Interview mit Israel-Kritiker Moshe Zuckermann in der Radio-Hintergrundsendung «Echo der Zeit» beanstandet

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Mit Ihrem Brief vom 8. März 2015 haben Sie den Beitrag „Peter Vögeli spricht mit Prof. Moshe Zuckermann“ in der Sendung „Echo der Zeit“ vom 27. Februar bean-standet. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 11. März bereits bestätigt.
Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von Radio SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kritisierte Sendung analysieren können. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute mei¬nen Schlussbericht zu senden.
1. Sie begründen Ihre Eingabe wie folgt:

Nun, das Wissen um die Rechte und die Geschichte Israels liegt bei SRF nach wie vor im Argen und man scheint geradezu versessen darauf, daran nichts zu ändern. Nur so entstehen Sendungen, die man als irreführend und tendenziös bezeichnen muss. Vorauszuschicken ist, dass in der Regel Leute wie Zuckermann – besser als linken israelhasserischen Phantasten denn als «harschen Kritiker» zu bezeichnen – bei SRF erstaunlicherweise immer wieder offene Türen finden. Zuckermann hat ja die Sendung Sternstunden mehr als einmal beehrt. Dass nicht zum linken Lager zählende Personen offenbar nicht willkommen sind, lässt den Schluss zu, dass die Israel-Berichterstattung bei einigen Verantwortlichen in eine bestimmte Richtung zu laufen hat. Iren Meier, die offenbar noch nicht im Ruhestand ist, ist z.B. eine Radiomacherin mit einer notorisch antiisraelischen Botschaft.

Zuckermann sagt u.a.

-...den Palästinenserkonflikt zu lösen werde auch die nächste Regierung nicht imstande sein... - als wolle sie ihn nicht lösen und Zuckermann verliert kein Wort darüber, dass die Palästinenser nur die eine Lösung gemäss ihren Satzungen, ihrer Propaganda und Hetze im Auge haben: Die Vernichtung Israels. – Wo höre ich, dass die Führung der PA permanent gegen Juden und Israel hetzt, dass Attentäter ermutigt werden und von Abbas als Helden gefeiert werden? – dass der Mufti von Jerusalem zum Töten von Juden aufgerufen hat? Undsoweiter...

-...das Leben des Einzelnen sei nirgendwo so gefährdet wie in Israel... - wieso stellt Herr Vögeli so etwas Absurdes nicht als tendenziöse und unglaubwürdige Aussage hin?

-...der Zinosmus hätte versprochen, eine nationale Heimstätte herzurichten...Der Zionismus wolle die Juden aus aller Herren Länder nach Israel, in den zionistischen Staat bringen.... Wieso weist Herr Vögeli nicht auf die Balfour-Deklaration von 1917, auf das Völkerbundmandat von 1922 hin, das sich ausdrücklich für die Errichtung einer Heimstätte für die weltweit verstreuten Juden aussprach? Es waren die Nationen, nicht die Zionisten (wurde leider zum bad word gemacht)! Und England hatte die Balfour-Deklaration umzusetzen (worin es allerdings übel versagte und selbst KZ-Überlebende wieder zurück nach Deutschland schickte). Wieso konfrontiert man Zuckermann nicht mit Fakten und lässt seinen «antizionistischen» Tiraden freien Lauf?

Wie kommt Herr Vögeli zur Bemerkung, es würden bald mehr Palästinenser in Israel leben als Israelis? – Welch ein Unsinn! Die Muslime machen heute ca. 20 % der israel. Bevölkerung aus. Die sogenannten Palästinenser, von denen 75 % selber Einwanderer oder deren Nachkommen sind, leben im Gazastreifen und in Judäa-Samaria (sog. Westjordanland), - was eigentlich jüdisches Mandatsgebiet ist, von Jordanien 1948-67 widerrechtlich besetzt. Ich will damit nur sagen, dass die Sache etwas komplizierter ist als so locker vom Interviewer präsentiert. Und wenn man schon von einem binationalen Staat redden will, dass bitte auf die Satzungen der PLO und der Hamas zurückkommen, die jegliche Pläne solcher Art und jegliche Friedenshoffnungen auslöschen. Der Islam wird Israel nie akzeptieren, und würde es nur noch aus Tel Aviv bestehen. Denn früher muslimisch beherrschtes Gebiet darf gemäss islamischer Lehre nie in der Hand von Ungläubigen bleiben. – Deshalb der arabische Widerstand gegen die Juden seit 1920, als das Land gemäss der britischen Verwaltung unterentwickelt und unterbevölkert war.

Israel wolle nie den Frieden haben... Eine derart infame Lüge hinzunehmen, ist mehr als ein Faux-Pas, es hilft der Dämonisierung Israels und könnte aus Abbas’ Küche kommen. Ich komme einmal mehr auf die Ziele der Palästinenser zurück, Israel auszulöschen. Wie kann man nur so was unwidersprochen stehen lassen! Diesem abgefeimten Dämagogen gehören kompetente Leute gegenübergestellt. Dann wäre wohl das ganze Gespräch nach einer Minute auf Grund gelaufen..., was eigentlich nicht schade gewesen wäre.

Das Thema Apartheidstaat – ein beliebtes antiisraelisches Schlagwort – kann nicht unwidersprochen hingenommen werden. Muslimische und jüdische Israelis geniessen die gleichen Bürgerrechte und mit dem Begriff Apartheid und Einstaatenlösung zu jonglieren ist pure Spekulation ohne reale Basis. Aber Leute wie Zuckermann lieben das Thema...und manipulieren damit die Zuhörer, was ja Sinn und Zweck ist.

Israel müsste das Rückkehrrecht der Palästinenser anerkennen... - Auch dieses Thema sprengt wohl den 6-Minuten-Rahmen des Beitrags. Denn wo ist der Hinweis auf die Rechte der 1948-51 aus arabischen Ländern geflüchteten 830 000 Juden, die privaten Landbesitz zurückliessen, der dem vierfachen der Fläche Israels entspricht?

Man sage mir bitte nicht, dass mit der Bezeichnung Zuckermanns als links stehenden Kritiker es für die Zuhörerschaft klar gewesen sein müsse, dass hier mit Lügen und Geschichtsklitterung etc. zu rechnen war. Zudem wird er ja als «Historiker» vorgestellt. Ebenfalls weise ich die gerne gepflegte Illusion zurück, dass bei der Hörerschaft genügend Basiswissen vorhanden sei, um die Aussagen Zuckermanns zu beurteilen und zu gewichten. Letztlich ist die Frage aufzuwerfen, wieso einem unglaubwürdigen linken Aktivisten bei SRF einmal mehr eine Bühne geboen wird.

Dies Sendung resp. die Aussagen Zuckermanns beinhalten grundlegende Unwahrheiten und gezielte Irreführungen, vor allem aber grobe Auslassungen bezüglich der Haltung und Ziele der Fatah und der Hamas. Solches ist geeignet, dass Zuhörerinnen und Zuhörer über Israel, seine Geschichte, seine Lage und Rechte sowie seine Haltung zum Frieden ein völlig falsches Bild erhalten. Solchen Tendenzen ist entgegenzutreten....

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von Radio SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Frau Isabelle Jacobi, Redak¬tionsleiterin „Echo der Zeit“, nicht vorenthalten. Sie schreibt Folgendes:
„Vielen Dank, dass wir Gelegenheit erhalten, zur Beanstandung 3972 Stellung zu nehmen. Sie betrifft das Interview mit dem israelischen Soziologen und Professor für Geschichte und Philosophie in Tel Aviv vom 27. Februar. Herr X beanstandet, dass im Echo der Zeit ausschliesslich ‚linke und israelhasserische’ Personen zu Wort kämen. Zitat: ‚Dass nicht zum linken Lager zählende Personen offenbar nicht will-kommen sind, lässt den Schluss zu, dass die Israel-Berichterstattung bei einigen Verantwortlichen in eine bestimmte Richtung zu laufen hat.’
Das Interview mit Moshe Zuckermann war ein Teil unserer Berichterstattung im Vorfeld der israelischen Parlamentswahlen vom 17. März. Wir trugen Sorge, dass unsere Berichterstattung alle relevanten politischen Lager repräsentierte. 1) die linken, intellektuellen Regierungskritiker (Interview mit Moshe Zuckermann, 27. Februar); 2) der Wahlkampf in der Westbank aus der Perspektive der Palästinenser und der israelischen Siedler (Reportage, 12. März) der Zusammenschluss der arabischen Kräfte im Wahlkampf (Beitrag, 14. März); sowie das Netanjahu-Lager, die ihre Kräfte sammelten gegen das Herzog-Lager (Beitrag, 16. März). Die aussen-politische Wahlbilanz zogen wir mit dem regierungstreuen Zalman Shoval, Likud-Berater und israelischer Ex-Botschafter in Washington. Den Vorwurf, unsere Berichterstattung sei einseitig, weisen wir deshalb zurück.
Herr X kritisiert weiter spezifische Meinungsäusserungen von Prof. Moshe Zuckermann, z.B. dass Israel zu einem Apartheid-Staat werden könnte, wenn das Palästinenserproblem nicht gelöst werde. Oder dass Israel das Rückkehrrecht der Palästinenser anerkennen sollte. Oder dass Netanjahu nicht wirklich Frieden schliessen wolle, also nicht an einer Zweistaatenlösung interessiert sei. Es entspricht nicht unserer Praxis, Meinungen unserer Gesprächspartner zu zensurieren, im Gegenteil. Die publizistischen Leitlinien von SRF schreiben vor, dass wir beim Editieren von Interviews die besten Argumente unserer Gesprächspartner stehen lassen. (Publizistische Leitlinien von SRF, Seite 69)
In seiner Beanstandung stellt Herr X zudem die Sachlichkeit der Interviewführung in Frage.
-‚Das Leben des Einzelnen sei nirgendwo so gefährdet wie in Israel, wieso stellt Herr Vögeli so etwas Absurdes nicht als tendenziöse und unglaubwürdige Aussage hin?’ SRF-Antwort: Unser Moderator hat sehr wohl die Aussage als provokativ markiert. Er bezeichnet sie als die wohl fundamentalste Kritik, die man äussern könne, und fordert Prof. Zuckermann auf, genau zu erklären, was er damit meine. Der Gesprächspartner wurde ausserdem in der Moderation klar als ‚links stehender Kritiker der politischen Verhältnisse in Israel’ positioniert. Es war den Hörerinnen und Hörern also durchaus möglich, eine Meinung zu den Aussagen zu bilden.
-‚Wie kommt Herr Vögeli zur Bemerkung, es würden bald mehr Palästinenser in Israel leben als Israelis?’ Antwort: Die Fragestellung war berechtigt, weil die sogenannte ‚demographische Frage’ ein virulentes Thema ist, das in Israel selber in den Medien diskutiert wird. Die ‚Warner’ vor einer palästinensischen Mehrheit zählen die Bewohner der besetzten Gebiete mit, westlich des Flusses Jordan. Diese Logik ist durchaus nachvollziehbar, da sie auf dem politischen Status Quo ohne Zweistaatenlösung beruht.
Eine letzte Bemerkung: Herr X bezieht sich in seiner Beanstandung wiederholt auf das Völkerbund-Mandat von 1922 als völkerrechtliche Basis für die heutigen Gebietsansprüche. Das ist völkerrechtlich mehr als fragwürdig und mag seine Dissonanz zu unserer Berichterstattung teilweise erklären. Denn wir ziehen die Existenz der Resolution des UNO-Sicherheitsrates 1967 in Betracht, die eine mehr oder weniger klare Demarkationslinie definierte. Die Resolution forderte den Rückzug der israelischen Kräfte aus den im 6-Tage-Krieg eroberten Gebieten, im Gegenzug für eine Anerkennung Israels und die Respektierung seiner Sicherheit ‚frei von Bedrohung und Gewalt’. An diesem Ausgangspunkt stehen wir gewissermassen noch heute in den aufs Eis gelegten Friedensverhandlungen im Nahen Osten.
Aufgrund der oben aufgeführten Argumente, sind wir der Überzeugung, dass die Beanstandung vollumfänglich zurückzuweisen ist.“
3. Soweit die Stellungnahme der Redaktionsleiterin von „Echo der Zeit“. Nachdem ich den von Ihnen beanstandeten Beitrag studieren konnte, scheinen mir die Argumente von Frau Isabelle Jacobi sehr plausibel zu sein. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann ich mich deshalb kurz halten.
Gegenstand Ihrer Beanstandung ist das Interview von Peter Vögeli mit Professor Moshe Zuckermann. Sie monieren ausführlich einzelne Aussagen von Herrn Zuckermann und werfen ihm vor, eine anti-israelische Haltung zu vertreten. Sie werfen deshalb die Frage auf, „wieso einem unglaubwürdigen linken Aktivisten bei SRF einmal mehr eine Bühne geboten wird“. Die Sendung sei irreführend und als tendenziös zu bezeichnen.
Ich sehe das anders. Zuerst einmal, weil es geradezu zum Informationsauftrag von Radio SRF gehört, wenn im Hinblick auf die Wahlen in Israel auch über die kritische Haltung einer Persönlichkeit wie Professor Moshe Zuckermann berichtet wird. Denn es sollte unbestritten sein, dass er durch seine Bücher sowie auch durch seine Vortragstätigkeit – ich erinnere lediglich an seinen Vortrag in Zürich im Februar dieses Jahres – als prominentester Kritiker der israelischen Politik und Gesellschaft gilt. Dabei vertritt er überzeugt die Meinung, dass Israel und der palästinensische Staat langfristig nur in konföderativen Strukturen existenzfähig sind.
Als Beweis für seine These zögerte er im Radio-Gespräch nicht, zum Teil provokative und sehr kritische Aussagen zur gegenwärtigen Politik von Israel zu äussern. Ich stelle aber fest, dass Herr Zuckermann stets differenziert argumentierte und meistens versucht hat, seine These aus seiner Sicht auch umfassend zu begründen. Zum Beispiel betonte er ausdrücklich, als er von Apartheidstaat sprach, dass dies leider der Fall wäre, falls die Bemühungen für einen demokratisch abgesegneten binationalen Staat nicht zu Stande kämen.
Man kann sicher bemängeln, dass im „Echo der Zeit“ vom 27. Februar lediglich Herr Zuckermann die Möglichkeit hatte, seine Sicht der Dinge zu erläutern. Dies ist aber als zulässig zu erachten. Nicht nur, weil „Echo der Zeit“ in anderen Sendungen über die Wahlen in Israel aus einem anderen Blickwinkel umfassend berichtet hat, sondern auch, weil das Bundesgericht diesbezüglich kürzlich Entscheide getroffen hat, welche die Wahrung der Medienfreiheit verstärken und präzisieren. Demzufolge ist es falsch, „sachgerecht“ mit „ausgewogen“ gleichzusetzen. Das Gebot der Sachgerechtigkeit erfordert für die einzelne Sendung keine Ausgewogenheit im Sinne einer möglichst gleichwertigen Darstellung aller Standpunkte. Ein Thema kann auch einseitig oder aus einem bestimmten Blickwinkel beleuchtet werden, ohne das Gesetz zu verletzen, wenn dies in transparenter Weise geschieht und die wesentlichen Fakten korrekt vermittelt werden.
Dies war im „Echo der Zeit“ durchaus der Fall. Bereits zu Beginn der Sendung wurde transparent vermittelt, dass Professor Zuckermann „ein grundsätzlicher und linksstehenden Kritiker der politischen Verhältnisse in Israel“ sei. Für das Publikum war zudem klar, dass es sich bei den Fakten um die persönlichen Ansichten von Herrn Zuckermann handelte.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt wurde. Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, beurteile ich deshalb als unberechtigt.
4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Mög-lichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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