«Tagesschau»-Berichterstattung über die Reisediplomatie der griechischen Regierung beanstandet

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Mit E-Mail vom 4. Februar 2015 haben Sie die Hauptausgabe der Tagesschau des gleichen Tages kritisiert. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 5. Februar bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kritisierte Sendung sehr genau angeschaut. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie begründen Ihre Unzufriedenheit wie folgt:

„Es ist sehr zu bedauern, dass die Tendenz zu Infotainment auch zunehmend auf die Tagesschau überschwappt. Die süffisante Berichterstattung über die Reisen des griechischen Staatspräsidenten Tsipras und der Besuch des griechischen Finanz­ministers bei der EZB sind der Tagesschau nicht würdig. Aus der Schweiz vom hohen Ross zu witzeln, ist angesichts der dramatischen Probleme im Süden und Osten Europas peinlich. Es genügt, wenn 10vor10 aus allem etwas Lustiges machen muss, von der Tagesschau erwarte ich weniger Allgemeinplätze und etwas mehr journalistische Anstrengung.“

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Franz Lustenberger, Stv. Re­daktionsleiter der Tagesschau, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:

„Mit e-mail vom 4. Februar kritisiert Herr X die Berichterstattung in der Tagesschau vom gleichen Tag zur Reisediplomatie des neuen griechischen Minister­präsidenten Alexis Tsipras und des Finanzministers Yanis Varoufakis; diese sei süffisant und der Tagesschau nicht würdig. Es geht in der Eingabe von Herrn X also nicht um eine inhaltliche Sachfrage, sondern vor allem um eine sprach­liche Stilfrage.

Hintergrund der Berichterstattung sind die Differenzen zwischen der neuen griechi­schen Regierung, die am 27. Januar vereidigt wurde, und der Troika aus Europäi­scher Kommission, Europäische Zentralbank EZB und dem Internationalen Wäh­rungsfonds IWF. Die neue griechische Regierung ist nicht bereit, alle Auflagen, welche die konservative Vorgängerregierung mit der Troika eingegangen ist, zu erfüllen. Eine Woche nach der Amtsübernahme hat der griechische Ministerpräsident (nicht Staatspräsident) Alexis Tsipras innert zweier Tage wichtige EU-Länder besucht, um seinen Standpunkt und seine Vorstellungen zur Lösung der Schuldenkrise zu präsentieren. Er hat dies nicht per Telefon gemacht, sondern ist zu direkten Gesprächen in wichtige Länder gereist.

Gestartet hat er seine Tour um Verständnis in Zypern, dem EU-Land, das Griechen­land sicher am nächsten steht. Darauf folgten Italien, Frankreich und Deutschland und dazwischen Brüssel als Sitz der EU-Kommission.

Zu Beginn wird aufgezeigt, dass die Reisediplomatie des griechischen Ministerpräsi­denten Alexis Tsipras zum Ziel hat, Freunde und Verständnis in den europäischen Hauptstädten zu finden. Der Moderator greift mit dem Vergleich mit einer asiatischen Reisegruppe (Europe in Ten Days) ein Bild auf, das den meisten Zuschauerinnen und Zuschauern bekannt ist; wer ist schon nicht einmal einer asiatischen Reise­gruppe begegnet, die von Land zu Land, von Stadt zu Stadt, von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit hetzt. Das Bild verdeutlicht die Hektik dieser Reisediplomatie. In einer kurzen Filmeinspielung werden die Stationen aufgeführt, samt einer Einordnung der besuchten Länder, respektive deren Positionen im Schuldenstreit mit Griechen­land.

Im Beitrag wird der Gesprächsreigen in Brüssel aufgezeigt, den Alexis Tsipras an diesem Tag absolviert hat (EU-Kommission, EU-Ratspräsidentschaft, EU-Parlament). Im anschliessenden live-Gespräch wird dieser Tag eingeordnet und bewertet.

Während Ministerpräsident Alexis Tsipras politische Gespräche führt, ist sein Finanz­minister Yanis Varoufakis in gleicher Angelegenheit bei der Europäischen Zentral­bank EZB in Frankfurt unterwegs, nachdem er vorher London und Paris besucht hatte.

Die Tagesschau hat in all diesen Berichten und Live-Gesprächen die Reisediplomatie der neuen griechischen Regierung dargestellt. Der Zuschauer kann sich eine Mei­nung zu dieser Hektik rund um die griechische Schuldenkrise bilden. Die Gespräche zwischen Griechenland und der EU/Euro-Gruppe waren seit der Amtsübernahme in Athen am 27. Januar und dem ‚vorläufigen‘ Abschluss am 20. Februar sehr intensiv. Eine derart intensive Reise- und Krisendiplomatie ist für die EU sehr aussergewöhn­lich.

Die Moderation unterscheidet sich von reinen Nachrichtenagentur-Texten, indem sie sprachlich einen gestalterischen Spielraum hat. Sie soll auch Neugier auf das folgen­de Thema wecken. Dies geschieht am besten mit einer bildhaften Sprache, so wie wir alle dies im Alltag auch verwenden. Nichts ist langweiliger als ein sprachlich-trockener Gesprächspartner; nichts ist langweiliger als eine Anmoderation, die im Herunterbeten von Fakten besteht. Eine attraktive Moderation zu schreiben, ist jour­nalistisch anspruchsvoll.

Ich kann die Interpretation von Herrn X nicht teilen, dass in der Modera­tion ‚hohen Ross herab‘ über die grossen finanziellen und wirtschaftlichen Probleme Griechenlands und anderer Staaten im Süden und Osten Europas gewitzelt wurde.

Mit der bildhaften Sprache in der Moderation ist die Sachgerechtigkeit nicht verletzt worden. Die Zuschauerinnen und Zuschauer können sich ein wahres Bild des Ge­schehens rund um die diplomatischen Anstrengungen zur Lösung der griechischen Schuldenkrise machen.

Ich beantrage, die Eingabe in diesem Sinne zu beantworten.“

3. Soweit die Stellungnahme des Stv. Redaktionsleiters der Tagesschau. Herr Franz Lustenberger nimmt zu Ihren Kritiken ausführlich Stellung. Dabei stellt er zu Recht fest, dass es bei Ihrer Eingabe nicht um eine inhaltliche Sachfrage, sondern vor allem um eine sprachliche Stilfrage geht.

Dieser Unterschied ist für meine eigene Beurteilung wichtig. Denn die Ombudsstelle hat keine eigentliche Qualitätskontrolle vorzunehmen. Sie hat vor allem einzu­schätzen, ob eine beanstandete Sendung die geltenden gesetzlichen Bestimmungen – vorliegend das Sachgerechtigkeitsgebot – verletzt hat oder nicht.

In Ihrer Beanstandung monieren Sie nicht eine derartige Verletzung. Sie kritisieren lediglich „die Tendenz zu Infotainment“ und erachten die Berichterstattung über die Reisediplomatie der neuen griechischen Regierung als „süffisant“ und für die Tages­schau „nicht würdig“.

Nachdem ich die Sendung sehr genau angeschaut habe und die Angelegenheit analysieren konnte, kann ich Ihre kritische Reaktion durchaus nachvollziehen. Anstatt nur sachlich und trocken über die Reisediplomatie des neuen griechischen Minister­präsidenten Alexis Tsipras und seinen Finanzminister Gianis Varoufakis zu berichten, wählte die Tagesschau eine an sich unübliche bildliche Sprache. Dabei können ver­schiedene Vergleiche und Begriffe sicher als problematisch angesehen werden.

Doch im Rahmen der durch Gesetz und Verfassung gewährleisteten Programmauto­nomie von Radio und Fernsehen scheint mir diese lockere Art, die Probleme anzu­sprechen, durchaus zulässig zu sein. Selbstverständlich kann man darüber verschie­dener Meinung sein. Ich glaube aber nicht, dass die Grenzen des Anstandes und diejenigen der von einer Tagesschau erwarteten journalistisch seriösen Berichterstat­tung überschritten wurden.

In dieser Hinsicht kann ich feststellen, dass über Ziel und Zweck der verschiedenen Treffen der neuen griechischen Verantwortlichen sowie über die Schwierigkeiten, eine Lösung der Schuldenfrage zu finden, insgesamt sachlich und korrekt berichtet wurde. Das Publikum war somit in der Lage, sich über das Thema eine eigene Meinung zu bilden. Das Sachgerechtigkeitsgebot wurde deshalb nicht verletzt.

Auch wenn ich Ihre kritische Reaktion durchaus verstehe und respektiere, kann ich Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, nicht unterstützen.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Mög­lichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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