«Rundschau»-Beitrag über Raser beanstandet

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Mit Ihrem eingeschriebenen Brief vom 15. Mai 2015 haben Sie den Beitrag über das Rasergesetz in der Sendung „Rundschau“ vom 6. Mai beanstandet. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 17. Mai bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kritisierte Sendung sehr genau angeschaut. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

  1. Sie begründen Ihre Beanstandung wortwörtlich wie folgt:

„Am 6. Mai strahlte das SRF die Sendung ‚Rundschau‘ aus, die sich unter anderem mit dem Schweizer Rasergesetz beschäftigte. In der Sendung wurde zuerst ein Beitrag über die Entwicklungszusammenarbeit zwischen Polen und der Schweiz bezüglich Rasergesetzen gezeigt. Im Anschluss folgte ein Interview mit Fabio Regazzi über die parlamentarische Initiative ‚Via Sicura. Rasche Beseitigung der Exzesse und unerwünschten Nebeneffekten des Raserdelikts‘, welche er kürzlich im Nationalrat eingereicht hat.

Ich beanstande die undifferenzierte Berichterstattung. Insbesondere enthielt die Sen­dung gezielte Irreführungen und grobe Auslassung von grundlegenden Tatsachen. Desweiteren war die Interviewführung von Sandro Broz stark tendenziös, dem unvoreingenommenen Zuschauer war es nicht möglich, sich eine objektive Meinung über die parlamentarische Initiative von Fabio Regazzi zu bilden.

Im Detail beanstande ich folgendes:

A. Zu Beginn der Sendung wird dem Zuschauer eine Graphik über Verkehrstote gezeigt und Sandro Broz liest den folgenden Text:

‚Noch vor 15 Jahren gab es im Strassenverkehr gegen 600 Todesopfer, dank Prä­ventionskampagnen waren es 12 Jahre später noch knapp die Hälfte. Seit 2013 gilt nun ‚via sicura‘ – das Verkehrssicherheitsprogramm des Bundes. Damit hat sich die Zahl der getöteten Personen nochmals stark verringert, auf zuletzt rund 240. ‚Via sicura‘, das ist ein Erfolgsgeschichte, dazu gehören auch härtere Massnahmen gegen Raser.‘

Gemäss dem Bericht ‚Verkehrsunfälle in der Schweiz 2013‘ vom Bundesamt für Statistik geht die Anzahl Todesopfer im Strassenverkehr seit 1970 kontinuierlich zurück. Zu behaupten, dies sei ‚dank Präventionskampagnen‘, ist eine Behauptung, wird hier allerdings als Tatsache dargestellt. Viel wahrscheinlicher ist es, dass die Ursache in der stetig steigenden Sicherheit von Personenfahrzeugen liegt. Des­weiteren wird hier der Eindruck vermittelt, dass ‚via sicura‘ für einen Rückgang der getöteten Personen im Strassenverkehr seit der Einführung in 2013 verantwortlich ist. Wie Sandro Brotz zu dieser Schlussfolgerung kommt, bleibt er uns allerdings schul­dig. Im Verkehrsbericht 2013 findet die Einführung von ‚via sicura‘ hingegen keine Erwähnung als Ursache für den Rückgang der Verkehrstoten. Vielmehr sieht das Bundesamt für Statistik darin die Fortsetzung eines langfristigen Trends (‚Der lang­fristige Trend zu immer weniger Verkehrstoten hat sich 2013 fortgesetzt‘).

Die Aussa­ge von Sandro Broz erscheint umso fragwürdiger beim genauen Betrachten des Verkehrsberichtes. Die Anzahl Strassenverkehrsunfälle wegen unangepasster Ge­schwindigkeit ist im Jahr nach der Einführung von ‚via sicura‘ sogar angestiegen. Angesichts der Tatsache, dass Sandro Broz zu Beginn der Sendung aus dem Vekehrsbericht zitiert (‚Alle 33 Stunden stirbt ein Mensch auf Schweizer Strassen‘), stellt sich die Frage, wieso er diese Information auslässt und sich zu der irreführen­den Aussage ‚via sicura, das ist eine Erfolgsgeschichte‘ hinreissen lässt.

B. Als Nächstes spricht Sandro Brotz den folgenden Satz: ‚Jetzt aber wollen bürger­liche Politiker dieses Gesetz schon wieder kippen, es sei unverhältnismässig.‘

Die umgangssprachliche Redewendung ‚das Gesetz kippen‘ wird von Sandro Brotz in der Sendung mehrmals im Zusammenhang mit der parlamentarischen Initiative von Fabio Regazzi und ‚via sicura‘ verwendet. Gemäss Duden bedeutet ‚kippen‘ in diesem Zusammenhang ‚rückgängig machen‘**. Dass die Initiative von Fabio Regazzi die Gesetzgebung von ‚via sicura‘ rückgängig macht, ist eine eindeutige Falschaus­sage von Sandro Broz.

‚Via sicura‘ führte zur Einführung der neuen Kategorie von besonders qualifiziert gro­ben Verkehrsregelverletzungen im Schweizer Verkehrsgesetz. Es handelt sich hier um eine Erweiterung der bestehenden Kategorien. Die Aussage von Sandro Brotz erweckt fälschlicherweise den Eindruck, dass diese Kategorie wieder zurückgezogen werden soll.

Die Initiative von Fabio Regazzi hat nun keinesfalls die Absicht, dieses Gesetz wie­der rückgängig zu machen.

Vielmehr sieht die Initiative vor, den starren und automatischen Charakter des Geset­zestextes anzupassen, um den Gerichten Ermessensspielraum zurückzugeben. Diesbezüglich steht folgendes im Initiativtext:

‚Die vorliegende Initiative zielt darauf ab, das Raserdelikt und die vorgesehenen Höchststrafen beizubehalten, jedoch den Gerichten und Verwaltungsbehörden den notwendigen Spielraum zurückzugeben, um die Sanktion den konkreten Um­ständen des Delikts (geschaffenes Risiko) und dem Fehlverhalten des Urhebers anzupassen; dies durch:

1. Die Streichung der Strafuntergrenze (Art. 90 Abs. 3 SVG). Die Sanktion wäre daher mit jener für das Delikt gemäss Artikel 129 StGB (Gefährdung des Lebens) abgestimmt, das objektiv schwerer wiegt und mit einer Freiheitsstrafe von maxi­mal 5 Jahren oder einer Geldstrafe geahndet wird.

2. Die Streichung der automatischen Sanktion gemäss Artikel 90 Absatz 4 SVG, welcher die unwiderlegbare Vermutung aufstellt, dass die Voraussetzungen des Raserdelikts erfüllt sind, ohne es dem Richter zu erlauben, den konkreten Um­ständen und dem geschaffenen Risiko oder dem Willen des Urhebers angemes­sen Rechnung zu tragen (Bundesgerichtsurteil 1C_397/2014, Erwägung 2.4.1). Der Zweck von Absatz 4 sollte darauf beschränkt werden, eine Schwelle festzu­legen, ab der eine ‚krasse Missachtung der Höchstgeschwindigkeit‘ im Sinne von Absatz 3 vorliegt und dessen Anwendung erlaubt, falls die übrigen Voraussetzun­gen erfüllt sind. Damit wird auch verhindert, dass diese Vermutung bei dringli­chen Dienstfahrten (Blaulichtfahrten) zur Anwendung kommt.

3. Die Herabsetzung der Administrativmassnahme auf mindestens 6 Monate Führerausweisentzug (Art. 16c Abs. 2 Bst. abis SVG), d. h. auf das Doppelte der Mindestdauer, die für eine schwere Verletzung der Verkehrsregeln vorgesehen ist.‘

Auch bei nur oberflächlicher Betrachtung des Initiativtextes wird sofort klar, dass es nicht die Absicht der Initianten ist, die neue Gesetzgebung von ‚via sicura‘ wieder rückgängig zu machen. Die mehrmalige Verwendung der Redewendung, dass die Initiative von Fabio Regazzi dieses Gesetz wieder kippen will, ist deswegen als gezielte Irreführung der Zuschauer zu bewerten.

C. Sandro Brotz beginnt das Interview mit Fabio Regazzi mit folgender Aussage: ‚Polen übernimmt unsere Gesetze und dass ist doch paradox, denn Sie wollen wieder polnische Verhältnisse in der Schweiz.‘

Im vorhergehenden Bericht wird erwähnt, dass Polen ‚so gefährlich ist für Verkehrs­teilnehmer wie sonst kaum ein anderes Land in Europa‘. So ist Polen konstant auf den hintersten Rängen zu finden in der Statistik über Verkehrstote der OECD und weist mehr als die doppelte Anzahl Verkehrstote pro Einwohner und Jahr auf als die Schweiz. Die Verkehrssicherheit auf Schweizer Strassen ist keinesfalls vergleichbar mit Polen, dies geht eindeutig aus den Verkehrsberichten der letzten Jahre hervor.

Es ist absolut unverständlich, dass Sandro Brotz dem Zuschauer den Eindruck vermittelt, die Initiative von Fabio Regazzi würde ‚wieder zu polnischen Verhältnis­sen‘ in der Schweiz führen. Es herrschten vor ‚via sicura‘ nachweislich keine ‚polni­schen Verhältnisse‘ in der Schweiz und die Initiative von Fabio Regazzi ist keines­wegs mit der Gesetzgebung von Polen vergleichbar. Die Platzierung dieser Aussage nach dem Bericht über die äusserst problematische Verkehrssicherheit auf polni­schen Strassen ist eine gezielte Irreführung der Zuschauer.

D. Die Interviewführung von Sandro Brotz ist grösstenteils stark tendenziös. Insbe­sondere die mehrmalige Erwähnung des Beispiels ‚mit 110 irgendwo durchzurasen (...) wo 50 angezeigt ist‘. Eine solche Vereinfachung wird der Komplexität eines realen Raserdelikts nicht gerecht. Diese grobe Kategorisierung der Geschwindig­keitsübertretungen ohne Einzelfallprüfung gemäss ‚via sicura‘ hat sich in der Praxis als problematisch erwiesen, dies wird durch Rolf Grädel, Präsident der Schweizeri­schen Staatsanwälte-Konferenz, bestätigt. Deshalb will die Initiative den Richtern Ermessenspielraum zurückgeben, beispielsweise zur Berücksichtigung, dass eine Geschwindigkeitsübertretung bei erlaubten 80km/h auf der Autobahn nicht gleich schwer zu bestrafen ist wie auf einer Landstrasse.

Es bleibt hinzuzufügen, dass die Initiative keine Veränderung vorsieht im Umgang mit Geschwindigkeitsübertretungen mit hohem geschaffenem Risiko, wovon bei einer Geschwindigkeit von 110 km/h innerorts ausgegangen werden kann. Die Initiative hat demzufolge keinen Einfluss auf die Bestrafung im Beispiel von Sandro Brotz.

E. Der Videobeitrag ist in keinster Weise hilfreich für den Zuschauer, um sich eine Meinung über die Thematik zu bilden. Er dient einzig dem Zweck, die Diskussion von einer sachlichen auf eine emotionale Ebene zu bringen. Er ist insbesondere fehl am Platz, da die Bestrafung des Täter in der erwähnten Situation nicht von der Initiative betroffen wäre. Desweiteren wird mit der Frage an Fabio Regazzi aus dem Videobe­richt (‚wieso wänd Sie das wieder umstosse?‘) erneut fälschlicherweise der Eindruck erweckt, dass seine Initiative die Gesetzgebung seit ‚via sicura‘ rückgängig machen will.

F. Sandro Brotz spricht von einer präventiven Wirkung der Gesetzgebung seit ‚via sicura‘ (‚Die Fakten sind auch, dass es eine präventive Wirkung gibt dieser Gesetze‘) und erwähnt, dass sich die Verfahren gegen Raser im Kanton Aargau um die Hälfte reduziert haben. Erstens ist dies eine Übertreibung: Verfahren gegen Raser im Kan­ton Aargau verzeichneten einen Rückgang von 31 (2013) auf 17 (2014). Zweitens betrifft die Gesetzgebung von ‚via sicura‘ die ganze Schweiz, deshalb ist es wenig sinnvoll, einen einzelnen Kanton als Beispiel herauszusuchen. Insbesondere deshalb, da der Kanton Aargau deutlich von den Zahlen anderen Kantonen abweicht, z.B. Bern: 19 (2013), 16 (2014); St. Gallen: 28 (2014), 26 (2013). Laut Experten ist es ohnehin grundsätzlich nicht möglich, zum jetzigen Zeitpunkt zu beurteilen, ob die strengeren Strafen Wirkung zeigen. Dies sei frühestens in 5 Jahren der Fall. Der Vergleich der Anzahl Strafverfahren, die den Tatbestand qualifiziert grobe Verletzung der Verkehrsregeln erfüllen, ist von Grund auf nicht geeignet, um auf eine präventive Wirkung der Gesetzgebung zu schliessen. Dies insbesondere deshalb, da es im vergangenen Jahr eine gewisse rechtliche Unsicherheit gab in der genauen Ausle­gung von ‚via sicura‘ aufgrund der unklaren Formulierung des Gesetzestext. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass verschiedene Gerichte denselben Tatbestand unterschiedlich beurteilten.

Erst seit BGer 1C_397/2014 vom 20.11.2014 gibt es einen Präzedenzfall, welcher die Auslegung von ‚via sicura‘ klar definiert. Es ist somit höchst fraglich, Verfahren mit dem Tatbestand ‚qualifiziert grobe Verkehrsverlet­zung‘ vor dem 20.11.2014 als Gradmesser für eine präventive Wirkung zu verwen­den. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Aussage von Sandro Brotz als Vermutung zwar geeignet wäre, jedoch als Fakt präsentiert, untermauert mit nach­weislich unsachlicher Analyse, wiederum stark irreführend ist. Auch wäre es für den Zuschauer hilfreich gewesen, die rechtlichen Probleme von ‚via sicura‘, die aus BGer 1C_397/2014 hervorgehen, zu thematisieren.

G. Insgesamt ist der Beitrag über das Schweizer Rasergesetz undifferenziert. Ele­mentare Fakten zum Thema wurden nicht angesprochen. Beispielsweise die recht­liche Unsicherheit in der Auslegung von ‚via sicura‘. Dies ist insofern brisant, da mit der momentanen Gesetzgebung Polizisten bei der Verkehrsüberwachung durch Nachfahrkontrollen ebenfalls eine Strafe fürchten müssen. Der Richter hat auch in diesem Fall keinen Ermessensspielraum, es gilt die Minimalstrafe von 1 Jahr Gefäng­nis. Dass die Initiative von Fabio Regazzi diesen Missstand beheben will, wurde nicht thematisiert.

Eine differenzierte Sendung hätte auf die von ‚via sicura‘ verursachten Probleme ein­gehen müssen und diskutieren, inwiefern die Initiative zu einer Verbesserung führen kann. Stattdessen musste Fabio Regazzi wiederholt dieselben Fragen beantworten und konstant Falschaussagen von Sandro Brotz korrigieren. Aufgrund oben genannten Gründen sehe ich die ‚Rundschau‘ verpflichtet, eine Be­richtigung zu publizieren.“

  1. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Mario Poletti, Redaktionsleiter der „Rundschau“, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:

„Gerne nehmen wir Stellung zur Beanstandung von Herrn X. Der Beitrag vom 6.5.2015 thematisiert die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Polen hinsichtlich Verkehrssicherheit. Das Projekt ‚Road Safety‘ unter Federführung der DEZA hat im Rahmen der Kohäsionsmilliarde knapp 4 Millionen Franken für die Verkehrssicherheit in Polen bereitgestellt. Die Rundschau zeigt in ihrer Reportage, wie eines der von diesem Geld beschafften Messfahrzeugen Verkehrssünder stellt und mit welchen Strafen sie konfrontiert sind. Auch die Fussgängersicherheit ist ein Thema. Das Parlament in Polen hat im Februar Gesetze beschlossen, die eng an die Schweizer Gesetze hinsichtlich Verkehrssicherheit (Via sicura) angelehnt sind. Die Schweiz wird wegen ihrer Gesetze und der vergleichsweise niedrigen Anzahl von Verkehrstoten und Schwerverletzten als Vorbild genommen, so die Kernaussage des Beitrags.

An der Theke im Rundschau-Studio äussert Nationalrat Fabio Regazzi seine Kritik an Via sicura und den strengen Schweizer Rasergesetzen. Er ist Initiant einer Parlamen­tarischen Initiative, die eine Korrektur an Via sicura in wesentlichen Punkten fordert.

Der Beanstander bemängelt die undifferenzierte Berichterstattung, Irreführungen und die grobe Auslassung von grundlegenden Tatsachen. Des Weiteren kritisiert der Beanstander die Interviewführung von Moderator Sandro Brotz als stark tendenziös. Diese Einschätzungen teilen wir nicht.

Zu den Vorwürfen des Beanstanders im Einzelnen:

Zu Punkt A:

In der Anmoderation zum Beitrag wird die Anzahl der Verkehrstoten im Verlauf der letzten 15 Jahre visuell dargestellt. Der Moderator sagt: ‚Noch vor 15 Jahren gab es im Strassenverkehr gegen 600 Todesopfer. Dank Präventionskampagnen waren es 12 Jahre später noch knapp die Hälfte. Seit Anfang 2013 gilt neu Via sicura – das Verkehrsicherheitsprogramm des Bundes. Damit hat sich die Zahl der getöteten Personen nochmals stark verringert – auf zuletzt rund 240 Tote.‘

Der Beanstander kritisiert unsere Darstellung, die Abnahme der Verkehrstoten werde auf Präventionskampagnen zurückgeführt. Wir haben uns dabei auf die Aussagen des Bundesamtes für Strassen (Via sicura, Handlungsprogramm des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr, 2005, Seite 6) bezogen: ‚Die Erfolge in der Strassenverkehrssicherheit während der letzten Jahrzehnte sind auf viele verschie­dene Massnahmen und Faktoren zurückzuführen. Beigetragen haben beispielsweise die Einführung von Tempolimiten, das Sicherheitsgurten-Obligatorium, die Helmtrag­pflicht, Fortschritte in der Fahrzeugtechnik, Verbesserungen des Strassennetzes, die verbesserte Ausbildung der Motorfahrzeuglenkenden und die Verkehrsberuhigung in den Wohnquartieren.‘ Dass im Wesentlichen die gestiegene Fahrzeugsicherheit für einen Rückgang der Opferzahlen verantwortlich ist, wie vom Beanstander behauptet, können wir aus dieser Aufzählung des Bundesamtes für Strassen nicht ablesen. Sicher sind es aber auch Präventionsmassnahmen, zu denen Verkehrskontrollen ge­hören, die wichtig sind für die Verkehrssicherheit eines Landes. In der ‚Arena‘ vom 25. November 2005 sagte Rudolf Dieterle, Direktor Bundesamt für Strassen, ASTRA zur Prävention im Rahmen der Verkehrssicherheit: ‚Kontrollen sind ein wichtiges Element in der Sicherheit des Strassenverkehrs, das ist erwiesen.‘

Der Beanstander bezweifelt, dass die gesunkene Zahl der Verkehrstoten einen Zu­sammenhang mit Via sicura hat. Die Rundschau hat sich bei dieser Aussage auf das Bundesamt für Strassen gestützt. Dieses schreibt auf seiner Homepage:

(http://www.astra.admin.ch/themen/verkehrssicherheit/00236/ ):

‚Mehr Verkehrssicherheit dank Via sicura.‘ Die dort aufgezählten Massnahmen las­sen einen Zusammenhang mit den gesunkenen Verkehrsopferzahlen als folgerichtig erscheinen. Auch in anderen Deutschschweizer Medien wird dieser Zusammenhang nicht negiert, weshalb von einem breiten Konsens ausgegangen werden kann.

Der Beanstander verweist auf den Bericht ‚Verkehrsunfälle in der Schweiz 2013‘. Auf Seite 9 ist eine Grafik wiedergegeben, die Strassenverkehrsunfälle wegen unange­passter Geschwindigkeit von 1992 bis 2013 anzeigt. Die Tendenz ist auch dort klar abnehmend, am stärksten von 2010 auf 2011. Der Beanstander möchte den leichten Anstieg von 2012 auf 2013 als Begründung so interpretieren, dass Via sicura, welches ab 1.1.13 galt, nicht den erwünschten Erfolg gebracht hat.

(http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/11/06/blank/01.html)

Wir haben unsere Zahlen in der Anmoderation nicht auf die ‚Strassenverkehrsunfälle wegen übersetzter oder unangepasster Geschwindigkeit‘ abgestellt, sondern auf die Zahl der Verkehrstoten. Diese Zahl, wie auch die Zahl der Schwerverletzten, ist von 2012 auf 2013 deutlich gesunken (Verkehrsunfallstatistik 2014): Verkehrstote von 339 auf 269, Schwerverletzte von 4202 auf 4129.

(http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/38807.pdf)

Zu Punkt B:

In der Anmoderation heisst es: ‚Jetzt wollen bürgerliche Politiker dieses Gesetz schon wieder kippen – es sei unverhältnismässig. Darüber diskutiere ich gleich mit dem Initianten, einem CVP-Nationalrat aus dem Tessin. Der Beanstander behauptet, das Wort ‚kippen‘ würde bedeuten, ein Gesetz rückgängig zu machen. Laut zitiertem Duden bedeutet ‚kippen‘ ‚zurückziehen, zurücknehmen‘. Weder in der Moderation, noch im Beitrag noch im Gespräch wird behauptet, dass Gesetz solle vollständig rückgängig gemacht werden. Es sind doch aber die Kernbereiche der Rasergesetze im Via sicura-Paket, welche von der Parlamentarischen Initiative von Fabio Regazzi betroffen wären. Die Initiative möchte die Ausweisentzugsdauer bei schweren Zu­widerhandlungen von mindestens 2 Jahren auf mindestens 6 Monate reduzieren, die Minimalfreiheitsstrafe nach SVG Art. 90, Abs. 3 von einem Jahr ganz aufheben, ebenso die zwingende Zuordnung von festgelegten Geschwindigkeitsüberschreitun­gen zu Art. 90, Abs. 3. Diese fixen Richtwerte (z.B. mehr als 40 km/h Überschreitung in 30er Zone) sind jedoch zentrale Elemente der Rasergesetze innerhalb von Via sicura. Wenn diese in Frage gestellt werden, kann unserer Meinung nach sehr wohl von einem ‚kippen‘ gesprochen werden. Wir weisen den Vorwurf des Beanstanders zurück, der Moderator hätte in diesem Punkt eine Falschaussage gemacht.

Zu Punkt C:

Der Beanstander stört sich an der Frage, ob Fabio Regazzi wieder ‚polnische Ver­hältnisse in der Schweiz‘ wolle. Diese Frage nimmt klar Bezug auf die im Beitrag ge­zeigten prekären Verkehrsverhältnisse in Polen, der Zuschauer kann diese pointierte Frage somit einordnen. Mit Fabio Regazzi ist ein sehr gut deutsch sprechender Tessiner Nationalrat im Studio, der die angesprochene Initiative sowie die Schweizer Verkehrsgesetze bestens kennt. Dementsprechend antwortet er: ‚Nein, das stimmt nicht, also es stimmt auch nicht, dass ich das Rasergesetz kippen will. Und in meinem Vorstoss, der von anderen 37 Parlamentariern unterschrieben worden ist, stelle ich die maximale Strafe nicht in Frage. Es geht nur darum, das Verhältnis­mässigkeitsprinzip wieder herzustellen.‘ (Abschrift textsprachlich korrigiert.) Fabio Regazzi konnte, wie auch in den folgenden acht Minuten Studiogespräch, die Fragen des Moderators ausführlich beantworten. Dies gab den Zuschauern jederzeit die Möglichkeit, sich über das Für und Wider der Rasergesetze eine eigene Meinung zu bilden.

Zu Punkt D:

Der Beanstander stört sich am Beispiel des Moderators von einem Auto, dass 110 fährt, wo 50 erlaubt sind. Der Beanstander sagt, die Initiative von Fabio Regazzi möchte den Richtern Ermessensspielraum zurückgeben, beispielsweise so, dass eine Geschwindigkeitsübertretung auf der Autobahn nicht gleich schwer gewichtet wird wie auf einer Landstrasse. Dieser Punkt ist mit der jetzigen Gesetzgebung erfüllt (Autobahn 80, Landstrasse 60 km/h Überschreitung). Es bleibt uns unverständlich, warum der Beanstander die Interviewführung des Moderators darauf aufbauend als ‚tendenziös‘ einstuft. Zumal das Strassenverkehrsgesetz selber das Limit von 50 km/h Übertretung bei erlaubten 50 km/h nennt und somit eine Geschwindigkeit (nach Abzug der Messungenauigkeit) von 110 km/h als Raserdelikt qualifiziert.

Zu Punkt E:

Die Thematik des Beitrages ist nicht die Initiative von Fabio Regazzi, sondern die Zu­sammenarbeit zwischen Polen und der Schweiz hinsichtlich Verkehrssicherheit. Das Studiogespräch mit Fabio Regazzi dient zur Ausweitung des Themas. Im Studio­gespräch gab es einen kurzen Einspieler mit der Aussage einer Mutter, die ihre Tochter durch einen Raserunfall verloren hat. Diese stellt dem Nationalrat Regazzi die Frage, warum er die Gesetze wieder umstossen will. Auch dazu kann Fabio Regazzi antworten. Nach einigen eher emotionalen Äusserungen sagt er dann: ‚Nein, ich und andere 37 Parlamentarier, wir anerkennen, dass wir einfach zu weit gegan­gen sind, wir wollen nicht – und ich muss mich wiederholen – Raser schützen, weil Raser müssen hart bestraft werden. Aber wenn ich einmal, das erste Mal eine Ge­schwindigkeitsüberschreitung mache, dann muss ich nicht unbedingt mit einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt werden. Das ist auch im Vergleich zu anderen Straftaten übertrieben. Für sexuelle Handlungen mit Kindern gibt es maximal 5 Jahre, und bei Raserdelikten 4 Jahre. Also, es gibt auch ein gewisses Ungleichgewicht.‘ (Abschrift textsprachlich korrigiert). Kurzum: Nationalrat Regazzi kann auch in diesem Punkt seine differenzierte Sichtweise anbringen.

Zu Punkt F:

Der Beanstander behauptet, der Moderator habe sich stark irreführend verhalten, weil er die präventive Wirkung von Gesetzen als Fakt darstellt. Der Moderator bringt das Beispiel Aargau und spricht von der Hälfte weniger Verfahren gegen Raser. Die Vereinfachung, bei 31 Verfahren im 2013 und 17 im 2014, von einer Halbierung zu sprechen, erachten wir in diesem Zusammenhang des lebhaft geführten Interviews als legitim. Auch Fabio Regazzi korrigiert dies nicht, vielmehr sagt er nochmals: ‚Nein, ich will kein Gesetz kippen. Ich will einen Fehler korrigieren, der zu unverhält­nismässigen Situationen führt und das ist der einzige Grund, der mich bewogen hat, diesen Vorstoss einzureichen. Und nicht, um Raser zu schützen, das muss ich nochmals klarstellen.‘ Ein irreführendes Verhalten des Moderators stellen wir klar in Abrede. Die weitere auf Mutmassungen beruhende Argumentation des Beanstanders vermag u.E. das Beispiel aus dem Kanton Aargau nicht zu entkräften.

Zu Punkt G:

Der Beanstander kritisiert, dass nicht noch mehr Aspekte zum Thema Via sicura in der Sendung behandelt wurden. Gerne würden auch wir die einzelnen Themen jeweils noch stärker vertiefen. Es ist aber einerseits eine Frage der uns zugeteilten Sendezeit und andererseits die Frage, ob die Mehrheit der Zuschauer wirklich so viel Fachexpertise zum jeweiligen Thema hören will. Wir weisen aber entschieden den Vorwurf zurück, dass unsere Berichterstattung deshalb undifferenziert war. Vor allem aber hatte der Studiogast Fabio Regazzi acht Minuten Sendezeit, um sämtliche Kritikpunkte zu kontern und seine Initiative einem breiten Publikum zu präsentieren.

Fazit:

Wir sind der Meinung, sachgerecht und zurückhaltend über eine in sich emotionale Thematik berichtet zu haben. Der Zuschauer konnte sich jederzeit aufgrund des Bei­trags sowie des anschliessenden Gesprächs eine umfassende eigene Meinung bil­den. Unsere Berichterstattung war weder undifferenziert, noch irreführend und auch nicht tendenziös. Wir sehen daher keinen Anlass, wie vom Beanstander gefordert, eine Berichtigung zu publizieren.

In diesem Sinne bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Casanova, die Beanstandung abzuweisen.“

  1. Soweit die Stellungnahme des Redaktionsleiters der „Rundschau“. Herr Mario Poletti argumentiert ausführlich, warum seiner Meinung nach Ihre Beanstandung abgewie­sen werden soll.

Geht es nun um meine eigene Beurteilung, so stelle ich fest, dass bezüglich Sicher­heit im Strassenverkehr in der „Rundschau“ vom 6. Mai zwei Beiträge gesendet wurden. In einem Filmbericht wurde die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Polen thematisiert. Im zweiten Beitrag wurde ein längeres Gespräch zwischen Mode­rator Sandro Broz und Nationalrat Fabio Regazzi über seine parlamentarische Initia­tive „Via Sicura. Rasche Beseitigung der Exzesse und unerwünschte Nebeneffekte des Raserdelikts“ gesendet.

Es handelte sich um zwei unterschiedliche Themen. Sie hatten aber etwas Gemein­sames: Im Fokus sowohl des Filmberichtes über Polen wie auch des Gesprächs mit Nationalrat Regazzi stand nicht „Via Sicura“ als solche, sondern lediglich das so genannte „Rasergesetz“ im Vordergrund.

Sie monieren nun, dass die Berichterstattung undifferenziert gewesen sei. Insbeson­dere hätte die Sendung gezielte Irreführungen enthalten und grundlegende Tatsa­chen grob ausgelassen. Zudem sei die Interviewführung von Sandro Broz mit Herrn Regazzi stark tendenziös gewesen. Dem unvoreingenommenen Zuschauer sei es nicht möglich gewesen, sich eine objektive Meinung über seine parlamentarische Initiative zu bilden. In sieben Punkten begründen Sie sehr umfassend und präzis Ihre Kritik.

Aus der Sicht der Ombudsstelle geht es vor allem darum, folgende drei Fragen zu beantworten:

  1. War es richtig, in der Moderation zu behaupten, dass „Via Sicura“ bezüglich der starken Abnahme der Anzahl Toten im Strassenverkehr eine Erfolgsge­schichte sei?
  2. War es zulässig, Nationalrat Regazzi vorzuwerfen, er wolle das Gesetz gegen Raser „schon wieder kippen“?
  3. Konnte Nationalrat Regazzi trotz Interviewführung von Sandro Broz das Publikum über seine parlamentarische Initiative umfassend genug informieren, damit es sich eine eigene Meinung bilden konnte?

Was die erste Frage betrifft, ist es unbestritten, dass die Anzahl Todesopfer trotz wachsendem Verkehr in den letzten 15 Jahren markant abgenommen hat. In einer Graphik zeigte die Rundschau die entsprechende Statistik. Im Jahr 2000 wurden im Strassenverkehr 592 Todesopfer verzeichnet. „Dank Präventionsmassahmen waren es 12 Jahre später noch knapp die Hälfte“ (339). Seit Anfang 2013 gelte neu „Via Sicura“, das Verkehrssicherheitsprogramm des Bundes. Im Jahr 2013 gab es 269 Todesfälle und letztes Jahr 240. Auf Grund dieser Entwick­lung kam der Moderator zum Schluss, dass „Via Sicura eine Erfolgsgeschichte“ sei.

Die in der Rundschau wiedergegebene Anzahl Verkehrstote in der Schweiz ent­spricht genau den durch das Bundesamt für Statistik sowie das Bundesamt für Stras­sen erhobenen Daten. Doch die Aussage in der Anmoderation, wonach diese erfreu­liche Entwicklung einzig „dank Präventionskampagnen“ sowie dank der Einführung von „Via Sicura“ entstanden ist, greift zu kurz und ist zumindest gewagt. Sowohl das BfS wie auch das ASTRA betonen in ihren Berichten, dass auch andere Faktoren – insbesondere die Verbesserungen bei den Fahrzeugen bezüglich Sicherheit sowie auch bei der Strasseninfrastruktur – ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Um daraus richtige Schlussfolgerungen zu ziehen, müssen Statistiken öfters interpre­tiert werden. Zwar – wie in der Anmoderation unterstrichen – schreibt auch das Bundesamt für Statistik in seinem Bericht 2013, dass „alle 33 Stunden [...] ein Mensch auf Schweizer Strassen“ stirbt. Gegenüber 2012 ging die Anzahl tödlich Verunfallter um 21 Prozent zurück, „was die höchste je gemessene prozentuale Ab­nahme innerhalb eines Jahres“ bedeutet. „Dazu beigetragen hat nebst Verbesserun­gen in der Verkehrssicherheit auch das Ausbleiben eines Extremereignisses, wie es im Jahr 2012 das Busunglück in Siders mit 28 Toten darstellte. Ausserdem dürften die oft ungünstigen Witterungsbedingungen im Jahr 2013 den Gebrauch von Fahr- und Motorrädern stark eingeschränkt haben: Bei diesen beiden Verkehrsmitteln fiel der Rückgang der Todesopfer besonders deutlich aus“, ist im Bericht des BfS zu lesen. Davon war in der Rundschau kein Wort zu hören. Als Ursache wurden ledig­lich „Via Sicura“ und vor allem die strengen gesetzlichen Bestimmungen gegen zu hohe Geschwindigkeiten angegeben.

Anders als Sie bestreite ich nicht, dass auch die mit „Via Sicura“ eingeführten Mass­nahmen zu einer Erhöhung der Strassenverkehrssicherheit geführt haben. In diesem Sinne kann man durchaus von „Erfolgsgeschichte“ sprechen. Doch indem die ande­ren Faktoren verschwiegen wurden, war die Berichterstattung mangelhaft und einsei­tig.

„Via Sicura – das ist eine Erfolgsgeschichte. Dazu gehören auch härtere Massnah­men gegen Raser. Jetzt wollen bürgerliche Politiker dieses Gesetz schon wieder kippen – es sei unverhältnismässig“, sagte Sandro Brotz wortwörtlich in der Anmo­deration. Auch im Gespräch mit Herrn Regazzi wiederholte der Moderator diese schwerwiegende These mehrmals.

Laut Duden bedeutet das Verb „kippen“ in der Umgangssprache vorwiegend „zurück­ziehen, zurücknehmen, rückgängig machen, zum Scheitern bringen“. Als Synonym erwähnt der Duden unter anderem die Verben „absetzen, entfernen, stürzen sowie suspendieren“. Für das Publikum entstand somit der falsche Eindruck, wonach Nationalrat Regazzi das Rasergesetz als solches abschaffen möchte.

Dies entspricht aber weder dem Inhalt noch der Begründung des Vorstosses. Zwar schlägt Herr Regazzi in seiner parlamentarischen Initiative die Senkung der Ausweis­entzugsdauer bei schweren Zuwiderhandlungen von mindestens zwei Jahren auf mindestens sechs Monate und die Aufhebung der Minimalfreiheitsstrafe von einem Jahr vor. Dies ist aber nur ein Teil der Bestimmungen gegen Raserei. Zudem begrün­det er seine Vorschläge mit seiner Sorge, den Gerichten den Spielraum zurückzu­geben, die Sanktionen den konkreten Umständen anzupassen.

Dass das Bundesgericht die Möglichkeit einer Güterabwägung über die Umstände eines Raserdelikts ausschliesst, wurde in der Sendung nicht erwähnt. Denn am 20. November 2014 hat das Bundesgericht eine Beschwerde des Bundesamtes für Strassen gutgeheissen. Es kommt zum Schluss, der Gesetzgeber habe entschieden, dass jeder Lenker als „Raser“ einzustufen ist, der die zulässige Höchstgeschwindig­keit um das festgelegte Mass überschreitet. Für eine einzelfallweise Risikobeur­teilung besteht somit für den Richter kein Spielraum, was für Herrn Regazzi und 37 weitere Parlamentarier als unverhältnismässig einzustufen sei. Einen Hinweis auf den Entscheid des Bundesgerichtes wäre für die Beurteilung der Initiative von Herrn Regazzi wichtig gewesen. In jedem Fall kann von „Kippen“ des ganzen Gesetzes nicht die Rede sein.

Sie monieren auch das Gespräch zwischen Sandro Brotz und Nationalrat Fabio Regazzi und erachten die Interviewführung des Moderators als „grösstenteils stark tendenziös“. Ihre Kritik kann ich durchaus nachvollziehen. Bereits die erste Behaup­tung von Herrn Brotz gegenüber Herrn Regazzi – „Sie wollen wieder polnische Verhältnisse in der Schweiz“ – ist als unsachliche Provokation zu werten. Während des ganzen Gesprächs versuchte Herr Brotz, Nationalrat Regazzi mit seinen Fragen in die Ecke zu treiben und seinen Vorwurf, wonach er das Rasergesetz kippen wolle, zu bestätigen.

Man muss aber berücksichtigen, dass die Medienfreiheit Journalisten weiten Spiel­raum bei der Fragestellung lässt. Laut Bundesgericht darf die journalistische Freiheit und Spontaneität auch in Studiogesprächen nicht verloren gehen. Provokative, stil­lose oder auch sachlich deplatzierte Fragen begründen alleine noch keine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebotes, es sei denn, die Meinungsbildung des Publikums zum relevanten Beitragsthema als Ganzes werde dadurch erheblich beeinflusst.

War dies vorliegend der Fall? Diese Frage abschliessend zu beantworten, ist nicht einfach. Zwar hatte der Tessiner Nationalrat durchaus die Möglichkeit, seine Sicht der Dinge zu äussern sowie Sinn und Zweck seiner parlamentarischen Initiative – wenn auch lediglich summarisch – zu erwähnen.

Doch Herr Regazzi musste stets aus der Defensive argumentieren und die Unterstel­lungen des Moderators korrigieren und negieren. Die Initiative, welche praktisch nur Verhältnismässigkeit und Ermessensspielraum für Richter fordert (ein Grundpfeiler der Justiz!) wurde so dargestellt, als ob danach Raser keine Strafe mehr befürchten müssten. Mit der Einspielung der tragi­schen Sequenz einer Mutter, die ihre Tochter durch einen von einem Raser verur­sachten Verkehrsunfall verloren hat, hat das Gespräch die reine sachliche Ebene verlassen und wurde besonders emotional. Durch diese Interviewführung wurde das Publikum durchaus beeinflusst und Herr Regazzi gezwungen, anstatt inhaltlich zum Thema zu argumentieren, sich quasi ständig zu entschuldigen. Ich bin deshalb nicht sicher, ob Zuschauerinnen und Zuschauer genügend über die parlamentarische Initiative von Herrn Regazzi informiert wurden.

Aus all diesen Überlegungen gelange ich zur Auffassung, dass das Publikum über das behandelte Thema nicht differenziert und sachlich genug informiert wurde, um sich eine umfassende eigene Meinung bilden zu können. Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, erachte ich deshalb insgesamt als teilweise berechtigt.

  1. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Mög­lichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

** http://www.duden.de/rechtschreibung/kippen_umfallen

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