«Espresso»-Beitrag über zu hohe Mietzinsen beanstandet

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Mit eingeschriebenem Brief vom 21. September 2015 beanstanden Sie im Namen des Hauseigentümerverbands Schweiz die Sendung „Espresso“ vom 8. September um 8.13 Uhr auf Radio SRF 1. Den Erhalt Ihrer Beanstandung habe ich mit meinem Brief vom 22. September bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von Radio SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kritisierte Sendung analysieren können. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie begründen Ihre Beanstandung wie folgt:

1.) Ausgangslage

Das Schweizer Radio SRF 1 sendete am 8. September 2015, um 8:13 Uhr, im Ge­fäss Espresso den Beitrag ‚Die Mehrheit der Mieter bezahlt zu viel‘. In diesem Bei­trag wurde gesagt, dass ‚zum Glück‘ die Mieterin allen Mut zusammen genommen habe und eine Mietzinsreduktion gefordert hat. Es wurde im Beitrag auch behauptet, dass Mieter Angst vor Konsequenzen hätten, wenn sie eine Mietzinsreduktion ver­langen. Zudem wurde auch, ohne Zahlen zu nennen, behauptet, dass viele Vermie­ter mit Schikanen drohen würden, wenn die Mieter eine Mietzinsreduktion einfordern. Es wurde nicht erwähnt, mit welchen ‚Schikanen‘ die Vermieter den Mietern angeb­lich androhen würden. Schliesslich kommt ein Rechtsberater des Schweizerischen Mieterverbands zweimal zu Wort.

2.) Unfair und unausgewogen

2.1.) Unfaire Beschuldigung
Nachdem der Hauseigentümerverband Schweiz schon in seiner letzten Beanstan­dung an die Ombudsstelle SRG vom 22. April 2015 gegen Radio SRF 1 monierte, dass von einem „Trick der Hauseigentümer bei Sanieren“ die Rede war und die Ombudsstelle dazu in seiner Würdigung vom 22. Mai 2015 ausführte „... Zu Recht wehren Sie sich gegen diese pauschale und negative Konnotation der Hauseigen­tümer. Doch für das breite Publikum handelt es sich lediglich um eine zugespitzte Formulierung, welche nicht geeignet ist, den Gesamteindruck der Berichterstattung wesentlich zu beeinflussen. ...“, wehrt sich der Hauseigentümerverband Schweiz nun erneut gegen eine pauschale Verunglimpfung der Vermieter. Im Beitrag wird vorge­bracht, dass die betreffende Mieterin „zum Glück“ allen Mut zusammen genommen und die Mietzinsreduktion eingefordert habe. Damit stellt sich der Beitrag Espresso des staatlichen Senders eindeutig auf die Seite der Mieter. Weiter wird behauptet, die Mieter hätten Angst vor Konsequenzen, wenn sie eine Mietzinsreduktion einfor­dern würden. Dies im Zeitalter der digitalen Überinformation, in der mit Hilfe auch der staatlichen Medien die grosse Mehrheit der Mieter (nicht aber die Vermieter) weitest­gehend über ihre Rechte informiert werden. Die Möglichkeit, dass viele Mieter keine Mietzinsreduktion einfordern, weil sie schlicht mit dem Preis-Leistungsverhältnis zu­frieden sind, wird völlig ausgeblendet und findet im Beitrag keine Erwähnung. Dabei ist gemäss M.I.S. Trend, Lausanne, März 2013 nach Aussagen der Mieter (!) das Preis-Leistungsverhältnis von Mietwohnungen im Kanton Waadt in 55 Prozent korrekt, in 16 Prozent günstig und 6 Prozent sehr günstig. Das ergibt 87 Prozent zufriedene Mieter. Ähnlich ist auch das Bild in Bezug auf den Kanton Zürich. Gemäss publitest – mafo concept, Zürich, Oktober 2012, halten 50 Prozent der Mieter das Preis-Leistungsverhältnis für gut und 38 Prozent sogar für sehr gut. Das ergibt 88 Prozent zufriedene Mieter. Kein Wort davon im Beitrag. Die Mehrheit der Mieter verlangt wohl deshalb keine Mietzinsreduktion, weil sie mit dem Preis-Leistungs­verhältnis zufrieden sind und nicht, weil – wie ohne Daten oder Grundlagen im Beitrag behauptet wird – sie Angst vor den Konsequenzen (welche?) haben. Zudem wird im Beitrag pauschal behauptet, dass viele Vermieter mit „Schikanen“ drohen würden, wenn eine Mietzinsreduktion eingefordert wird. Die SRF oder der Mieterver­band sollen dazu einmal Zahlen liefern. Solche pauschalen Äusserungen tragen nicht dazu bei, beim Publikum ein realistisches Bild darzustellen, sondern beeinflusst die Zuhörinnen und Zuhörer in ihrer Vorstellung. Auch diese pejorative Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage und auch im Beitrag wird kein Beispiel dazu genannt. Welche Schikanen? Einmal mehr werden den Vermietern/Eigentümern vom staat­lichen Radio ohne Grundlage Vorwürfe an den Kopf geworfen. In diesem Beitrag sind die pauschalen Beschuldigungen gegen die Vermieter durchaus für das breite Publi­kum geeignet, den Gesamteindruck der Berichterstattung wesentlich (negativ) zu beeinflussen. Es ist nicht rechtens, wenn die Vermieter sich immer und immer wieder vom staatlichen Radio solche negativen Behauptungen gefallen lassen müssen.
2.2.) Unausgewogene Berichterstattung
Doch damit nicht genug. Man kann einer Seite ja etwas (auch ohne Grundlage) vorwerfen, aber wenigstens sollte dieser Seite dann die Möglichkeit geboten werden, dazu Stellung zu beziehen. Während ein Rechtsberater des Schweizerischen Mieter­verbands zweimal zu Wort kommt, fehlt eine Stellungnahme des Hauseigentümer­verbands gänzlich. Und so sind sich im Beitrag alle einig, dass sich die Mieter dem Kampf gegen die Vermieter stellen müssen. Insbesondere das Mietrecht ist ein sehr komplexes Thema und Kernthema beider Interessenvertreter, nämlich des Mieter­verbands sowie des Hauseigentümerverbands. Diese zwei Partner stehen sich denn auch regelmässig auf nationaler sowie regionaler Ebene in diesem Sachbereich ge­genüber. Kommt stets nur eine Partei zu Wort, so ist die Berichterstattung zwingend unausgewogen und beeinflussend.

3.) Fazit

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Berichterstattung von Radio SRF 1 im erwähnten Beitrag unfair, unausgewogen und beeinflussend erfolgte.

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von Radio SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Wolfgang Wettstein, Redaktionsleiter Kassensturz/Espresso, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:

„Zur Beanstandung von Herrn X und X vom Hauseigen­tümerverband Schweiz (HEV) gegen den Espresso-Bericht vom 8. September 2015 nehme ich wie folgt Stellung.

Espresso erzählte die Geschichte einer Frau, die sich bei der Kassensturz/Espresso-Redaktion gemeldet hatte und die wir Rita Meier genannt haben. Seit zwölf Jahren wohnt sie in einer Mietwohnung im Kanton Obwalden und zahlt dafür 1900 Franken. Erst vor kurzem, nach einem Fernsehbeitrag, hat sie realisiert, dass sie seit Jahren zu viel bezahlt, denn der Referenzzinssatz ist von 3,5 Prozent auf 1,75 Prozent gesunken. Ihre Verwaltung hat aber die Miete nie angepasst. Das Problem: Die Mieterin muss selbst aktiv werden, wenn die Verwaltung nicht von sich aus eine Mietzinsreduktion gewährt. 200 bis 300 Franken pro Monat könnte Rita Meier sparen, wenn sie von der Verwaltung eine Mietzinsanpassung fordert. Doch sie zögerte, aus Angst vor negativen Konsequenzen durch die Verwaltung.

Diese Angst würden viele Mieter mit Rita Meier teilen, erzählte Ruedi Spönlin im Espresso von seinen Erfahrungen als Rechtsberater beim Schweizerischen Mieter­verband. Er hätte viele, vor allem ältere Mieter am Telefon, die sich nicht getrauen, eine Mietzinssenkung zu verlangen. Und das sei leider eher die Mehrheit der Mieter­innen und Mieter. Den Hörern war klar, dass der Rechtsberater von seinen Erfahrun­gen erzählt.

Die Verwaltung haben wir nicht mit Namen genannt, deshalb mussten wir sie auch nicht konfrontieren. Uns ging es nicht darum, Kritik zu üben, sondern Tipps zu geben, wie Mieter zu einer berechtigten Mietzinsreduktion kommen. Es gab keinen Grund, nach dieser Geschichte vom HEV eine Stellungnahme einzuholen. Denn wir haben den HEV nicht kritisiert, es gab keine Kontroverse, der Beitrag handelte nicht von einem politischen Vorstoss des Mieterverbandes und diskutierte auch keine Frage, die den HEV betroffen hat. Uns ging es einzig darum, für Mieterinnen und Mieter Nutzwert zu schaffen.

Die Beanstander monieren, wir hätten gesagt, dass die Mieterin ‚zum Glück‘ allen Mut zusammen genommen und die Mietzinsreduktion eingefordert habe. Damit stelle sich Espresso eindeutig auf die Seite der Mieter. Dazu ist zu sagen, dass die Miete­rin tatsächlich gut daran getan hat, die Mietzinsreduktion zu verlangen, denn es ist zu ihrem Glück, wenn sie von nun an weniger Miete bezahlen muss. Zudem ist Espres­so eine Sendung, die wie Kassensturz anwaltschaftlichen Journalismus betreibt, sich also auf die Seite der Hörerinnen und Hörer schlägt. Wir haben uns auf die Seite der Mieterin gestellt, weil sie nichts anderes gemacht hat, als ihr Recht wahrzunehmen.

Nach der Geschichte klärte die Redaktorin in einem Moderationsgespräch Hörerin­nen und Hörer über ihre Rechte als Mieter auf. Angst vor einer Kündigung müssten Mieter, die eine Mietzinssenkung fordern, keine haben, denn das wäre eine Rache­kündigung. Mieter seien in diesem Fall drei Jahre lang vor Kündigung geschützt.

Trotzdem höre man immer wieder Geschichten von Vermietern, fuhr die Redaktorin fort, die mit Schikanen drohen würden, wenn jemand eine Senkung des Mietzinses verlangt. Sie berief sich dabei auf Aussagen des Schweizerischen Mieterverbandes. Diese Aussage ist glaubwürdig, denn auch die Schlichtungsbehörden und Mietge­richte bestätigen, dass Rachekündigungen und Schikanen durch Vermieter immer wieder vorkommen. Entgegen der Behauptung des HEV hat Espresso jedoch die Vermieter nicht pauschal verunglimpft, sondern korrekt berichtet, dass es viele Ver­mieter gebe, die Mietzinssenkungen nicht von sich aus weitergeben. Es ist tatsäch­lich so, dass es immer wieder Vermieter gibt, die bei einem Senkungsbegehren mit Kündigung drohen. Sonst gäbe es auf den Schlichtungsstellen und Mietgerichten keine Verhandlungen wegen Rachekündigungen.

Im Verlaufe des Moderationsgesprächs gab Espresso Tipps, wie man sich verhalten muss, wenn man eine Mietzinssenkung zugute hat.

Der ganze Beitrag war darauf angelegt, Nutzwert zu schaffen und die Hörer über ihre Rechte als Mieter aufzuklären. Alle Aussagen waren sachgerecht und korrekt.

Für mich ist es deshalb völlig unverständlich, warum der HEV zum wiederholten Male eine Beschwerde einreicht, obwohl sie in sehr ähnlichen Fällen stets abgelehnt wurde.

Der Espresso-Beitrag verstösst meiner Meinung nach nicht gegen die Konzession, denn die Hörer konnten sich eine eigene Meinung bilden. Das Sachgerechtigkeits­gebot wurde nicht verletzt. Eine Stellungnahme vom HEV war keineswegs zwingend, da wir Nutzwert für Mieter geschaffen und kein kontroverses Thema aufgegriffen haben.

Ich bitte Sie, Herr Casanova, deshalb, die Beanstandung als unbegründet abzuwei­sen.“

3. Soweit die Stellungnahme der Verantwortlichen von „Espresso“. Redaktionsleiter Wolfgang Wettstein nimmt zu allen Ihren Kritiken Stellung und argumentiert sehr aus­führlich, warum seiner Meinung nach Ihre Beanstandung abgewiesen werden sollte. Nachdem ich die Angelegenheit studieren konnte, scheinen mir die Argumente von Herrn Wettstein sehr plausibel zu sein. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann ich mich deshalb kurz halten.

Im „Espresso“ vom 8. September ging es um eine durchaus relevante Frage: Wie sollen sich die Mieter verhalten, wenn der Referenzzinssatz sinkt und die Verwaltung den Mietzins trotzdem nicht nach unten anpasst? Dass dies öfters der Fall ist, sollte unbestritten sein. Die ganze Sendung war deshalb darauf ausgerichtet, die Mieter zu überzeugen, dass sie selber aktiv werden können und sollten. Auch der rechtliche Weg dazu wurde thematisiert: Mittels eingeschriebenem Brief können die Mieter eine Senkung des Mietzinses auf den nächstmöglichen Kündigungstermin verlangen.

Sie sind sicher mit mir einverstanden, dass Mieter oft zögern und auf einen solchen Schritt verzichten. Es ist deshalb journalistisch verständlich, wenn in der Sendung die Frage behandelt wurde, warum so viele Mieter auf ihr Recht verzichten. Laut Frau Rita Meier spielt die Angst, dass die Miete plötzlich teurer wird als heute, sobald der Zins wieder ansteigt, eine wichtige Rolle. Für den Schweizerischen Mieterverband sei die Angst vor Konsequenzen unter Mieterinnen und Mietern weit verbreitet. Viele befürchten eine Belastung des gegenseitigen Verhältnisses, vor allem wenn der Vermieter im gleichen Haus wohnt. Die Mehrheit der Mieter würde aus diesem Grund keine Senkung beantragen. Im Moderationsgespräch am Schluss der Sendung sagte die Redakteurin, man würde immer wieder Geschichten von Vermietern hören, die mit Schikanen drohen, wenn jemand eine Senkung des Mietzinses verlangt.

Sie sind der Auffassung, dass „Espresso“ damit eine pauschale Verunglimpfung der Vermieter ohne Beweise vorgenommen habe. Der Beitrag würde sich eindeutig auf die Seite der Mieter stellen, ohne dem Hauseigentümerverband die Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu beziehen.

Dass „Espresso“ sich auf die Seite der Mieter stellt, sollte nicht überraschen. Wie „Kassensturz“ für das Fernsehen, ist „Espresso“ bekanntlich eine Konsumentensen­dung für das Radio, welche sich anwaltschaftlich auf die Seite der Konsumenten schlägt. Dass „Espresso“ Partei ergreifen kann, hat das Bundesgericht mehrmals bestätigt. In diesem Sinne zielt Ihre Kritik ins Leere.

Wurde aber „fair und sachgerecht“ informiert? Wurden die Vermieter pauschal verun­glimpft? Sie kritisieren vor allem, dass im Beitrag mehrmals gesagt wurde, die Mieter hätten Angst vor Konsequenzen, wenn sie eine Mietzinsreduktion verlangen würden. Diese Aussage hat die Mieterin Rita Meier sowie der Vertreter des Mieterverbands gemacht. Sie erscheint plausibel und kann nicht als Beleidigung der Vermieter ange­sehen werden. Dasselbe gilt für die Bemerkung der Moderatorin bezüglich mögliche „Schikanen“. Dass diese Angst ungerechtfertigt ist, wurde im Beitrag klar unterstri­chen.

Sie monieren, keine Gelegenheit gehabt zu haben, die Sicht der Vermieter in der Sendung vorzutragen. Laut Praxis von UBI und Bundesgericht wäre dies nur zwin­gend gewesen, wenn in der Sendung schwerwiegende Vorwürfe gegenüber Hausbe­sitzern gemacht worden wären. Dies war aber nicht der Fall. Der Tatsache, dass vie­le Vermieter von sich aus keine Senkung vornehmen, entspricht der Realität. Diese Feststellung wurde aber differenziert gemacht. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass heute immer mehr Verwaltungen professionell handeln und die Mietzinssen­kung von sich aus gewähren. Leider sei aber ein solch mieterfreundliches Verhalten immer noch die Ausnahme, so dass die Mieter selber aktiv werden müssen.

Aufgrund all dieser Feststellungen und Überlegungen gelange ich zur Auffassung, dass das Publikum über das Thema sachgerecht und umfassend genug informiert wurde, damit es sich eine eigene Meinung bilden konnte. Das Sachgerechtigkeits­gebot wurde somit nicht verletzt. Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, erachte ich deshalb als unberechtigt.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Mög­lichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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