Der «Club» auf SRF 1 zum Thema Segnung eines lesbischen Paars beanstandet

3960 | 16.04.2015

Mit Ihrem Brief vom 25. Februar 2015 haben Sie die Sendung „Der Club“ vom 24. Februar mit dem Thema „Gesegnete Lesben – Kirche im Clinch“ beanstandet. Den Erhalt Ihrer Eingabe hat die Ombudsstelle mit Brief vom 27. Februar bereits bestätigt.

Wie üblich, wurden die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die Angelegenheit analysieren können. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie motivieren Ihre Reklamation wortwörtlich wie folgt:

am 24. Februar 2015 strahlte das SRF die Sendung .”Der Club" aus, die sich mit dem Thema .Gesegnete Lesben - Kirche im Clinch" beschäftigte. Wer die Medienberichterstattung der vergangenen Tage in der Schweiz einigermassen aufmerksam verfolgte, wusste, dass sich diese Sendung mit der kirchlichen Segnung eines homosexuellen Paares durch den römisch-katholischen Pfarrer von Bürglen/UR beschäftigen würde.

In der von Karin Frei moderierten Gesprächsrunde diskutierten Eva Aeschimann, Christian Ruch, Norbert Bischofberger, Willy Anderau und Werner De Schepper. Als weiterer Teilnehmer wäre der Bischof von Chur vorgesehen gewesen, doch habe - gemäss Aussage der Moderatorin - sich kein Vertreter der “Amtskirche" zur Teilnahme bereit erklärt.

Ich habe Folgendes zu beanstanden:

Erstens: Der Titel der Sendung “Gesegnete Lesben - Kirche im Clinch" ist völlig undifferenziert und lässt die Tatsache ausser Acht, dass es unzählige Kirchen gibt, die bezüglich Homosexualität und homosexueller Partnerschaften nicht nur eine höchst unterschiedliche Praxis, sondern auch weit auseinander gehende Lehrmeinungen kennen.

Zweitens: Der gewählte Titel war nicht nur unzulässig undifferenziert, sondern auch irreführend. Ein unvoreingenommener Zuschauer dürfte beim nicht näher differenzierten Begriff .”Kirche" von einem Sammelbegriff für Kirchen und kirchliche Gemeinschaften ausgehen und entsprechend eine Diskussion von Vertretern verschiedener Kirchen aber das Thema der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und deren unterschiedliche Bewertung und Handhabung in den verschiedenen Kirchen erwarten. Eine solche interkonfessionelle Diskussion war von Seiten des SRF aber nicht beabsichtigt, vielmehr ging es explizit um den “Fall Bürglen”.

Drittens: Werner De Schepper war als Diskussionsteilnehmer ungeeignet, da er zurzeit selber im Clinch mit der katholischen Kirche, bzw. der Schweizerischen Bischofskonferenz steht. wie er in der Sendung selber sagte. Dies insbesondere mit dem In den “Fall Bürglen” involvierten Bischof von Chur, den De Schepper in der Diskussion der Denunziation bezichtigte. Es war offensichtlich, dass Herr De Schepper in der Sache - unabhängig von seiner persönlichen theologischen Überzeugung - aufgrund momentaner direkter Betroffenheit nicht unvoreingenommen war. Ebenso als Diskussionsteilnehmer

ungeeignet war Eva Aeschimann. Mit Frau Aeschimann war eine in einer eingetragenen Partnerschaft lebende Person vertreten, die allerdings nach eigenem Bekunden nicht der römisch-katholischen, sondern der evangelisch-reformierten Landeskirche angehört. Ausserdem liegen ihre persönlichen Erfahrungen rund 20 Jahre zurück. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern persönliche Erlebnisse, die eine Person vor langer Zeit In einer anderen Kirche erlebt hat, für die Diskussion der gegenwärtigen Situation in der katholischen Kirche relevant sein sollen. Ausserdem hätte sich in Anbetracht der Tatsache, dass die katholische Kirche die personell grösste in der Schweiz vertretene Religionsgemeinschaft Ist, wohl mit nicht allzu grossem Aufwand eine in eingetragener Partnerschaft lebende Person katholischen Glaubens finden lassen.

Viertens: Die Zusammensetzung der Diskussionsrunde war unausgewogen. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass In der Runde ein Platz für “einen Vertreter der Amtskirche” vorgesehen gewesen war, so hatte eine Situation “Alle gegen einen” geherrscht. Durch die Abwesenheit eines .”Vertreters der Amtskirche" war nun überhaupt niemand in der Runde anwesend, der die Ansichten der Amtskirche vertrat. Die Runde war über weite Strecken einer Meinung, die einzigen kritischen Fragen kamen von der Moderatorin. Besonders unerfreulich ist diese inhaltliche Unausgewogenheit, da mit Norbert Bischofberger ein hauseigener Theologe anwesend war, der als Moderator der Sternstunde Religion und Religionsexperte des SRF anerkanntermassen fachlich-­intellektuell in der Lage gewesen wäre, auch contre coeur, die Lehrmeinung der Amtskirche mindestens neutral darzustellen.

Insgesamt waren also m. E. der Titel der Sendung undifferenziert und irreführend, die Zusammensetzung der Gesprächsrunde unausgewogen und einzelne Teilnehmer ungeeignet. Einem unvoreingenommenen Zuschauer war es aufgrund dieser Gegebenheiten nicht möglich, die ausführlich kritisierte und als unzeitgemäss bezeichnete Argumentation der “Amtskirche” kennenzulernen. Das SRF hat damit seine durch den Service publlc gebotene Neutralität und seinen Informationsauftrag missachtet.

Es wäre wünschenswert, wenn SRF bei nächster Gelegenheit im gleichen Sendeformat eine Diskussion veranstalten würde, wo von den sechs Teilnehmern drei dem .”progressive” und drei dem “konservativen” Lager der katholischen Kirche angehören würden.

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Frau Karin Frei, Redaktionsleiterin „Club“, schreibt dabei Folgendes:

„Gerne sind wir bereit, zur Beanstandung des «Club» vom 24. Februar 2015 «Gesegnete Lesben – Kirche im Clinch» Stellung zu nehmen.

Herr X listet vier Punkte auf, die seiner Ansicht nach dazu führten, dass es «einem unvoreingenommen Zuschauer (...) nicht möglich war, die ausführlich kritisierte und als unzeitgemäss bezeichnete Argumentation der ‚Amtskirche’ kennenzulernen.» Wir wollen im Folgenden auf jeden Punkt eintreten:

Zum Vorwurf des «undifferenzierten» und «irreführenden» Titels (Punkte 1 und 2):

Es ist ein plakativer und konkreter Titel, der im Kontext der breiten medialen Berichterstattung über den Kirchenkonflikt in Bürglen zwischen einem Pfarrer und Bischof Huonder des Bistums Chur immer nur die römisch-katholische Kirche meinen konnte und Verwechslungen mit anderen Kirchen ausschliesst.

Zum Vorwurf der «unausgewogenen Zusammensetzung der Gesprächsrunde» (Punkt 4):

Die Tatsache, dass sowohl der Bischof von Chur als auch die Schweizer Bischofskonferenz nicht im «Club» anwesend sein wollten und damit auch anderen willigen Priestern den Weg in unsere Runde versperrten, wurde zu Beginn der Sendung durch die Moderatorin ausführlich dargelegt.

Es war nie das Konzept «alle gegen einen» vorgesehen. Die «Amtskirche» hätte eine dem Gebot der Ausgewogenheit angemessene Anzahl Vertreter stellen können und somit hätte die Zusammensetzung der Runde ein anderes Gesicht gehabt.

Zum Vorwurf Werner de Schepper sei «nicht unvoreingenommen» und Eva Aeschimann «ungeeignet» gewesen (Punkt 3):

Werner De Schepper hat in der Sendung offen deklariert, dass er aus Protest gegen die Entlassung des Medienchefs der Schweizer Bischofskonferenz auf Ende Februar als Präsident der Medienkommission der Schweizer Bischofskonferenz zurücktrete. Diese Funktion hatte er u.a. inne, weil seine Kompetenz als studierter Theologe unbestritten war. Die unterstellte «Unvoreingenommenheit» war somit transparent und konzeptionell geplant. Er bot Einblick in das Innenleben der Bischofskonferenz. Gleichzeitig sass er aber auch in unserer Runde, weil er als verheirateter Mann in Gemeinschaft mit einer anderen Frau lebt, was im Sinne der kirchlichen Lehre als anstössig und nicht wünschenswert gilt.

Frau Eva Aeschimann wurde eingeladen, weil sie die Segnung ihrer lesbischen Partnerschaft vor über 20 Jahren in der evangelisch-reformierten Kirche als kränkende Tortur in Erinnerung hat. Sie hat zudem die allmähliche gesellschaftliche Akzeptanz ihrer Lebensform miterlebt und vor diesem Erfahrungshintergrund den Konflikt von Bürglen kommentiert.

Sowohl mit De Schepper als auch mit Aeschimann haben wir das Versprechen des Pressetextes eingelöst, dass bei uns «Laien und Priester von ihren Erfahrungen im persönlichen Alltag und in der professionellen Seelsorge» erzählen.“

3. Soweit die Stellungnahme der Verantwortlichen von SRF. Die Redaktionsleiterin von „Club“, Frau Karin Frei, nimmt zu Ihren Kritiken ausführlich Stellung.

Geht es um meine eigene Beurteilung, so stelle ich fest, dass Sie insbesondere zwei Dinge kritisieren. Sie monieren zuerst, dass bereits der Titel der Sendung „Gesegnete Lesben – Kirche im Clinch“ unzulässig undifferenziert, ja sogar irreführend sei. Dann aber kritisieren Sie vor allem die Zusammensetzung der Gesprächsrunde. Durch die Abwesenheit eines „Vertreters der Amtskirche“ war niemand in der Runde anwesend, der die Ansichten der Amtskirche vertreten konnte. Wurde deshalb unausgewogen berichten? Konnte sich das Publikum über das Thema keine eigene Meinung bilden?

Ihre kritischen Bemerkungen kann ich durchaus nachvollziehen. Nachdem ich die Sendung analysieren konnte, gelange ich aber zu anderen Schlussfolgerungen als Sie.

Was den Titel betrifft, haben Sie sicher Recht. Mit dem einfachen Hinweis auf „Kirche“ wurde zu wenig differenziert, dass es unzählige Kirchen gibt, die bezüglich des Themas Homosexualität und homosexuelle Partnerschaften sehr unterschiedliche Lehrmeinungen und Praxis aufweisen. Doch dies ist meines Erachtens lediglich eine journalistische Unvollkommenheit, welche nicht geeignet ist, den Gesamteindruck der Ausstrahlung wesentlich zu beeinflussen. Denn wie Sie selber betonen, war für das Publikum klar, dass sich die Sendung mit der kirchlichen Segnung eines homosexuellen Paares durch den Pfarrer von Bürglen befassen würde. Es war deshalb transparent, dass mit „Kirche“ die römisch-katholische Kirche gemeint war.

Viel bedeutender scheint mir Ihre zweite Kritik zu sein. Denn mehr als eine Stunde lang wurde über die Haltung der katholischen Kirche der Schweiz und insbesondere des Churer Bischofs Huonder zur Frage der Homosexualität und der Segnung von homosexuellen Paaren diskutiert, ohne dass ein Vertreter der Amtskirche seine Argumente direkt vorbringen konnte. Doch aus zwei Überlegungen gelange ich zur Auffassung, dass diese an sich unübliche und auch unbefriedigende Situation noch als zulässig betrachten werden kann.

Zuerst aus grundsätzlichen Überlegungen: Wie die Moderatorin Karin Frei bereits zu Beginn der Sendung transparent angekündigt hat, wurde „mit allen Mitteln versucht“, auch „linientreue Vertreter“ der katholischen Kirche zur Teilnahme einzuladen. Der Churer Bischoff Vitus Huonder sowie auch sein Pressesprecher haben eine Teilnahme abgelehnt. In der Folge hätten alle linientreu abgesagt. Dies gelte auch für die Schweizerische Bischofskonferenz. Zirka in der Mitte der Sendung führte die Moderatorin zudem aus, dass der Pressesprecher des Bistums Chur, Herr Garcia, seine Absage mit der bevorstehenden Beratung über die Angelegenheit Bürglen in der Bischofskonferenz von Anfang März begründet hat. Zurzeit wollte er nicht teilnehmen, um zu vermeiden, allfälligen Beschlüssen der Bischofskonferenz vorzugreifen. „Wir finden es wahnsinnig schade, führen aber die Diskussion trotzdem“, sagte die Moderatorin. Aus grundsätzlichen Überlegungen ist dieser Entscheid zu begrüssen. Zwar sind Organisationen selbstverständlich frei, sich vertreten zu lassen oder nicht. Es darf aber nicht sein, dass Direktbetroffene durch die Weigerung, teilzunehmen, die Durchführung einer Sendung über ein aktuelles und relevantes Thema verhindern können. Dies wäre mit der Medienfreiheit nicht in Einklang zu bringen.

Dann aber auch, weil im Laufe des Gesprächs die offizielle Haltung der katholischen Kirche der Schweiz zur Frage der Homosexualität und der Segnung von homosexuellen Paaren doch wiederholt erläutert und erklärt wurde. Es wurden insbesondere die wesentlichen Inhalte des Pastoralbriefs vom 3. Oktober 2002 der Schweizerischen Bischofskonferenz zur Frage der kirchlichen Segnung gleichgeschlechtlicher Paare zitiert sowie auch die Ergebnisse und Schwerpunkte der ausserordentlichen Bischofssynode in Rom vom Oktober 2014 zu Fragen von Ehe und Familie erläutert. Es wurde insbesondere dem Publikum wiederholt vermittelt, dass die Hauptsorge der Kirche sei, die Einzigartigkeit der Ehe zwischen Mann und Frau zu gewähren und zu schützen. Riten, welche der sakramentalen Eheschliessung zum Verwechseln ähnlich sind, sollen deshalb vermieden werden.

Ich gelange deshalb zur Überzeugung, dass trotz fehlender Teilnahme von Vertretern der offiziellen katholischen Kirche die Diskussionen im „Club“ dem Publikum doch ermöglicht hat, sich über das Thema eine eigene Meinung zu bilden. Das Sachgerechtigkeitsgebot wurde deshalb nicht verletzt. Auch wenn ich für Ihre kritische Reaktion durchaus Verständnis habe, kann ich deshalb Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, nicht unterstützen.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 51A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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