«Es ist wichtig, dass das Publikum sich Gehör verschaffen kann»

Wer hin und wieder über den eigenen Tellerrand blickt, rückt das eigene Umfeld in Perspektive. Der Präsident des Deutschschweizer Publikumsrats, Manfred Pfiffner, traf sich in Zürich zu einem Austausch mit seinem ORF-Pendant aus Österreich, Ilse Brandner-­Radinger. LINK sprach mit den beiden über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Räte.

LINK: Braucht es den Publikumsrat? Das Publikum kann seine Anliegen doch über den Kundendienst und über Onlinekommentare, Facebook und ­Twitter ­platzieren.
Ilse Brandner-Radinger, ORF: Ja, selbstverständlich braucht es den ­Publikumsrat! Der ORF-Publikumsrat ist als direkte und alleinige Vertretung des Publikums ein sehr wichtiges Organ und gibt repräsentative Empfehlungen an die Generaldirektion ORF. Damit setzen wir uns permanent und konsequent für ein ­qualitativ gutes ­Programm und Verbes­serungen in ­diesem Sinn ein.
Manfred Pfiffner, SRG.D: Den Publikumsrat braucht es unbedingt! Eine ­Sendung wie «Hallo SRF!» zeigt deutlich, ­wie wichtig es ist, dass das Publikum sich Gehör verschaffen kann. Wir begleiten SRF mit unseren Programmbeobach­tungen und Anregungen als Qualitäts­sicherungsgremium seit über zwei Jahrzehnten.

Manfred Pfiffner: «Eine ­Sendung wie «Hallo SRF!» zeigt deutlich, ­wie wichtig es ist, dass das Publikum sich Gehör verschaffen kann.»

Haben Sie denn Erfolg mit Ihren Bemühungen?
Pfiffner: Ich verbuche es als Erfolg, wenn die Programmschaffenden unsere Anregungen in der Regel interessiert entgegennehmen – und häufig auch umsetzen. Langfristig hat sich eine ­ausgesprochen konstruktiv-kritische ­Diskussionskultur ­etabliert und die ­Voten des Publikumsrats stossen bei ­vielen Verantwortlichen auf ­offene ­Ohren.
Brandner: Erfolg hat für mich eine langfristige Komponente. Er liegt in unserer Hartnäckigkeit, dass wir über alle Jahre hinweg auf die Verbesserungsmöglichkeiten bei Sendungen hinweisen. Und dadurch müssen sich auch die Programmschaffenden immer wieder mit dem Thema auseinandersetzen, sie können unsere Empfeh­lungen nicht einfach vom Tisch wischen.

In der Schweiz wird der Publikumsrat von der Öffentlichkeit wenig wahr­genommen. Wieso ist das so?
Pfiffner: Wir werden leider oft nur dann wahrgenommen, wenn Boulevardmedien die Kritik aus unseren Medienmitteilungen aufbauschen und SRF unfair attackieren. Das ist natürlich ärgerlich, weil wir mit den Programmverantwortlichen sehr offen ­diskutieren und ihnen differenzierte ­Rückmeldungen geben. Zum Schutz der Redak­tionen bleiben die Berichte über die ­Beobachtungen und die Protokolle aber vertraulich.

Ilse Brandner-Radinger: «Erfolg hat für mich eine langfristige Komponente. Er liegt in unserer Hartnäckigkeit»

Ist die Situation ähnlich in Österreich?
Brandner: Ja. Immerhin sind unsere ­Sitzungen im Gegensatz zu jenen des Publikumsrats meines Schweizer Kollegen öffentlich. Die Plenarsitzungen werden auf unserer Website angekündigt. Jede, jeder kann ohne Anmeldung kommen und zu­hören. Ausserdem werden diese Sitzungen via Radio-­Life-Stream übertragen. Und: Es kommen auch regelmässig Vertreterinnen und Vertreter der Printmedien, die dann über die Sitzungen berichten. Aber auch bei uns führen leider häufig vor allem die kritischen Bemerkungen zu Schlag­zeilen und zu einem Artikel.
Wo sehen Sie die grösste Gemeinsamkeit der beiden Räte?
Brandner: Dass sich in den Publikums­räten viele engagierte Menschen mit­einander für ein Thema einsetzen – für das gemeinsame Bemühen um Qualität ...
Pfiffner: ... und die Sorge darum. Zudem: Beide Räte sind nahe ans Unternehmen angebunden und wir haben nur ein Empfehlungsrecht.

Wieso haben die Räte nur ein Empfehlungsrecht und keine direkte Einfluss­nahme?
Pfiffner: Einerseits ist dies in den Statuten so geregelt, andererseits massen wir uns auch nicht an, den Medienprofis Vorschriften zu machen oder gar Sendungen ab­zusetzen. Unsere Einflussnahme erfolgt über die intensive Diskussion und den ­konstruktiv-kritischen Austausch. Das trägt ­längerfristig zu einem vertrauensvollen und erfolgreichen Vorgehen bei.
Brandner: Das ORF-Gesetz gesteht uns nur das Empfehlungsrecht bei der Programmgestaltung zu. Wir fordern natürlich ein Recht auf Zustimmung zur Programmgestaltung. Das ist eine saubere Lösung, auch im Sinne des von uns direkt vertretenen Publikums.

Frau Brandner, wie unterscheidet sich der ORF-Publikumsrat vom Rat der SRG.D?
Brandner: Unsere Sitzungen sind wie ­erwähnt öffentlich. Und: Bei uns ist der ORF-General­direktor an jeder Sitzung vom Anfang bis am Schluss anwesend. Seine Anwesen­heitspflicht ist im ORF-Gesetz festgelegt, ebenso wie die Anwesenheit ­eines von uns je nach Thema geforderten Direktors oder Landesdirektors. Wie ich vernommen habe, ist das beim Publikumsrat der SRG.D nicht der Fall.

Welche Eindrücke nehmen Sie von ­Ihrem Treffen mit?
Pfiffner: Die Tatsache, dass die Sitzungen des ORF-Publikums­rats öffentlich sind, ­finde ich spannend. Es könnte auch für uns interessant sein, zu sehen, wie differenziert Online- und Printmedien über ­unsere ­Diskussionen berichten würden, sollten sie öffentlich sein.
Brandner: Mich beeindruckt die ruhige, differenzierte, sachliche Diskussionskultur des Publikumsrats der SRG.D – die sähe ich auch bei uns gern, denn bei uns geht es manchmal recht heftig und polemisch zu und her.

Interview: Cornelia Diethelm
Bild: Kollegen im Einsatz für die TV-Zuschauerinnen und Radiohörer: Ilse Brandner-Radinger, Vorsitzende des ORF-Publikumsrats, und Manfred Pfiffner, Präsident des Publikumsrats SRG Deutschschweiz. Bildquelle: SRF / Oscar Ale
ssio

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