterin Karin Frei führte durch die teils heftige, zweistündige Debatte und brachte damit den rund 60 interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern die unterschiedlichen Standpunkte eindrücklich näher. Sicherlich hätte die Moderatorin und Leiterin der SRF-Sendung «Club» bei einigen Fragen bezüglich SRG und SRF kompetent Antworten, Präzisierungen und Ergänzungen liefern können. Doch die erfahrene Journalistin blieb in ihrer Rolle als Podiumsleiterin und bewies damit, dass SRF-Angestellte entgegen dem Vorwurf des Schweizerischen Gewerbeverbandes (siehe Randspalte) sehr wohl ein kontradiktorisches Podium führen können – selbst wenn es um die eigene Sache geht.
Patricia Diermeier
Der Rückzug des Gewerbeverbandes
Eigentlich war zum SRG-Podium zur Abstimmung über das revidierte Radio- und TV-Gesetz RTVG auch ein Vertreter des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV), der das Referendum gegen die Revision eingereicht hat, eingeladen. Doch die Verbandsspitze hatte ihren Vertreter zurückgepfiffen. Als Begründung führte der SGV an, die SRG würde das «Quasi-Medienmonopol schamlos einseitig» einsetzen: Die Gesprächs-leiterin Karin Frei von der SRF-Sendung «Club» würde als «Handlangerin» in die «Politpropaganda» eingespannt, bezahlt vom «Billag-Gebührenzahler».
Diese Vorwürfe sind falsch: Karin Frei wurde nicht bezahlt, sondern erhielt nur ein an die Höhe der Mitgliederjahres-gebühren des Vereins angepasstes Geschenk. Bewusst wurde die SRF-Gesprächsleiterin wegen ihrer langjährigen Erfahrung, kontradiktorische Gespräche zu führen, engagiert.
Und nicht zuletzt ist es eine statutarische Aufgabe der SRG, als privatrechtlicher Verein die öffentliche Diskussion zum Service public zu führen und zu fördern.
pd
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