Hat die «Tagesschau» einseitig über Parteien-DVs berichtet?

Am 25. April 2015 fanden die Delegiertenversammlungen von fünf national tätigen Parteien statt. Die «Tagesschau» berichtete ausführlich über die DV der CVP und der FDP. Von den DVs der SP, der Grünen und der BDP wurden lediglich die gefassten Abstimmungsparolen vermeldet. Ein Zuschauer beanstandet diese Berichterstattung als einseitig. Der Ombudsmann kann die Beanstandung nicht unterstützen.

Der Beanstander findet es besonders in einem Wahljahr wichtig, dass über die an den Delegiertenversammlungen der Parteien gesetzten Schwerpunkte berichtet wird. Er fragt, warum die «Tagesschau» vom 25. April nicht über alle Delegiertenversammlungen an diesem Tag in verkürzter Form berichtet hat. Weiter möchte er wissen, warum die FDP und die CVP für die ausführliche Berichterstattung ausgewählt worden sind.

Franz Lustenberger, stv. Redaktionsleiter der «Tagesschau», erklärt in seiner Stellungnahme die schwierige Themenlage am 25. April. Nebst den fünf Delegiertenversammlungen war auch das Erdbeben in Nepal ein relevantes Ereignis an diesem Tag. Die Verantwortlichen der «Tagesschau» mussten «eine Auswahl bezüglich der Themenfokussierung und der einzelnen Beitragslängen treffen», so Lustenberger. Die CVP habe bei den letzten kantonalen Wahlen z.T. markante Einbussen erlitten und ihre Basis zu wenig mobilisieren können. Deshalb findet es Lustenberger legitim, bei der CVP einen Akzent zu setzen und die Aspekte Mobilisierung und Geschlossenheit zu beleuchten.

Die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes sei die in der Öffentlichkeit am intensivsten diskutierte Abstimmungsvorlage vom 14. Juni. Sie spalte die FDP. Diese Konfliktsituation sei auch durch ein kontroverses Podiumsgespräch an der DV der FDP sichtbar geworden.

Lustenberger macht darauf aufmerksam, dass die «Tagesschau» vom 7. März einen inhaltlichen Akzent auf den SP-Wahlkampf gelegt habe. Es sei ein ausführlicher Beitrag mit der SP-Co-Generalsekretärin zur Wahlkampfstrategie der SP Schweiz gesendet worden.

Ombudsmann Achille Casanova zeigt für die Kritik des Beanstanders Verständnis. Er bezeichnet die Nicht-Berücksichtigung der DVs der übrigen Parteien – besonders in einem Wahljahr – als problematisch. Das Fernsehen der italienischen Schweiz (RSI) habe bewiesen, dass eine Berichterstattung über sämtliche Delegiertenversammlungen möglich sei.

Doch die Ombudsstelle habe keine Fach-, sondern eine Rechtsaufsicht zu leisten, betont Casanova. Gemäss der gesetzlich verankerten Programmautonomie ist der Veranstalter frei bei der Themenwahl sowie der inhaltlichen Bearbeitung eines Themas. «Die Verantwortlichen der ‹Tagesschau› sind deshalb grundsätzlich frei, die Sendung nach ihrem journalistischen Ermessen zu gestalten», schreibt Casanova in seinem Schlussbericht. Es sei demnach rein rechtlich zulässig, nur über zwei von fünf Delegiertenversammlungen ausführlicher zu berichten.

Weder Gesetz noch Konzession seien verletzt worden. Ausgewogenheit und Vielfaltgebot müsse nicht durch eine einzelne Sendung, sondern durch mehrere Sendungen, die in einem sachlichen Zusammenhang stehen, gewährleistet werden.

Der Ombudsmann erachtet die Beanstandung als unberechtigt.

Quelle: Ombudsstelle SRG.D, Achille Casanova
Text/Zusammenfassung: Inside SRG, dl
Bilder: © Screenshots SRF, «Tagesschau» vom 25.4.15

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