«Kassensturz»-Beitrag «Parteien im Konsumenten-Check» beanstandet (Teil II)
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Sehr geehrte Frau Nationalrätin Rickli, sehr geehrter Herr Nationalrat Rutz
Mit Ihrem Brief vom 16. September 2015 haben Sie den Beitrag „Parteien im Konsumenten-Check: Diese fallen durch“ in der Sendung „Kassensturz“ vom 15. September beanstandet. Nachdem ich die Stellungnahme der Verantwortlichen von SRF erhalten habe und die Angelegenheit studieren konnte, kann ich Ihnen heute meinen Schlussbericht senden.
1. Sie begründen Ihre Beanstandung wie folgt:
1. Sachverhalt / Begründung
Die Sendung Kassensturz ist gemäss eigener Aussage ein „Magazin für Konsum, Geld und Arbeit" und hat sich Fragen des Konsumentenschutzes verschrieben. Die Redaktion weist regelmässig auf Missstände in der Wirtschaftswelt hin und will Fälle aufdecken, wo Gesetze nicht eingehalten oder Kunden unkorrekt behandelt werden. Gerade weil die redaktionellen Beiträge die betroffenen Akteure regelmässig mit harten Vorwürfen konfrontieren oder gar auf (nach Auffassung der Redaktion) gesetzeswidrige Ereignisse hinweisen, sind eine saubere Aufarbeitung und sachliche Darstellung der Inhalte sowie eine ausgewogene Berichterstattung zwingend.
Die erwähnte Sendung vom 15. September widmet sich jedoch nicht einem konkreten Vorfall, sondern will die politische Positionierung der Fraktionen im Bundeshaus beleuchten. Die Sendung beginnt mit dem Hinweis, die Redaktion staune immer wieder „über Politiker, welche bei wichtigen Fragen alle möglichen Interessen vertreten, nur nicht diejenigen der Konsumenten". Die Redaktion habe „fünf Abstimmungen ausgewählt", um die Konsumentenfreundlichkeit von Politikern und Parteien zu testen. Es gehe hier um „das Recht und das Portemonnaie" der Konsumenten.
Die Kassensturz-Redaktion will den Zuschauern also erklären, welche Politiker und Parteien nach ihrer Einschätzung konsumentenfreundlich sind und welche nicht – sie will also eine politische Einschätzung vermitteln.
Damit greift die Sendung „Kassensturz" in der Schlussphase des Wahlkampfs in die politische Debatte ein – und zwar nicht in neutraler Art und Weise als Berichterstatter, sondern indem die Redaktion Einschätzungen (und damit implizite Empfehlungen) im Hinblick auf die anstehenden Parlamentswahlen formuliert. Es wird explizit auf die bevorstehenden Parlamentswahlen vom 18. Oktober hingewiesen: Der Moderator fordert die Zuschauer auf, die Faust aus dem Sack zu nehmen, sondern von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und an den Wahlen teilzunehmen.
Gleichzeitig ist auf der SRF-Webslte ein direkter Link auf die Wahlempfehlungen der Stiftung für Konsumentenschutz (http://www.srf.ch/koosum/themen/konsum/die-wahlhllfen-fuer konsumenten) aufgeschaltet.
Gerade in einem Wahljahr ist es von höchster Bedeutung, die unterschiedlichen Meinungen und politischen Lager gleichwertig und verständlich abzubilden, damit jeder Zuschauer in der Lage ist, sich frei eine eigene Meinung zur Thematik zu bilden (vgl. Art. 4 Abs. 2 RTVG). Dies ist unseres Erachtens in dieser Sendung verschiedentlich nicht geschehen: Die Wertungen und Einschätzungen der Redaktion waren einzige Richtschnur, während anderslautende Einschätzungen (vgl. z.B. das Votum von Nationalrat Thomas Aeschi gegen Schluss des Beitrags) als falsch abgetan wurden.
Gleichzeitig wurde die politische Haltung der bürgerlichen Parteien – namentlich der SVP – mehrfach als „konsumentenfeindlich" abqualifiziert, was im vorliegenden Kontext als eindeutige Empfehlung im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen verstanden werden muss.
2. Verletzung des Vielfaltsgebots
Das Vielfaltsgebot (vgl. Art. 4 Abs. 4 RTVG) wurde in der angesprochenen Sendung dahingehend verletzt, als dass die Auswahl und die Kommentierung der fünf portraitierten Abstimmungen äusserst einseitig erfolgte.
Die Sendung befasste sich mit Abstimmungen und Vorlagen zur Verlängerung der Garantiefristen, zur Revision des Versicherungsvertragsgesetzes, mit Roaming-Tarifen, der Frage der „Hochpreisinsel" Schweiz sowie mit der Revision des Kartellgesetzes. Nur schon die Tatsache, dass alleine der Nationalrat in der vergangenen Legislatur über 5'000 Abstimmungen zu bewältigen hatte, zeigt, dass die zufällige Auswahl von fünf Abstimmungen nicht repräsentativ ist.
Andere Abstimmungen und Vorlagen, welche die Konsumenten ebenfalls direkt betreffen, hat die Redaktion konsequent ausgeblendet. Beispielsweise wäre auch das Abstimmungsverhalten der Fraktionen zu folgenden Vorlagen für Konsumenten interessant gewesen:
- Verkaufsverbot für bestimmte Produkte zu gewissen Zeiten in Tankstellen-Shops (Arbeitsgesetz)
- Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten
- Erhöhung des Preises für die Autobahnvignette (finanzielle Mehrbelastung)
- Alkoholgesetz : Anträge auf staatlich vorgeschriebene Mindestpreise, Verkaufsverbote und ein Verbot von „Happy Hours"
- Einführung der Mediensteuer (alle müssen bezahlen – auch jene, die gar nichts konsumieren)
- Kürzung des Pendlerabzugs (finanzielle Mehrbelastung)
Die Redaktion stellte sich auf den Standpunkt, wer nicht in ihrem Sinne gestimmt habe, handle gegen die Interessen der Konsumenten. Dies kam in etlichen Kommentaren klar zum Ausdruck:
„Einzig die SVP stellte sich gegen die Konsumenten und schützte so einseitig die Interessen der Industrie." (betr. Verlängerung der Garantiefristen)
„58 Politiker der SP und der Grünen setzten sich für konsumentenfreundlichere Verträge ein. Doch eine bürgerliche Mehrheit sicherte der Versicherungsbranche hohe Erträge auf Kosten der Versicherten. " (betr. Versicherungsverträgen)
„Rechtsbürgerliche Parlamentarier blocken: Der Konsument solle sich halt anpassen. (.„) Doch 99 Parlamentarier schützten ausländische Grosskonzerne zum Nachteil der Konsumenten: SVP und BDP einstimmig, die Grünen mehrheitlich." (betr. Kartellgesetz)
Diese Kommentare zeigen deutlich: Es handelt sich hier nicht lediglich um die objektive Abbildung des jeweiligen Stimmverhaltens, sondern um eine explizite Wertung und Einordnung der jeweiligen politischen Positionen. Kommt hinzu: Die eingeblendeten Übersichten und die Kommentare stimmen teilweise nicht mit den tatsächlichen Abstimmungsergebnissen überein (siehe unten, Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots).
Der Schluss der Redaktion fiel eindeutig aus: „Mehrere Auswertungen von Abstimmungen zeigen: Die SVP Ist die konsumentenfeindlichste Partei."
Die Erklärung von Nationalrat Thomas Aeschi, welcher die Sicht der SVP darlegte, wurde in abfälliger Weise als falsch abgetan: „Von wegen konsumentenfreundlich! Tatsache ist: Bel Abstimmungen im Interesse der Konsumenten stimmte die SVP seit Jahren dagegen."
Zweifellos mussten die Zuschauer diese Folgerung dahingehend verstehen, dass man die SVP am 18. Oktober nicht wählen kann, wenn einem die Interessen der Konsumenten am Herzen liegen. Bemerkenswert ist auch, dass in der hier zitierten Schlussanalyse einzig die SVP bewertet wurde – das Stimmverhalten anderer Parteien wurde nicht kommentiert.
3. Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots
Abgesehen von der einseitigen Kommentierung der willkürlich ausgewählten fünf Vorlagen, wurden auch Fakten und Zahlen nicht korrekt wiedergegeben. Verschiedentlich wurden Abstimmungen falsch ausgewertet bzw. die Abstimmungsresultate fehlerhaft oder unvollständig wiedergegeben.
Ein Beispiel hierfür ist die Abstimmung betr. Eintreten zum Kartellgesetz. Der Kommentar in der Sendung lautete:
„(.„) Doch 99 Parlamentarier schützten ausländische Grosskonzerne zum Nachteil der Konsu menten: SVP und BDP einstimmig, die Grünen mehrheitlich."
Wie selbst der Grafik, welche auf der Sendungswebsite aufgeschaltet ist, entnommen werden kann, trifft diese Aussage nicht zu.
Aber auch die Grafik ist falsch:
- Erstens handelte es sich hierbei nicht um eine Schlussabstimmung (sondern um Eintreten).
- Zweitens stimmten gemäss Abstimmungsprotokoll der eidg. Räte SVP und BDP einstimmig Nein, die Grünen mehrheitlich Nein. Die CVP war in dieser Frage gespalten (15 Ja, 12 Nein, 2 Enthaltungen), was in der Berichterstattung nicht erwähnt wurde. Ein substantieller Teil der Nein-Stimmen stammte sodann aus den Reihen von SP (10) und FDP (6), was ebenfalls unerwähnt blieb.
- Aufgrund des eingeblendeten Sitzplans sind die Stimmbürger kaum in der Lage eine Meinung über das Stimmverhalten ihrer Vertreter zu machen, da die angesprochene Grafik nicht mit der wirklichen Sitzordnung im Nationalrat übereinstimmt. Ein Beispiel ist der auf obiger Grafik leere Platz des Rechtsunterzeichnenden (Gregor Rutz), welcher jedoch bei der Abstimmung anwesend war. In der Kommentierung der Abstimmung zu Art. 210 OR (Pa.Iv. Leutenegger Oberholzer, Verlängerung der Garantiefristen) hiess es: „Einzig die SVP stellte sich gegen die Konsumenten und schützte so einseitig die Interessen der Industrie." Dass bei dieser Abstimmung auch 5 Vertreter der CVP Nein stimmten und sich 7 Vertreter aus CVP, FDP und BOP der Stimme enthielten, blieb unerwähnt
- Kurzum: Es besteht der berechtigte Verdacht, dass die Resultate der ausgewählten Abstimmungen absichtlich so portraitiert und kommentiert worden sind, dass sie auf die Schlussfolgerung („SVP ist konsumentenfeindlich") passen. Die Anforderungen einer sachlichen, ausgewogenen Berichterstattung wurden in dieser Sendung mehrfach nicht eingehalten – ein in der Schlussphase des Wahlkampfs schwerwiegender Befund.
Aufgrund all dieser Überlegungen stellen Sie folgendes Rechtsbegehren:
„Es sei festzustellen, dass die Fernsehsendung ‚Kassensturz’ vom 15. September 2015 mit dem Beitrag ‚Parteien im Konsumenten-Check: Diese fallen durch’ die Art. 4 Abs. 2 und Abs. 4 RTVG sowie Art. 2 Abs. 4 lit. a der SRG-Konzession verletzt hat.“
2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Herr Wolfgang Wettstein, Redaktionsleiter „Kassensturz/Espresso“, schreibt dabei Folgendes:
„Zur Beanstandung von Nationalrätin Natalie Rickli und Nationalrat Gregor Rutz gegen die «Kassensturz»-Sendung ‚Parteien im Konsumenten-Check’ vom 15. September 2015 nehme ich gerne Stellung.
1. Mit dem Beitrag ‚Parteien im Konsumenten-Check’ wollte «Kassensturz» wissen, wie das Parlament in der letzten Legislatur über fünf wichtige Konsumentenschutz-Themen abgestimmt hat, Themen, über die «Kassensturz» immer wieder berichtet. Die Themen sind für Konsumenten relevant und breit gefächert: Roamingtarife, Garantiefristen, Kampf gegen die Hochpreisinsel, Deklaration von Lebensmitteln und besserer Kundenschutz bei Versicherungsverträgen. Dies gehört auch – und gerade vor den Wahlen – zu unserem Informationsauftrag.
Entgegen der Meinung der Beanstander darf und soll «Kassensturz» die politische Positionierung der Fraktionen zu Konsumentenschutzthemen beleuchten. Auch vor Wahlen.
Das Ergebnis war interessant: Die SP stimmte immer für Konsumenteninteressen, FDP, Grüne, CVP, Grünliberale und BDP stimmten mal für und mal gegen Konsumenteninteressen. Auffallend jedoch war, dass die SVP fast immer gegen Konsumenteninteressen gestimmt hat. Mit diesem Befund hat «Kassensturz» aber nicht gegen das Ausgewogenheitsprinzip verstossen. Die Fakten stimmen, «Kassensturz» hat sie transparent dargelegt. Im Beitrag kamen zu den einzelnen Geschäften jeweils Politiker zu Wort, auch SVP-Politiker, die ihre Argumente vorbringen konnten. Thomas Aeschi konnte sein bestes Argument im «Kassensturz» präsentieren. Mit der Aussage ‚von wegen konsumentenfreundlich’ zog «Kassensturz» ein pointiertes Fazit am Ende des Beitrages. Im Hinblick auf die gebotene Zurückhaltung vor Wahlen war die Formulierung möglicherweise etwas gar zugespitzt. Die Zuschauer kennen «Kassensturz» aber als Sendung, die deutlich ihre Meinung vertritt und sich anwaltschaftlich auf die Seite der Konsumenten schlägt. Dieses Sendekonzept wurde vom Bundesgericht mehrfach geschützt. «Kassensturz» darf Partei ergreifen. Dieses pointierte Fazit am Schluss des Beitrags verstösst meiner Meinung nach nicht gegen die Konzession. Denn für die Zuschauer war klar, dass es sich um eine Wertung von «Kassensturz» handelt. Sie konnten sich eine eigene Meinung bilden. Das Sachgerechtigkeitsgebot wurde in jedem Fall eingehalten, weil die Fakten stimmen.
«Kassensturz» hat im Beitrag auch keine Wahlempfehlung abgegeben, sondern in Übereinstimmung mit dem Sendekonzept lediglich anhand des Abstimmungsverhaltens zu relevanten Konsumentenschutzthemen die Konsumentenfreundlichkeit der Parteien untersucht. Dies als Wahlempfehlung zu verstehen, wäre etwa so, wie wenn «Kassensturz» einer Kaufempfehlung beschuldigt würde, weil er bei einem Produktetest mit transparenten Kriterien den Testsieger wie auch die Verlierer des Tests nennt.
«Kassensturz» hat auf seiner Webseite für diejenigen Nutzerinnen und Nutzer Links auf externe Wahlhilfen aufgeschaltet, ‚die nicht nach Partei, sondern nach dem Kriterium der Konsumenten-Freundlichkeit die Nationalräte seines Kantons auswählen wollen’. Hier ist das gemeinsame Parlamentarier-Rating von FRC, ACSI und SKS enthalten – aber nicht nur. Wir haben ebenso auf die Wahlhilfen von der Allianz der Umweltverbände sowie auf das Rating der Sendung ‚Eco’ verlinkt. Es stimmt also nicht, wie die Beanstander insinuieren, dass «Kassensturz» der SKS eine exklusive Plattform gegeben hat.
2. Auch der Vorwurf der Beanstander, wir hätten das Vielfaltsgebot verletzt, weil die portraitierten Abstimmungen äusserst einseitig erfolgt seien, zielt ins Leere. «Kassensturz» hat strikt Konsumentenschutz-Themen herausgegriffen, über die wir immer wieder berichten. Es sind für Konsumenten relevante Abstimmungen. Das Bild, wonach die SVP am häufigsten gegen Konsumenteninteressen stimmt, würde sich auch dann nicht ändern, wenn wir sämtliche Abstimmungen zu Konsumentenschutz-Themen behandelt hätten. K-Tipp, mit dem «Kassensturz» seit Jahren nicht mehr zusammenarbeitet, hat 22 Abstimmungen ausgewertet. Und kam zum gleichen Ergebnis. Ebenso die Konsumentenorganisationen FRC, ACSI und SKS, die zusammen 40 Abstimmungen ausgewertet haben. In allen Ratings zum Abstimmungsverhalten bei Konsumentenschutz-Themen schnitt die SVP deutlich am schlechtesten ab. Deshalb war auch unsere Auswahl von fünf Abstimmungen repräsentativ.
Wir haben andere Abstimmungen, wie sie die Beanstander aufführen, nicht bewertet, weil sie keine klassischen Konsumentenschutz-Themen behandeln. Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten oder ein Verkaufsverbot von bestimmten Produkten zu gewissen Zeiten in Tankstellen-Shops schützen die Konsumenten nicht, belasten höchstens die Arbeitnehmer. Die Erhöhung des Preises für die Autobahnvignette hätte zwar den Autofahrer belastet, ihn aber als Steuerzahler gleichzeitig wieder entlastet. «Kassensturz» hat sich auf relevante Themen beschränkt, über die «Kassensturz» immer wieder berichtet und bei denen es eindeutig ist, welches Abstimmungsverhalten konsumentenfreundlich ist und welches nicht.
Die Beanstander bemängeln, dass «Kassensturz» das Abstimmungsverhalten gewertet und eingeordnet hat. Aber das darf die Sendung. Für die Zuschauer war deutlich, dass «Kassensturz» eine Wertung vornimmt. Und mit Verlaub: Nach 41 Jahren auf Sendung kann «Kassensturz» mit Recht von sich behaupten, zu wissen, was konsumentenfreundlich ist und was nicht. Das Fazit, wonach die SVP die konsumentenfeindlichste Partei ist, ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern anhand der fünf Abstimmungen transparent dargelegt worden.
Es stimmt nicht, dass «Kassensturz» ‚einzig die SVP bewertet’ hat. Wir haben das Abstimmungsverhalten aller Parteien in Fraktionsstärke grafisch dargestellt. Es ist nun einmal so, dass die SVP am konsumentenfeindlichsten abgestimmt hat. Auch wenn wir dutzende weitere Abstimmungen zu Konsumentenschutzthemen berücksichtigt hätten, hätte sich an dieser Aussage nichts geändert.
3. Die Beanstander werfen «Kassensturz» vor, fehlerhaft oder unvollständig berichtet zu haben. Diese Kritik können wir nicht nachvollziehen.
Die Aussage ‚99 Parlamentarier schützen ausländische Grosskonzerne zum Nachteil der Konsumenten: SVP und BDP einstimmig, die Grünen mehrheitlich’ trifft zu. Auf der Grafik war zu erkennen, dass Grünliberale, SP, FDP und CVP mehrheitlich für die Revision des Kartellgesetzes stimmten. Mehrheitlich heisst per Definition, dass mehr als die Hälfte der Räte einer Partei zugestimmt haben. Das war auch bei der CVP der Fall, allerdings knapp. Anhand der Grafik konnten sich die Zuschauer aber ein eigenes Bild machen. Sie sahen, dass es auch bei der CVP, bei der SP und FDP viele Stimmen gegen das Kartellgesetz gab.
Der Begriff ‚Schlussabstimmung’ bedeutet normalerweise etwas anderes. Da haben die Beanstander Recht. Aber es war die letzte Abstimmung von vielen Abstimmungen zum Kartellgesetz in der vergangenen Legislatur. Deshalb die etwas missverständliche Bezeichnung. Es wäre besser gewesen, ‚Letzte Abstimmung’ zu schreiben.
Der eingeblendete Sitzplan hat nicht die wirkliche Sitzordnung im Nationalrat abgebildet, sondern schematisch die Parteien dargestellt. Wenn alle anwesenden SVP-Parlamentarier gegen Konsumenteninteressen gestimmt haben, haben wir das mit der entsprechenden Anzahl roter Punkte am rechten Rand dargestellt. Es wurde in der Sendung explizit darauf hingewiesen, dass man ergänzend zum Beitrag online detaillierte Informationen zu diesen Abstimmungen findet, um sich selbst ein noch genaueres Bild zu machen. Es wird kaum ein Stimmbürger wissen, wo genau sein Vertreter im Parlament sitzt. Wer nachsehen will, wie sein Vertreter abgestimmt hat, kann das auf der «Kassensturz»-Onlineseite tun. Das haben wir in der Abmoderation gesagt.
Auch die Aussage stimmt, dass sich ‚einzig die SVP’ beim Thema längere Garantiefristen gegen die Konsumenten gestellt hat. Sie stimmte als Partei geschlossen dagegen. Im Filmkommentar ergänzten wir aber noch und sagten: ‚Und ein paar Abweichler der CVP.’ Zudem konnten die Zuschauer auf der Grafik deutlich sehen, dass es noch fünf weitere Parlamentarier neben der SVP gab, die gegen längere Garantiefristen stimmten.
Zu ergänzen ist noch, dass «Kassensturz», weil die Sendung für viel Gesprächsstoff gesorgt hatte, das Thema eine Woche später nochmals vertieft hat. Wir haben ein Streitgespräch mit Beanstander Gregor Rutz und Prisca Birrer-Heimo durchgeführt zur Frage, welche Partei am konsumentenfreundlichsten ist.
Fazit: «Kassensturz» hat vor den Wahlen die Parteien nach ihrem Abstimmungsverhalten zu Konsumentenschutzthemen bewertet. Das ist legitim und sinnvoll. Wir haben dies pointiert getan. Aber die Zuschauer kennen «Kassensturz» und wissen, dass die Sendung anwaltschaftlich ist und ihre Meinung pointiert vertritt. Die Zuschauer konnten sich eine eigene Meinung bilden, wie die zahlreichen Reaktionen zeigen, die «Kassensturz» widersprechen. Eine Verletzung der Konzession sehe ich nicht. Ich bitte Sie deshalb, Herr Casanova, die Beanstandung als unbegründet abzulehnen.“
3. Soweit die umfassende Stellungnahme des Redaktionsleiters von „Kassensturz“. Herr Wolfgang Wettstein begründet ausführlich, warum er beantragt, Ihre Beanstandung zurückzuweisen. Zwar gibt er einzelne Fehlleistungen zu – zum Beispiel bezüglich der „möglicherweise etwas gar zugespitzten“ Formulierung des negativen Kommentars zur Aussage von Herrn Nationalrat Aeschi –, doch er sieht im Beitrag keine Verletzung der Konzession. Sein Hauptargument: Die Fakten stimmen. „Die Zuschauer kennen ‚Kassensturz‘ als Sendung, die deutlich ihre Meinung vertritt und sich anwaltschaftlich auf die Seite der Konsumenten schlägt.“ Für die Zuschauer sei klar gewesen, dass es sich um eine Wertung von „Kassensturz“ handelte und konnten sich deshalb eine eigene Meinung bilden.
Ich könnte die Argumentationskette von Herrn Wettstein durchaus nachvollziehen, wenn es sich um eine übliche und nicht um eine Wahlsendung gehandelt hätte. Dies sollte unbestritten sein. Denn sowohl in der An- wie auch in der Abmoderation wurde explizit auf die Parlamentswahlen vom 18. Oktober hingewiesen. Zudem wurde der Beitrag lediglich etwas mehr als einen Monat vor den Wahlen ausgestrahlt. In anderen Worten, die Sendung fand in der so genannten „heissen Phase“ des Wahlkampfes statt.
Vorliegend – und dies scheint mir wichtig zu betonen – gilt es deshalb zu berücksichtigen, dass Sendungen im Vorfeld von Wahlen und Volksabstimmungen aus staatspolitischer Sicht heikel sind, weil sie unmittelbar die politische Meinungsbildung berühren. Der Europarat unterstreicht in einer Empfehlung an die Mitgliedsstaaten die Bedeutung der Medien und insbesondere auch der elektronischen Medien bei der Berichterstattung im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen.
Bei dieser Ausgangslage ist die Sicherung der politischen Meinungsbildung als wichtiges Element der Demokratie eine der Hauptaufgaben der rundfunkrechtlichen Programmaufsicht in der Schweiz. Entsprechend sorgfältig ist bei der Gestaltung von Ausstrahlungen vor Wahlen und Volksabstimmungen vorzugehen.
Die Informationsgrundsätze von Art. 4 RTVG bezwecken im Zusammenhang mit der Berichterstattung vor Wahlen und Volksabstimmungen primär, die Chancengleichheit zwischen den kandidierenden Personen bzw. Parteien vor Wahlen zu gewährleisten. Sendungen im Vorfeld vor Wahlen haben deshalb erhöhten Sorgfaltspflichten bezüglich Ausgewogenheit zu genügen. Dieser Grundsatz gilt für alle Sendungen von konzessionierten Veranstaltern und wird sowohl vom Bundesgericht wie auch von der Unabhängigen Beschwerdeinstanz UBI gefordert und findet seinen Einklang ebenfalls in den publizistischen Leitlinien von SRF.
Das Bundesgericht hat sogar mehrmals unterstrichen, dass im Vorfeld von Wahlen dem Vielfaltsgebot – welches sich primär auf die Programme in ihrer Gesamtheit bezieht – bereits im Rahmen einzelner Sendungen und Beiträgen Rechnung getragen werden muss. Bei solchen Sendungen – so das Bundesgericht – ist das Vielfaltsgebot auch direkt im Rahmen einzelner Sendungen von Bedeutung (Siehe BGE 138 I 107 E. 2.1F, BGE 136 I 167 E. 3.2.1 sowie BGE 134 I 2 E. 3.3.2.).
Bei dieser rechtlichen Ausgangslage hat die Ombudsstelle zu befinden, ob der Beitrag „Parteien im Konsumenten-Check: Diese fallen durch“ die verlangten erhöhten Sorgfaltspflichten bezüglich Ausgewogenheit für Sendungen im Vorfeld von Wahlen verletzt hat oder nicht.
In Ihrer Eingabe begründen Sie ausführlich, warum Ihrer Meinung nach dies eindeutig der Fall sei. Die Sendung habe sowohl das Vielfalts- wie auch das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt. Sie kritisieren zudem, dass sich die Sendung in der Schlussphase des Wahlkampfes in die politische Debatte einmischt und „implizite Empfehlungen“ für die Wahlen abgegeben hat.
Eine Vorbemerkung scheint mir deshalb wichtig zu sein. Im „Kassensturz“ vom 15. September ging es um die Frage, welche Partei am häufigsten gegen die Interessen der Konsumenten stimmt. Anhand von fünf Abstimmungen der vergangenen Legislaturperiode wurde die SVP als die konsumentenfeindlichste Partei bestimmt. Wie in Kassensturz üblich, erstellte die Redaktion für die Beantwortung dieser politischen Frage eine „Rangliste“.
Dies soll nicht überraschen. Seitdem im Parlament die elektronische Abstimmung eingeführt wurde, betrifft das journalistische Mittel des „Ranking“ immer mehr auch die Haltung der einzelnen Parlamentarier zu den verschiedenen politischen Themen. Das Parlament war sich dieser Folge bewusst, als es sich nach langen und kontroversen Diskussionen für mehr Transparenz dank elektronischer Abstimmung entschieden hatte. Im Hinblick auf die Wahlen vom 18. Oktober hat zum Beispiel die Zeitschrift „Bilanz“ die Rangliste der wirtschaftsfreundlichsten Nationalräte publiziert, die Sendung ECO die Liste der Parlamentarier, die eher für Regulierungen und gegen unternehmerische Freiheiten gestimmt haben, und die Stiftung für Konsumentenschutz hat analysiert, welche Parteien und welche Parlamentarier die Anliegen der Konsumenten unterstützen.
Auch wenn ein solches „Ranking“ die politische Positionierung der Fraktionen und der einzelnen Parlamentarier beleuchtet – und somit eine politische Einschätzung ermöglicht –, ist eine derartige Analyse grundsätzlich zulässig. Im Rahmen seines Informationsauftrags hat „Kassensturz“ zu Recht die Frage der Haltung der Parteien bei Konsumentenschutzthemen behandelt. Voraussetzung dafür ist aber, dass im Vorfeld einer Wahl die erhöhten Sorgfaltspflichten bezüglich Ausgewogenheit respektiert werden.
In dieser Hinsicht, nachdem ich die Angelegenheit analysieren konnte, gelange ich in Bezug auf „Kassensturz“ vom 15. September insbesondere zu folgenden Schlussfolgerungen:
Ausgewogenheit: Redaktionsleiter Wettstein betont mehrmals, dass „Kassensturz“ seine Meinung vertritt und sich anwaltschaftlich auf die Seite der Konsumenten schlägt. Seinem Wesen nach ist aber anwaltschaftlicher Journalismus nicht neutral, sondern nimmt Partei, versteht sich als Anwalt eines Anliegen – vorliegend des Konsumentenschutzes –, für das er Verständnis wecken will. Anwaltschaftlicher Journalismus ist als Bestandteil der Programmautonomie von Radio und Fernsehen als durchaus zulässig zu betrachten. Doch im Vorfeld einer Wahl genügt er den erhöhten Sorgfaltspflichten bezüglich Ausgewogenheit kaum. Dies ist im Konsumentencheck von Kassensturz eindeutig festzustellen. Die Haltung der Parlamentarier und der Parteien, welche den konsumentenfreundlichen Vorlagen zustimmen, wurden positiv gewürdigt, die Gegner dagegen stets mit negativen Bemerkungen versehen. Durch diese einseitige und unausgewogene Berichterstattung liegt deshalb eine Verletzung des Vielfaltsgebots bei Wahlsendungen vor.
Auswahl der Beispiele: Für den Bericht „Parteien im Konsumenten-Check“ hat „Kassensturz“ fünf Konsumentenschutzthemen gewählt. Es handelt sich um Vorlagen, welche dem Schutz der Konsumenten im engeren Sinn entsprechen. Ein wichtiges Kriterium scheint dabei zu sein, dass die Sendung immer wieder über diese Themen berichtet hatte. Kriterium und Auswahl können sicher kritisiert werden. Dies vor allem, wenn man einen Vergleich mit den 39 Abstimmungen im Nationalrat zieht, welche die Stiftung für Konsumentenschutz in ihrem Ranking berücksichtigt hat. Nebst eigentlichen Konsumentenschutzthemen im engeren Sinn findet man dabei auch Vorlagen wie das Präventionsgesetz, die Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur, das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen, Energiestrategie 2050 usw. Doch die Auswahl des Kassensturzes ist als Teil der Programmautonomie des Fernsehens zu verstehen. In diesem Sinne ist es als zulässig zu betrachten. Umso mehr, da auch die Stiftung für Konsumentenschutz zu den gleichen Schlussfolgerungen wie Kassensturz kommt, was die Haltung der Parteien, und insbesondere der SVP, zu den Anliegen der Konsumenten betrifft.
Sachgerechtigkeitsgebot: Analysiert man die Auswertung der fünf Abstimmungsresultate genau, stellt man verschiedene Ungenauigkeiten fest. Diese betreffen aber Detailfragen und sind nicht gravierend genug, um den Gesamteindruck wesentlich zu beeinflussen. Sie sind deshalb programmrechtlich nicht relevant. Bedeutender ist jedoch die Tatsache, dass die Berichterstattung auf die SVP fokussiert war. Aber dies gehört zu der unter „Ausgewogenheit“ erläuterten Einseitigkeit der Berichterstattung.
Stellungnahme: Es gehört zu den unbestrittenen journalistischen Pflichten, einer kritisierten Person oder Partei die Gelegenheit zu geben, Stellung zu beziehen. Dies ist vor allem unerlässlich, wenn es sich um eine Wahlsendung handelt. In der Sendung hatte zwar SVP-Nationalrat Thomas Aeschi die Gelegenheit, die Position seiner Partei kurz zu erläutern. Die SVP kämpft gegen Regulierungen und Bürokratie. Das führe zu tieferen Preisen. Die SVP betreibe deshalb konsumentenfreundliche Politik. Doch dem widersprach die Sprecherin: „Von wegen konsumentenfreundlich! Tatsache ist: bei Abstimmungen im Interesse der Konsumenten stimmte die SVP seit Jahren dagegen.“ Diese Formulierung ist nicht nur „möglicherweise etwas gar zugespitzt“, wie von Herrn Wettstein zugegeben, sondern in einer Wahlsendung schlicht inakzeptabel.
Wahlempfehlung: Noch gravierender scheint mir die Schlussbemerkung von Moderator Ueli Schmezer zu sein. Nachdem erneut unterstrichen wurde, dass die SVP immer gegen die Interessen von Konsumenten stimmt, während die anderen bürgerlichen Parteien sehr oft und die linken Parteien immer auf der Seite der Verbraucher stehen, verabschiedete sich der Moderator mit dem Hinweis, dass die Resultate für sich sprechen würden. Die Konsumenten hätten es „in der Hand“, die richtigen Politiker zu wählen. Damit wurde der Schritt von einer Wahlhilfe zu einer Wahlempfehlung eindeutig vollzogen, was im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen als besonders schwerwiegend zu werten ist.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass im Kassensturz vom 15. September die erhöhten Sorgfaltspflichten im Vorfeld von Wahlen mehrmals verletzt wurden. Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, beurteile ich deshalb als berechtigt.
4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 51A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.
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