«Tagesschau»-Beitrag über illegale Zuweisungszahlungen an Ärzte beanstandet

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Mit E-Mail vom 9. Februar 2015 hat mir die Unabhängige Beschwerdeinstanz UBI Ihre Eingabe vom 6. Februar zur Behandlung weitergeleitet. Sie wurden darüber informiert. Sie beanstanden den Bericht über Kick-backs an zuweisende Ärzte in der Hauptausgabe der Tagesschau vom 6. Februar. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 9. Februar bereits bestätigt.
Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stel-lung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kritisierte Sendung sehr genau angeschaut. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.
1. Sie begründen Ihre Unzufriedenheit wie folgt:
„Ein Gerücht aus der Aargauer Zeitung über Zahlungen von Spezialisten/Institutionen an zuweisende Ärzte wird kolportiert ohne einen einzigen konkreten Hinweis – ge-schweige denn einen Beweis – zu liefern. Es werden Patientenvertreter interviewed, die das Gerücht gleich noch in ihrem Interesse weiterspinnen, denn auch sie haben keine konkreten Fakten, dafür möchten sie ihre Forderungen einem breiten Publikum vorstellen, schliesslich muss sich noch ein Mitglied der ZH Regierung dazu äussern. Das ist mehr Volksverhetzung als service public.“
2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Franz Lustenberger, Stv. Redaktionsleiter der Tagesschau, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:
„Am 6. Februar 2015 hat Herr X eine Eingabe an die Unabhängige Be-schwerdeinstanz UBI gerichtet. Er kritisiert darin den Bericht in der Tagesschau vom 6. Februar über Provisionen, die Ärzte erhalten, wenn sie einen Patienten an den «richtigen» Chirurgen überweisen. Er bemängelt insbesondere, die Tagesschau sei einem «Gerücht» aufgesessen.
Die Tagesschau hat den Bericht der Aargauer Zeitung vom gleichen Tag zum Anlass genommen, das Thema aufzugreifen. www.aargauerzeitung.ch/schweiz/mit-diesen-unethischen-methoden-verkaufen-aerzte-ihre-patienten-128799652
Dieser Bericht bezieht sich auf eine Fachtagung in Bern, in der ein Hausarzt in anonymisierter Form Beispiele für solche Kick-backs aufzeigte. Im Zeitungsartikel kommen auch weitere Gesundheitsexperten, unter anderem Peter Indra, ehemaliger Vizedirektor des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), vor: Gemunkelt habe man immer wieder, dass Spitäler oder Fachärzte Entschädigungen zahlen für die Zuwei-sungen von Patienten, sagt Indra: «Aber so offen und präzis mit konkreten Zahlen hinterlegt wie Daniel Flach hat das noch niemand geschildert.»
Redaktor Thomas Balderer, der Autor des Beitrages, hat aufgrund seiner Recherchen weitere Hinweise auf solche Zahlungen erhalten. Hier sein Mailverkehr mit einem Kantonsspital eines mittelgrossen Kantons, das nicht im Beitrag auftreten wollte:
Frage: «Ich arbeite für die Tagesschau an einem Beitrag über Kickback-Zahlungen für die Vermittlung von Patienten. Laut meinen Informationen ist das Kantonsspital XY einmal angefragt worden, ob da eine Möglichkeit für solche Zahlungen besteht, die sei aber vom Spital klar abgelehnt worden. Können Sie bestätigen, dass dies so der Fall war?»
Antwort: «Besten Dank für Ihre Anfrage. Ja, das können wir bestätigen.»

Den klaren Beweis, den Herr X in seiner Eingabe verlangt, liefert die Schweizerische Gesellschaft für Chirurgie SGC gleich selber. Sie hatte am 6. März 2013 eine Charta gegen unzulässige finanzielle Anreize sgc-ssc.ch/index.php? vorgestellt. Ich zitiere aus der Mediendokumentation der SGC:
«Die Schweizerische Gesellschaft für Chirurgie SGC lanciert für ihre Mitglieder eine Charta gegen unzulässige finanzielle Anreize. Dies vor allem zum Schutz der Patienten.
Die Balance zwischen Medizin und Ökonomie droht in Schieflage zu geraten. Dies geht zu Lasten der Patienten. «Die Schweizer Chirurgen greifen mit ihrer Initiative ein Tabuthema auf», sagt Prof. Dr. med. Ralph Alexander Schmid, Präsident der SGC und fordert Mitglieder und Spitäler auf, die Charta zu unterzeichnen. Schmid erläutert: «Sie verpflichten sich zu ausschliesslich chirurgisch begründeten Ein-griffen und keinen mengengesteuerten Behandlungen.» Schmid weiter: «Die Weitervermittlung und Zuweisung von Patienten darf zudem nicht durch finanzielle Interessen motiviert sein.» Auch muss das Honorar der effektiv erbrachten, medizinischen Leistung entsprechen.
Falsche Anreize untergraben freie Arztwahl
Mit der Charta will die SGC Patienten und auch ihre eigenen Mitglieder schützen. Ein Arzt soll beispielsweise nicht mit einer Provision von der Zuweisung eines Patienten an einen anderen Arzt profitieren. Dies würde die freie Arztwahl untergraben, ohne dass der Patient dies bemerkt. Die SGC publiziert die Namen der Chirurgen und Institutionen, welche die Charta unterzeichnen, auf der Website. Die Regeln der Charta lehnen sich der Standesordnung der Ärztevereinigung FMH an.»

Es ist kaum anzunehmen, dass die SGC eine Charta gegen unzulässige finanzielle Anreize verabschiedet und ihre Mitglieder auffordert, diese Charta zu unterzeichnen, wenn es diese unzulässigen finanziellen Anreize gar nicht gäbe. Welche Standorganisation bekämpft schon schwarze Schafe in ihren Reihen, wenn sie überzeugt ist, dass es diese schwarzen Schafe gar nicht gibt.
Die SGC bezeichnet in ihrer Medienmitteilung vom März 2013 das Thema selber als «Tabuthema». Dies erklärt auch, dass die wenigsten Fälle bekannt werden.
Im Beitrag der Tagesschau wird das Thema weiter bearbeitet, indem Vertreterinnen von Patientenorganisationen und ein kantonaler Gesundheitsdirektor zu Worte kommen. Dies ist gerechtfertigt: Die SGC schrieb 2013 selber, dass diese Charta zum «Schutz der Patienten» lanciert worden sei. Die Patienten sind die betroffenen Per¬sonen, welche vor den Folgen solcher unzulässiger Absprachen geschützt werden müssen. Die kantonalen Gesundheitsdirektoren sind für das Gesundheitswesen in ihrem Kanton zuständig.
Fazit: die Tagesschau hat ein «Tabuthema» aufgrund eines Zeitungsartikels, respektive einer Fachtagung aufgegriffen. Sie hat den Wahrheitsgehalt weiter abgeklärt. Der Beitrag behandelt ein Thema, das alle Zuschauerinnen und Zuschauer betreffen kann, denn krank können wir alle werden. Die Tagesschau hat aufgezeigt, welche politischen und juristischen Diskussionen sich daraus ergeben. Dies alles erfolgt sachgerecht und keineswegs in «volksverhetzender» Art und Weise.
Ich beantrage, die Eingabe von Herrn X in diesem Sinne zu beantworten.“
3. Soweit die Stellungnahme des Stv. Redaktionsleiters der Tagesschau. Nachdem ich den Tagesschaubeitrag sehr genau analysieren konnte, scheinen mir die Argumente von Herrn Franz Lustenberger sehr plausibel zu sein. Um Wiederholungen zu ver–meiden, kann ich mich deshalb kurz halten.
In Ihrer Beanstandung werfen Sie der Tagesschau vor, „ein Gerücht aus der Aargauer Zeitung“ kolportiert zu haben, ohne „einen einzigen konkreten Hinweis – geschweige denn einen Beweis – zu liefern“. Sie erachten dies „mehr als Volksverhetzung als service public“.
Aus verschiedenen Gründen sehe ich das anders.
Zuerst einmal, weil die Informationen aus der „Aargauer Zeitung“ als mehr denn nur ein „Gerücht“ zu werten sind, sondern klare Aussagen eines Hausarztes anlässlich eines Podiumsgesprächs in Bern beinhalten. Daniel Flach, Hausarzt und Geschäftsführer der City Notfall AG in Bern, nannte dabei – wenn auch lediglich in anonymi¬sierter Form – vier konkrete Beispiele von sogenannten Kick-back-Zahlungen.
Zwar hat Herr Flach keine Namen genannt. Entsprechend können seine Angaben nicht überprüft werden. Die Tagesschau hat sich jedoch nicht damit begnügt, lediglich die Informationen aus der Zeitung zu übernehmen, sondern sie hat durch eigene Recherchen weitere Hinweise für die Existenz derartiger Praktiken erhalten. Sie wurden nicht nur von einem Kantonsspital bestätigt, sondern auch indirekt durch die Schweizerische Gesellschaft für Chirurgie SGC. Bereits am 6. März 2013 sah sie sich an einer Pressekonferenz veranlasst, ihren Mitgliedern eine „Charta“ gegen derartige unzulässige finanzielle Anreize zu unterbreiten.
Dass Kick-back-Zahlungen berufsethisch nicht vertretbar sind, sollte unbestritten sein. Die Ärzteverbindung FMH verbietet ihren Mitgliedern, Entgelte oder andere Vorteile für die Überweisung von Patienten entgegenzunehmen. Art. 36 der Standesordnung sieht dabei Bussgelder von bis 50.000 Franken oder sogar einen Ausschluss aus der Ärzteverbindung vor. Es gilt zudem Art. 56 Abs. 3 des Krankenversicherungsgesetzes zu beachten. Allfällige Provisionszahlungen sind Vergütungen, welche den Ärzten an die Patienten und Versicherer weitergegeben werden müssen.
Auch wenn über das Ausmass einer derartigen Praxis keine klaren Beweise vorlie-gen, handelt es sich doch um eine durchaus relevante Frage. Es lag deshalb eindeutig im Informationsauftrag der Tagesschau, diese auch zu thematisieren. Dabei wurde insbesondere die Frage, ob zusätzliche Kontrollen oder sogar weitergehende rechtliche Grundlagen notwendig seien, kontrovers und sachlich behandelt. Anders als Sie erachte ich die Berichterstattung in der Tagesschau keinesfalls als „Volksverhetzung“, sondern als ausgesprochene Informationsaufgabe des „service public“.
In diesem Zusammenhang ist Ihnen sicher nicht entgangen, dass das Thema zahlreiche Reaktionen hervorgerufen hat. Das Ärztenetzwerk Bern zum Beispiel sah sich veranlasst, sich von jeglichen solchen Praktiken zu distanzieren. In einer Kolumne unterstreicht der Leiter des Pharmaverbandes Thomas B. Cueni Folgendes: „Die publik gemachten Kickback-Zahlungen von Spitälern an Ärzte oder Ärztenetzwerke bringen die Glaubwürdigkeit des Schweizer Gesundheitssystems in Gefahr und sind nach geltendem Recht auch nicht zulässig.“
Auf der politischen Ebene hat der Basler FDP-Nationalrat Daniel Stolz weitergehende standesordentliche Sanktionen gegen „Kick-Backs“ gefordert. Er will sogar prüfen, ob man solche „ärztlichen Schmiergeldzahlungen per Gesetz verbieten lassen kann“. Der Aargauer SVP-Grossrat Wolfgang Schibler hat seinerseits angekündigt, einen Vorstoss einreichen zu wollen, der Auskunft über Fälle im Kanton Aargau verlangt. Bereits am 12. Februar 2015 hat der Landrat des Kantons Basel-Landschaft Klaus Kirchmayr der Grünen Fraktion eine Interpellation eingereicht. Er will insbesondere wissen, ob der Kanton im Rahmen seiner Aufsicht kontrolliert, ob Kickbacks im Spiel sind.
Es sind lediglich einige Beispiele, welche aber beweisen, dass nicht nur die Tagesschau diese Frage zu Recht aufgenommen und thematisiert hat. In diesem Sinne beurteile ich Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, als unberechtigt.
4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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