Informationssendung «SRF-Börse» als konzessionswidrig beanstandet

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Mit E-Mail vom 27. Oktober 2015 beanstanden Sie im Namen der Redaktionsleitung Infosperber das SRF-Sendegefäss „SRF Börse“. Sie sind der Auffassung, dass diese Sendungen konzessionswidrig seien und untermauern dies mit den zehn Sendungen der Wochen 42 und 43. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 28. Oktober bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stel­lung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die Angelegenheit analysieren können. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie begründen Ihre Beanstandung wie folgt:

„Das Sendegefäss

  • Die 2-minütige Informationssendung «SF Börse» wird zur besten Sendezeit um ca. 19.27 unmittelbar vor der Tagesschau um 19.30 Uhr ausgestrahlt.
  • Die Sendung wird in hoher Kadenz fünfmal wöchentlich ausgestrahlt (etwa 250 mal jährlich).
  • Sie wird von der Bank Swissquote gesponsert, die in erster Linie vom Börsengeschäft lebt. Die Bank würde die Sendung nicht sponsern, wenn diese nicht einseitig zum Handeln an der Börse animieren würde.

SF TV hat diese Sendung für ein breites Publikum wohl nur deshalb erfunden, weil

a) eine Bank als Sponsorin dafür zahlt, und weil es

b) dieses kurze Informationsgefäss erlaubt, vorher und nachher zu bester Sendezeit zwei Werbeblöcke zu platzieren.

Die UBI hat in ihrem Entscheid VPB 64.121 (10. März 2000; b.399) festgehalten:

«Entscheidend ist im Lichte des Sachgerechtigkeits- und Vielfaltsgebots allein, ob sich das Publikum zu den dargestellten Themen frei eine eigene Meinung bilden kann... Dazu muss die Vielfalt der Ansichten und Meinungen zu den behandelten Themen wiedergeben werden

Betroffenes Publikum

Leute, welche das Börsengeschehen regelmässig verfolgen, holen sich die Börsenkurse und -kommentare nicht am Abend vor der Tagesschau, sondern sind ständig online und konsul­tieren professionelle Branchenportale.

Auch der Sendeplatz beweist, dass sich diese Informationssendung nicht an ein spezifisches Börsenpublikum richtet, sondern an ein breites Publikum kurz vor der Tagesschau-Haupt­ausgabe. Laut Mediapuls verfolgten die Sendung «SF Börse» in der Woche 43 jeden Abend über 400'000 Zuschauende.

Beim Beurteilen des Sendegefässes «SF Börse» ist die Wirkung auf dieses durchschnitt­liche, wirtschaftlich nicht besonders informierte Publikum entscheidend. Es kann von keinem Vorwissen des Publikums ausgegangen werden.

Gegen Sachlichkeit und gegen das Vielfaltsgebot

Das wirtschaftlich nicht besonders vorinformierte Publikum kann sich angesichts

  • der ständig wiederholten einseitigen Darstellungen
  • der Unterlassungen, sowie
  • der Vermischungen von Tatsachendarstellungen und Meinungen

keine eigene Meinung bilden.

Das zeigt eine längere Beobachtung dieses Sendegefässes. Eine nähere Analyse der zehn Sendungen der Wochen 42 und 43 2015 bestätigt diesen Befund:

Hohe Börsenkurse werden gut bewertet, tiefe schlecht. Es wird allgemein der Eindruck erweckt, hohe Börsenkurse stünden für einen guten Gang der Wirtschaft und seien gut für Wohlstand und Arbeitsplätze.
Die Tatsache, dass ein steigender Aktienkurs häufig darauf hinweist, dass ein Unternehmen viele Leute entlassen und rationalisiert hat, wird weitgehend ausgeblendet.
Die Tatsache, dass ein steigender Aktienkurs häufig darauf hinweist, dass ein Unternehmen für einen Teil seiner Produkte oder Dienstleistungen eine marktbeherrschende Stellung erreichen und damit überhöhte Preise verlangen kann, wird weitgehend ausgeblendet. Ein steigender Aktienkurs kann für den wohlstandsfördernden Wettbewerb und für die Konsu­mentInnen ein Alarmzeichen sein.
Die Tatsache, dass eine Periode mit steigenden Aktienkursen häufig anzeigt, dass die Wirt­schaft Wachstumsschwächen aufweist und die Arbeitslosigkeit zunimmt wie zum Beispiel in den Jahren 1990-2000, wird weitgehend ausgeblendet. Heute ist es vor allem die Niedrig­zinspolitik der Nationalbank, welche die Aktienkurse in die Höhe treibt. Die Niedrigzinspolitik und damit die hohen Aktienkurse sind Folge einer harzig laufenden Wirtschaft. Selbst wenn die Wirtschaft stagniert, führt die Niedrigzinspolitik zu steigenden Aktienkursen.

1. Beanstandung

1.1. Die generelle und wiederholte Darstellung, dass steigende und hohe Börsenkurse gut sind für die reale wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz, wird nicht ergänzt durch andere Meinungen und Ansichten:

In den 10 analysierten Sendungen kamen, direkt oder indirekt zitiert, zu Wort (vollständige Liste):

  • Die Organisation erdölexportierender Länder OPEC (12.10.)
  • Detlef Trefzger, Konzernchef von Kühne + Nagel(13.10.)
  • Anonyme «Analysten» (14.10.)
  • Anonymer Vertreter von Nestlé (16.10.) Er wurde u.a. zitiert, dass die Nestlé-Nudeln in China «zu 100% sicher» seien. Über den von chinesischen Behörden veröffentlichte Standpunkt dazu informierte «SF Börse» nicht.
  • Anonyme «Anleger» (16.10.)
  • 2x Jean-Paul Clozel, Konzernchef des Pharmakonzerns Actelion (20.10.)
  • Tidjane Thiam, CS-Konzernchef (21.10.)
  • Urs Rohner, CS-Verwaltungsratspräsident (21.10.)
  • Severin Schwan, Konzernchef des Pharmakonzerns Roche (22.10.)

Es kam damit ausschliesslich die Unternehmerseite zu Wort, welche am guten Image und einer positiven Darstellung ihrer Unternehmen (auch im Hinblick auf die Börsenkurse) inte­ressiert ist. Die Redaktion von «SF Börse» übernahm nicht etwa die Rolle der «andern Seiten». Die zehn Sendungen von «SF Börse» dienten weitgehend der Selbstdarstellung börsenkotierter Unternehmen, ohne dass andere Stimmen zu Wort kamen.

[In früheren Sendewochen kamen häufig «Analysten» oder «Chefökonomen» von Banken zu Wort, welche an der Börse selber handeln und dort auch Eigenbestände von Aktien zu verteidigen haben.]

Wir verlangen nicht, dass verschiedene Ansichten gleichwertig zum Ausdruck kommen, son­dern dass andere Ansichten überhaupt spürbar wahrgenommen werden können. Dies war nicht der Fall. Es handelt sich deshalb um eine einseitige Tendenz in der Meinungsbildung. Die vorhandene weltanschaulich-ökonomisch-politische Vielfalt kommt nicht zur Darstellung.

Über Meinungen und Tatsachen-Darstellungen unabhängiger Anleger, unabhängiger Vermö­gensverwalter und Experten, der vielen Kleinaktionäre sowie der zahlreichen Warner vor dem heutigen Mikrosekundenhandel und dem Wirken von Schattenbanken, wird nicht informiert.
Die einseitige Auswahl der zitierten Personen, welche ihre Unternehmen in ein möglichst positives Licht stellten, ist nicht sachgerecht und trägt der Vielfalt der Meinungen nicht Rechnung.

1.2. Zum Beurteilen der Sachgerechtigkeit und des Vielfaltsgebots ist wesentlich zu berücksichtigen, über welche relevanten Aspekte und Fragen zum Thema Börse die Sendung «SF Börse» das Publikum nicht informiert:

  • Die Aktivitäten von Schattenbanken, die mehr Vermögen verwalten als der offizielle Bankensektor;
  • Der spekulative Mikrosekunden-Handel, der heute über die Hälfte der getä-tigten Börsengeschäfte abdeckt und die Börse zum Casino ohne volkswirt­schaftlichen Nutzen macht;
  • Die Gefahr undurchsichtiger Finanzprodukte;
  • Die Bildung von Blasen und deren mögliche Folgen für die Börse und die reale Volkswirtschaft;
  • Der Einfluss der Börse auf die Vermögensverteilung. Das Handeln mit Wert­papieren ist von Steuern weitgehend befreit (keine Mehrwertsteuer, keine Kapitalgewinnsteuern, keine Finanztransaktionssteuern);
  • Die vielen Möglichkeiten für Unternehmen, ihre Bilanzen und Gewinne bes­ser oder schlechter darzustellen(z.B. 6 Mrd Fr. wertloser «Goodwill» in der Bilanz der CS; zu hohe oder zu niedrige Rückstellungen; Gewinnverschie­bungen in Steueroasen dank willkürlicher interner Verrechnungspreise und Lizenzgebühren, etc.);

Ohne Informationen über diese Aspekte des Börsengeschehens sowie über das Einordnen von Gewinn- und Umsatzmeldungen kann sich das wirtschaftlich nicht besonders informierte Publikum keine eigene Meinung bilden. Es wird höchstens dazu angeregt, unbedarft Aktien zu kaufen – was im Sinne der Sponsor-Bank wäre.

Das systematische Nicht-Informieren über wesentliche Aspekte des Börsenge­schehens ist nicht sachgerecht und trägt der Vielfalt der Meinungen nicht Rechnung.

1.3. Laut RTVG muss das Fernsehen SRF zur «freien Meinungsbildung des Publikums durch umfassende, vielfältige und sachgerechte Information insbesondere über ... wirtschaft­liche ... Zusammenhänge» beitragen. Konzessionierte Programme müssen in der Gesamt­heit ihrer redaktionellen Sendungen die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten angemessen zum Ausdruck bringen.

Gemäss UBI-Entscheiden (u.a. GAAC 56.42) ist ein «bewusst einseitiger Charakter einer Sendung für sich dann nicht konzessionsverletzend, wenn der angemessenen Darstellung der Vielfalt der Meinungen in der Gesamtheit des Programms Genüge getan wird».

Auch unter Berücksichtigung des Gesamtprogramms bleiben das Sendegefäss «SF Börse» und die hier konkret analysierten zehn Sendungen konzessionswidrig. Denn im Programm von SRF TV gibt es als Ergänzung zur Sendung «SF Börse», die jährlich rund 250 mal ausgestrahlt wird, kein anderes Sendegefäss, welches ein breites Publikum über das täg­liche Börsen- und Wirtschaftsgeschehen aus Sicht der kleinen Anleger, aus Sicht der kauf­bereiten Anleger, die auf sinkende Kurse hoffen, aus Sicht der von Finanzspekulationen betroffenen Realwirtschaft, der KonsumentInnen oder der Gewerkschaften oder aus Sicht von Wachstumsskeptikern interpretiert und kommentiert und das einseitige Meinungs- und Themenspektrum der Sendung «SF Börse» kompensieren würde.

Die wöchentliche Sendung «Kassensturz» informiert über den Konsumentenschutz im engeren Sinn und bringt praktisch keine Informationen zum Börsengeschehen. Die Wirt­schaftssendung «Eco» berichtet über Unternehmen, wird jedoch nur einmal wöchentlich zu später Stunde um 22.25 Uhr (etwa 40 mal jährlich) nur von einem spezifisch für Wirtschaft interessiertes Publikum verfolgt. Laut Mediapuls verfolgten am 12.10.2015 die Sendung «Eco» 172'000 Zuschauende (in der Woche 43 fiel die Sendung aus). Inhaltlich kommen in «Eco» zuweilen andere Meinungen zu Wort, jedoch eher selten. Gemäss Eigendefinition berichtet «Eco» «aus der Perspektive der Wirtschaft» und «rückt dabei die Menschen, die das Wirtschaftsgeschehen lenken und bestimmen, in den Mittelpunkt» (siehe http://www.srf.ch/play/tv/sendung/eco?id=7dd60977-fc2e-4b40-a533-eb9536cea736). Einzelne Beiträge von vereinzelten andern Sendegefässen können die extreme Einseitigkeit der täglichen Sendungen «SF Börse» keinesfalls ausgleichen. Das war auch so im Zeitraum der zehn analysierten Sendungen.

Auch in Berücksichtigung des gesamten Programms des Deutschschweizer Fern­sehens verletzt die Sendung «SF Börse» beim Informationsangebot über die Börse das Vielfaltsgebot.

1.4. Das RTVG schreibt vor, dass «Ansichten und Kommentare als solche erkennbar sein müssen» (Art. 4, Abs.2 «Mindestanforderungen»).

In einer Informationssendung wie «SF Börse» müssen die Zuschauenden davon ausgehen können, dass die Moderation sachlich und faktenbezogen informiert. Mit der Wortwahl und dem Duktus sollte nicht einseitig Stellung genommen und eine Meinung geäussert werden, ohne dass dies klar erkennbar ist.

In den 10 analysierten Sendungen wurden Sachdarstellungen und Meinungsäusserungen regelmässig nicht klar getrennt:

  • Moderatorin Patrizia Laeri am 12.10.2015: Der «Renner an der Börse» diesen Monat in der Schweiz: «Die Ölplattformbetreiberin Trans Ocean. Sie hat ein Viertel zuge­legt.» «Ähnlich fett gewinnt Erdöl: Seit August fast 30 Prozent zugelegt...Der Erdöl­preis gibt Vollgas, die Aktien der Rohstoffriesen steigen. Gibt da eine antriebsschwa­che Branche tatsächlich wieder Schub und warum?»
  • Hier wird einseitig suggeriert, hohe Erdölpreise seien gut. Dies trifft weder für viele Unternehmen zu, die an tiefen Erdölpreisen interessiert sind, noch für Konsument­innen und Konsumenten, die höhere Benzin- und Heizölpreise zahlen müssen. Weiter die Moderatorin: « Die globalen Förderer drehen Projekten und Investitionen massiv den Hahn zu...Die Investitionen sind in noch nie dagewesenem historischen Masse eingebrochen.» Mit der Wortwahl «drehen den Hahn zu» und der Übertrei­bung «in noch nie dagewesenem Mass eingebrochen» (ohne Quellenangabe oder Beleg) erhielten die Zuschauenden den Eindruck, ein Drosseln der Erdölproduktion sei eine negative Entwicklung. Diese Wertung ist unnötig und für viele falsch: Zum Schutz des Klimas ist es positiv, wenn weniger fossile Brennstoffe gefördert werden.
  • Moderator Reto Lipp am 16.10.2015: «Besser läuft es für Nestlé in den USA und in Südamerika. In den ersten 9 Monaten setzte Nestlé 64,9 Mrd. Franken um.» Mit «besser» schmuggelt Lipp der Information eine Meinung bei: Je höher der Umsatz, desto besser. Diese in «SF Börse» häufig wiederholte Botschaft muss keineswegs zutreffen: Die Aktionäre sind an Gewinn interessiert, der mit steigenden Umsätzen keineswegs immer zunimmt. Für die angestrebten Wettbewerbsverhältnisse und für die KonsumentInnen können höhere Umsätze bedeuten, dass Nestlé dank Markt­macht in einigen Märkten höhere Preise durchsetzen konnte, oder dass Nestlé wei­tere Firmen aufgekauft und damit Monopol- oder Oligopolsstellungen erreicht hat.
  • Moderatorin Patricia Laeri am 19.10.2015 über den Quartalsabschluss der EMS-Chemie: « Der starke Franken hat...einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch gelang es nicht, aus den günstiger gewordenen Rohstoffen Kapital zu schlagen. Die Zutaten für all die EMS-Kunststoffe sind dadurch ja billiger geworden. Diesen Vorteil musste der Konzern wegen der Konkurrenz aber praktisch ganz ihren Kunden weiter­geben. Trotzdem hätten sie unter dem Strich mehr verdient, auch Kostendisziplin sei dank.» Nur mit dem «hätten» am Schluss wird angedeutet, dass alle diese Aussagen der Moderatorin unkritisch und nicht hinterfragte Aussagen der EMS-Chemie sind. Die Moderatorin stellt unbelegte Behauptungen der EMS-Chemie als eigene Tat­sachendarstellungen hin. Die meisten Zuschauenden werden davon ausgehen, dass diese Aussagen korrekte Tatsachen-Darstellungen sind. Dass es sich um die Version und PR-Darstellung der EMS-Chemie handelte, wurde nicht genügend klar.
  • Generell wertet die Moderation von «SF Börse» höhere Gewinne von Unternehmen als positiv. Dass überhöhte Gewinne häufig darauf hinweisen, dass zu wenig des erwünschten Wettbewerbs herrscht und der Neueintritt eines Konkurrenten mit zu hohen Hürden verbunden ist (marktbeherrschende Stellungen), bleibt systematisch unerwähnt. Dass die betroffenen Unternehmen überhöhte Preise häufig zum Scha­den der Gesamtwirtschaft verlangen könnten, bleibt unerwähnt. Umgekehrt können sinkende Gewinne ein gutes Indiz dafür sein, dass in einer Branche mehr Wettbe­werb herrscht, was volkswirtschaftlich und zum Wohl der Allgemeinheit erwünscht ist.
  • Generell und systematisch wird der Eindruck geweckt, was gut ist für ein Unterneh­men und deren Aktionäre, ist gut für die Allgemeinheit. Andere Stimmen kommen nicht zu Wort.
  • Generell suggeriert «SF-Börse» praktisch durchs Band, dass steigende Kurse zurückzuführen sind auf eine positive Entwicklung der Realwirtschaft und auf eine positive Entwicklung einzelner Branchen und Unternehmen. Bei den Zuschauenden entsteht der Eindruck, dass ihr materielles Wohl (und ihre Arbeitsplätze) von steigen­den Kursen abhängt. Das ist weder sachgerecht noch gibt es die Vielfalt der Meinun­gen wieder. Haussen an der Börse gab es während Jahren der wirtschaftlichen Stagnation in den 90er Jahren oder in jüngster Zeit eines sehr schwachen Wirt­schaftswachstums. Grund für die gegenwärtige Hausse ist nicht die Entwicklung der Realwirtschaft, sondern die Nullzinspolitik der Nationalbanken und das Auftreten der EZB als Käuferin von Obligationen.

«SF-Börse» blendet diese volkswirtschaftlichen Folgen und Zusammenhänge des Börsenge­schehens systematisch fast vollständig aus.

«SF Börse» vermischt in ihren Moderationen sachlich neutrale Darstellungen und Meinungen/Wertungen. Sie verletzt damit Art. 4 RTVG.

Die ständig und systematisch sehr positive Beurteilung möglichst hoher Gewinne, Umsätze und Börsenkurse ist weder sachgerecht noch spiegelt es die Vielfalt der Meinungen.

Fazit: Das tägliche, einseitige Verbreiten der Sicht der mit der Börse verbandelten Banken und Unternehmer zur besten Sendezeit halten wir für konzessionswidrig. Art. 4 RTVG verlangt für Informationssendungen sachgerechte Darstellungen und das Berücksichtigen der Vielfalt der Ansichten. Ansichten und Kommentare müssen als solche erkennbar sein.

SRF TV ist zwar im Rahmen der Programmautonomie in der Themenwahl frei und kann eine tägliche Börsensendung ausstrahlen. Diese muss jedoch ein zuverlässiges Bild über die Rolle der Börse und das Geschehen an der Börse liefern, das Gebot der Sachlichkeit einhalten sowie die Vielfalt der Meinungen spiegeln.

Dem Vielfaltsgebot eines täglich zur besten Sendezeit ausgestrahlten Sendegefässes wird nicht Genüge getan, indem man allenfalls auf einzelne wöchentliche Sendungen zu Rand­zeiten oder vereinzelte Beiträge in andern Gefässen verweist.

Aufgrund von 10 Sendungen der Wochen 42 und 43 wiesen wir nach, dass die einzelnen Sendungen und das ganze Sendegefäss«SF Börse» nicht konzessionskonform sind.“

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Reto Gerber, Leiter Wirt­schaftsredaktionen, und Tobias Bossard, Teamleiter Wirtschaft/Aktualität, nicht vor­enthalten. Sie schreiben Folgendes:

„X erachtet die Sendung «SRF Börse» als konzessionswidrig und führt seine Argumentation in seiner Beschwerde an Hand von zehn Sendungen aus. Gerne nehmen wir die Gelegenheit wahr, auf die Eingabe zu antworten.

1. Bedeutung der Börse

1.1 Für die Bevölkerung

Die Bedeutung der Börse, respektive die Bedeutung der dort gehandelten Aktien, für die Schweizerische Bevölkerung ist sehr gross. Allein über die Pensionskassen sind mehr als 4 Millionen Versicherte indirekt mit insgesamt rund 300 Milliarden Franken in Aktienvermögen an den Börsen investiert. Über den Ausgleichsfonds der AHV mit über 30 Milliarden Franken Kapitalanlagen ist sogar jede einzelne Einwohnerin und jeder Einwohner vom Geschehen an der Börse betroffen. Und nicht zuletzt sind über die Einzahlungen in die dritte Säule nochmals sehr viele Bürgerinnen und Bürger an den Kapitalmärkten und Börsen engagiert. Insofern sind steigende Börsenkurse in der Regel positiv für praktisch die gesamte Bevölkerung, während sinkende Kurse entsprechend das Vermögen reduzieren und so eher negativ konnotiert sind.

1.2. Für Unternehmen

Für mittlere und grosse Unternehmen ist die Börse ein Instrument zur Kapitalbe­schaffung, wenn es darum geht, das eigene Wachstum zu finanzieren. Börsen sind effizient – und im Gegensatz zum Handel ausserhalb von etablierten Börsenplätzen – auch transparent. Die Börse hat eine grosse volkswirtschaftliche Bedeutung.

Daraus folgt, dass eine Börsensendung für SRF legitim ist. Auch grosse deutsche Sender wie ARD (Börse im Ersten) und ZDF (täglicher Börsenteil jeweils im heute journal) verfügen über entsprechende jahrelange etablierte Sendegefässe oder Sen­deteile, die über das Börsengeschehen berichten.

2. Sendegefäss

Mit einer fünfmal wöchentlich ausgestrahlten 2-minütigen Sendung an den Börsenta­gen von Montag bis Freitag trägt SRF der hohen Bedeutung der Börsen und Finanz­märkte Rechnung.

Die Aussage des Beschwerdeführers, SRF habe diese Sendung für ein breites Publi­kum wohl nur darum erfunden, weil ein Sponsor dafür zahle und das kurze Informa­tionsgefäss es erlaube, vorher und nachher zu bester Sendezeit zwei Werbeblöcke zu platzieren, erachten wir als eine Behauptung. Tatsache ist, dass eine Bericht­erstattung über die Entwicklung an den Börsen heute bei vielen anderen Sendern üblich ist und ein Kundenbedürfnis abdeckt.

3. Betroffenes Publikum

Der Beschwerdeführer geht davon aus, dass sich das Sendegefäss an ein durch­schnittliches, wirtschaftlich nicht besonders informiertes Publikum richte. Diese An­nahme erachten wir als herablassend, unbewiesen und spekulativ. Klar ist, dass «SRF Börse» von einem sehr heterogenen Publikum geschaut wird. Die Tatsache, dass die Tagesschau im Schnitt von 800‘000 Zuschauern verfolgt wird, die kurz zuvor ausgestrahlte Sendung «SRF Börse» im Schnitt aber bloss von der Hälfte, deutet darauf hin, dass – anders als es der Beschwerdeführer suggeriert – ein eher interessiertes Publikum die Sendung schaut.

4. Gegen Sachlichkeit und gegen das Vielfaltsgebot

Der Beschwerdeführer kritisiert, dass sich die Zuschauerinnen und Zuschauer keine eigene Meinungen bilden können.

Dazu führt der Beschwerdeführer eine Analyse von zehn Sendungen «SRF Börse» in den Wochen 42 und 43 dieses Jahres an.

Es gilt festzuhalten, dass die beobachteten zehn Sendungen lediglich 4 Prozent aller in einem Jahr ausgestrahlten Sendungen «SRF Börse» ausmachen. Aus dieser tie­fen Stichprobe zu schliessen, die Sendung erfülle insgesamt das Gebot der Sachge­rechtigkeit nicht, erachten wir als unzulässig. Zudem wird oft ein tagesaktuelles The­ma, das in «SRF Börse» mit dem Fokus auf die Auswirkungen auf die Börse/Aktie beleuchtet wird, in der gerade darauf folgenden Tagesschau mit einem anderen Fokus beleuchtet, z.B. bei einer grossen Abbau-Ankündigung die Auswirkungen auf die Angestellten inklusive Reaktionen der Arbeitnehmerseite (z.B. Credit Suisse, 21.10.) Oft wird in der Börsensendung auf den von der Tagesschau beleuchteten Fokus hingewiesen. Die Sendungen «SRF Börse» und Tagesschau bilden eine lose publizistische Einheit, was bei der Beurteilung der Beschwerde berücksichtigt werden sollte.

Der Beschwerdeführer behauptet, dass «SRF Börse» hohe Kurse als gut und tiefe als schlecht bewerte. Es werde der Eindruck erweckt, hohe Börsenkurse stünden für einen guten Gang der Wirtschaft und seien gut für Wohlstand und Arbeitsplätze. Dass steigende Börsenkurse das Volksvermögen erhöhen, ist kaum bestritten, weshalb positive Kurse in der Regel und von einem durchschnittlichen Zuschauer als positiv gesehen werden. Die Behauptung hingegen, dass steigende Börsenkurse einen guten Gang der Wirtschaft reflektieren oder gut seien für die Arbeitsplätze, stimmt so natürlich nicht generell. Dies wird in der Sendung «SRF Börse» aber auch nicht behauptet. Die Sendung berichtet differenziert. Diese Behauptung des Be­schwerdeführers ist denn auch nicht bewiesen.

Der Beschwerdeführer behauptet weiter, dass steigende Aktienkurse häufig darauf hinwiesen, dass Unternehmen viele Leute entlassen, rationalisieren oder dass Unter­nehmen eine marktbeherrschende Stellung hätten und den Wettbewerb verzerren würden. Dass Aktienkurse oft steigend auf Jobbau-Ankündigungen reagieren, ist ein bekanntes, nachvollziehbares Phänomen, auf das wir hier nicht weiter eingehen. Allerdings ist dieser Effekt nicht zwingend, was unter anderem das Beispiel der Credit Suisse vom 21. Oktober zeigt. Und: In der Sendung gehen die Moderatoren jeweils sehr differenziert und kritisch mit diesem Punkt um – also im Sinne des Be­schwerdeführers. Entsprechend ist uns die Kritik in diesem Punkt unklar. Der Zusam­menhang zwischen steigenden Kursen und der marktbeherrschenden Stellung oder einer Wettbewerbsverzerrung ist zudem eine unbewiesene Behauptung, welche die Sendung nicht stützt oder so verbreitet.

Der Beschwerdeführer kritisiert zudem: Eine Periode mit steigenden Aktienkursen würde häufig anzeigen, dass eine Volkswirtschaft Wachstumsschwächen aufweise wie 1990 bis 2000. Dies würde die Sendung «SRF Börse» weitgehend ausblenden. Tatsache ist: Die Schweizer Wirtschaft ist in den letzten Jahren trotz hoher Börsen­kurse gut unterwegs, das Wachstum intakt, die Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich rekordtief. Die vom Beschwerdeführer aufgestellte Annahme trifft nicht zu. Zudem wird die manchmal scheinbar auftretende Irrationalität der Börse (Kurse steigen bei negativen Meldungen) in der Sendung oft kritisch thematisiert.

Der Beschwerdeführer behauptet, dass vor allem die Niedrigzinspolitik der National­bank die Aktienkurse in die Höhe getrieben habe, die hohen Kurse sind die Folge einer harzig laufenden Wirtschaft. Auch diese letzte Behauptung ist weder bewiesen, noch wird das in unserer Sendung so verbreitet. Richtig allerdings ist – und das wird in «SRF Börse» immer wieder kritisch beleuchtet –, dass aufgrund der aktuellen Tiefstzinsen die Anlagekategorie Aktien Bedeutung gewonnen hat.

5. Beanstandung

Einseitige Auswahl von Personen

Der Beschwerdeführer argumentiert anhand der 4 Prozent beobachteten Sendun­gen, die Auswahl der zitierten Personen sei einseitig und diese würden ihre Unter­nehmen in ein möglichst positives Licht stellen wollen. Das sei nicht sachgerecht und trage zudem der Vielfalt der Meinungen nicht Rechnung.

Als tagesaktuelles Sendegefäss stehen die Macherinnen und Macher von «SRF Börse» in der Verantwortung, jeweils ein relevantes Börsenthema oder eine aktuelle Nachricht in Bezug zum Börsengeschehen auszuwählen und dieses in der zweiminü­tigen Sendung nach bestem Wissen und Gewissen aufzubereiten. Es liegt in der Natur der Sache, dass dabei Entscheidungsträger von Unternehmen innerhalb der kurzen Sendung zu Wort kommen, die Sendungsmacher diese aber mit dem Thema kritisch konfrontieren. Dass diese Entscheidungsträger, wie der Beschwerdeführer darlegt, bloss ihr Unternehmen ins beste Licht rücken wollten und eine kritische Einordnung seitens «SRF Börse» nicht gemacht werde, ist eine Unterstellung und entspricht nicht der Wahrheit.

  • Die Sendung vom 12.10. analysiert kurz und prägnant, warum der Erdölpreis wieder steigt. Von einer einseitigen Berichterstattung von «SRF Börse» und einer Wertung, dass ein hoher Erdölpreis «gut» sei, wie der Beschwerde­führer unterstellt, kann keine Rede sein.
  • Die Sendung vom 13.10. stellt den Schweizer Logistikriesen Kühne + Nagel (9 Monatszahlen) in den Fokus und setzt das Unternehmen mit der Entwicklung des Welthandels in Beziehung. Der Konzernchef analysiert im Interview, wie seine Firma derzeit unterwegs ist. Von einer positiven einseitigen Image-Darstellung kann, wie der Beschwerdeführer insinuiert, keine Rede sein.
  • In der Sendung vom 14.10. liegt der Fokus auf den US-Banken und deren eher schwachem Geschäftsgang sowie den Auswirkungen auf die Schweizer Grossbanken. Dabei wird explizit auch von Stellenabbau und Steuertricks der Banken hingewiesen, die deren tiefen Margen verbessern sollen. Der Aktien­kurs (CS) sei trotzdem gesunken. «SRF Börse» ist in diesem Bericht weder voreingenommen noch bankenhörig, wie das der Beschwerdeführer insinu­iert.
  • In der Sendung vom 15.10. analysiert die Sendung die Firma Sulzer (9-Monatszahlen) und zeigt die Schwierigkeiten der diversen Geschäfte der Schweizer Traditionsfirma auf. Inwiefern hier noch eine dritte Stimme zu Wort kommen sollte, können wir nicht nachvollziehen.
  • In der Sendung vom 16.10. liegt der Fokus auf Nestlé und dessen Indien-Geschäft. Der Beschwerdeführer spricht in seiner Kritik erst einmal vom Chinageschäft von Nestlé. Der Beschwerdeführer behauptet, dass der Stand­punkt der Regierung (Kaufverbot von Nudeln wegen zu hohen Bleigehalts) nicht erwähnt werde. Das ist falsch. Der Standpunkt der Regierung wurde erwähnt, die Haltung von Nestlé dazu ebenso.
  • In der Sendung vom 20.10. ist der Pharmakonzern Actelion im Fokus. Der Konzernchef verurteilt im Interview den Akquisitionsrausch seiner Branche. Die Moderatorin sagt klar, dass er selber dabei mitspiele. Die Behauptung des Beschwerdeführers, Konzernchefs könnten ohne Gegenrede von «SRF Börse» ihre Firma nur positiv darstellen, stimmt nicht.
  • Auch in der Sendung vom 21.10 mit Fokus auf die CS (Umbau der Bank, Sparkurs) ist der Ansatz von «SRF Börse» distanziert. Es wird explizit auf den bevorstehenden Arbeitsplatzabbau hingewiesen und am Ende auch von einem schwachen Quartalsergebnis gesprochen. Die Moderation gibt eine klare Einschätzung ab.

Der Zuschauer kann sich bei den erwähnten Sendungen sehr wohl eine eigene Mei­nung über die Firmen bilden. Die Auswahl der in den Sendungen erwähnten Perso­nen ist nicht einseitig, sondern der tagesaktuellen Themenauswahl entsprechend angebracht.

5.2 Systematisches Nicht-Informieren über wesentliche Aspekte des Börsengeschehens

Der Beschwerdeführer argumentiert, dass systematische Nicht-Informieren über wesentliche Aspekte des Börsengeschehens sei nicht sachgerecht und trage der Vielfalt der Meinungen nicht Rechnung. Insbesondere monieren sie, dass folgende Themen in der Sendung «SRF Börse» unerwähnt bleiben. Aus lediglich 4 Prozent aller Sendungen eines Jahres zu schliessen, dass gewisse Themen in «SRF Börse» nicht stattfinden, ist unzulässig. Zudem:

  • Schattenbanken: Die meisten Schattenbanken sind explizit nicht börsenko­tierte Unternehmen und darum kein Thema für «SRF Börse». Zudem finden sich keine börsenkotierte Schattenbanken in der Schweiz. Gut möglich, dass eine Schattenbank gelegentlich zum Thema wird (auch in Zusammenhang mit einem anderen Unternehmen). Für eine Abhandlung als generelles The­ma ist die zweiminütige Börsensendung aber ungeeignet.
  • High-Frequency-Handel: Auch hier gilt: Das Thema in zwei Minuten abzuhan­deln, ist für eine derart tagesaktuelle Sendung fast unmöglich und darum bei Magazin-Sendungen wie «ECO» zu platzieren. «ECO» hat darüber auch schon ausführlich berichtet.
  • Undurchsichtige Finanzprodukte: «SRF Börse» ist vom Sendekonzept her kei­ne Konsumenten-Sendung, welche Anleger vor Betrügern schützen will, aber ebensowenig Börsen-Tipps abgibt. Für solche Fälle wie undurchsichtige Finanzprodukte hat der «Kassensturz» schon öfters entsprechende Beiträge ausgestrahlt.
  • Einfluss der Börse auf die Vermögensverteilung. Wie bereits erwähnt, ist praktisch die gesamte Bevölkerung über Pensionskassen und AHV indirekt vom Börsengeschehen betroffen. Dass der Handel mit Aktien mehrheitlich von Steuern befreit ist, trifft für Privatpersonen zwar zu. Aber Firmen etwa bezahlen Gewinnsteuern, die durch Börsengewinne auch beeinflusst werden. Zudem sind die Ausgestaltung von Steuern ein politisches Thema, welches z.B. in der anschliessenden «Tagesschau» immer wieder thematisiert wird.
  • Bilanzen besser oder schlechter darstellen: Taucht in der Tagesaktualität ein solcher Fall auf, nimmt sich «SRF Börse» des Themas an.
  • Der Vorwurf, «SRF Börse» würde zu wenig Informationen liefern und das Pu­blikum könne sich keine eigene Meinung bilden, entbehrt jeglicher Grund­lage. Dass gar zu Aktienkäufen angeregt werde, ist eine absurde Unter­stellung.

5.3 «SRF Börse» verletze Vielfaltsgebot

Der Beschwerdeführer will bei «SRF Börse» auch in der Berücksichtigung des gesamten Programms des Deutschschweizer Fernsehens eine Verletzung des Viel­faltsgebots und damit eine Konzessionsverletzung sehen.

Die tagesaktuelle Sendung «SRF Börse» legt den Fokus auf das Geschehen an den Kapital-, Rohwaren- und Aktienmärkten und nimmt sich bei entsprechender Nach­richtenlage regelmässig auch volkswirtschaftlicher Themen an. Wir können in den zehn vom Beschwerdeführer beobachteten Sendungen keine Einseitigkeit erkennen. Die Auswahl der Themen einer Sendung ergibt sich, wie bereits erwähnt, aus dem tagesaktuellen Geschehen und der Relevanz eines Ereignisses. Zudem kann eine werktägliche zweiminütige Sendung nicht sämtliche Börsenthemen abdecken, son­dern muss immer eine Auswahl treffen. Ein Anspruch auf «Vollständigkeit » gibt es darum nicht.

Die Schlussfolgerung des Beschwerdeführers bleibt eine unbewiesene Behauptung.

5.4 Vermischung sachlich neutraler Darstellungen mit Meinungen und Wertungen

Der Beschwerdeführer argumentiert, dass «SRF Börse» in den Moderationen sach­lich neutrale Darstellungen und Meinungen/Werte vermische und damit Art. 4 RTVG verletzen würde. Die Zuschauer sollten davon ausgehen können, dass Ansichten und Kommentare als solche erkennbar sein müssten, die Moderation sachlich und faktenbezogen informieren. Mit Wortwahl und Duktus sollte nicht einseitig Stellung genommen und eine Meinung geäussert werden, ohne dass dies klar erkennbar sei.

Die drei Moderatoren der Sendung «SRF Börse» Patrizia Laeri, Reto Lipp und Martin Stucki beobachten das Börsengeschehen seit vielen Jahren und haben vertiefte Kenntnisse der Materie. Sie sind ausgesprochen kompetent, das Börsengeschehen in kürzester Zeit einzuordnen und einzuschätzen.

Der Beschwerdeführer zitiert das Beispiel der Moderation von Patrizia Laeri (12.10.) zum steigenden Ölpreis: «Der Renner an der Börse diesen Monat in der Schweiz: Die Ölplattformbetreiberin Trans Ocean. Sie hat ein Viertel zugelegt. Ähnlich fett der Gewinn von Erdöl. Seit August fast 30 Prozent zugelegt. Der Erdölpreis gibt Vollgas, die Aktien der Rohstoffriesen steigen. Gibt eine antriebsschwache Branche wieder Schub und warum?» Die Moderation sagt mit keinem Wort und suggeriert auch nicht, dass hohe Erdölpreise insgesamt gut seien.

Der Beschwerdeführer argumentiert, dass mit der Wortwahl «Projekte und Investitio­nen habe man den Hahn massiv zugedreht» der Eindruck entstehe, die Drosselung der Erdölproduktion sei aus Sicht von «SRF Börse» gesamtwirtschaftlich eine negati­ve Entwicklung und beurteilt dies als falsche und unnötige Wertung. Diese Behaup­tung ist aber aus dem Zusammenhang gerissen: Die Moderatorin ergänzt weiter: «Ergo. Wird das Angebot knapp, kann sich das Erdöl wieder verteuern. Das ist ökonomisch gesehen schlicht das Gesetz von Angebot und Nachfrage». Der Befund, dahinter eine Wertung zu sehen, ist falsch.

In der Moderation von Reto Lipp (16.10.) zu Nestlé (9-Monatszahlen) kritisiert der Beschwerdeführer folgende Aussage: «Besser läuft es Nestlé in den USA und in Südamerika». Mit dem Wort «besser» würde Reto Lipp der Information eine Meinung beimischen: Je höher der Umsatz, desto besser. Ein höherer Umsatz eines Unter­nehmens sei nicht per se gut für die ganze Wirtschaft.

Der Beschwerdeführer reisst aber auch diese Moderation aus dem Zusammenhang. Die vorangehende Moderation lautet: «... auch sonst läuft es in Asien für Nestlé nicht rund, die Umsätze mit ... und ... sind rückläufig». Insofern ist das Adverb «besser» in den gesamten Kontext einzuordnen. In diesem Fall geht es nicht, wie der Beschwer­deführer suggerieren will, um Marktmacht, Oligopol- oder Monopolstellungen.

In der Sendung vom 19.10. kritisiert der Beschwerdeführer, dass die Moderation über Ems-Chemie (9-Monatszahlen) unkritisch sei, unbelegte Behauptungen der Modera­torin und eine PR-Darstellung der Firma sende. Der Befund des Beschwerdeführers entbehrt jeglichen Beweises. In der Presse kommen diverse Autoren anhand des Quartalsberichtes zu ähnlichen Schlüssen.

In den zehn untersuchten Sendungen suggeriert «SRF Börse» nie, höhere Gewinne von Unternehmen seien gesamtwirtschaftlich immer wünschenswert und nützlich. Das ist eine unbewiesene Behauptung des Beschwerdeführers.

Die ständig und systematisch sehr positive Beurteilung hoher Gewinne und Börsen­kurse sei weder sachgerecht noch spiegle dies die Vielfalt an Meinungen, kommt der Beschwerdeführer zum Schluss. In der zur Verfügung stehenden kurzen Sendezeit liefert «SRF Börse» Einordnungen und kritische Anmerkungen zum Börsenge­schehen. Verluste wie Gewinne werden eingeordnet und kritisch beleuchtet.

Zusammenfassung

X kritisiert, die Sendung «SRF Börse» wiederhole einseitige Darstellun­gen, lasse relevante Punkte weg und vermische Tatsachendarstellungen und Meinun­gen. Die Zuschauerinnen und Zusschauer könnten sich deshalb keine eigene Mei­nung bilden, die Sendung sei konzessionswidrig.

Mit ihren obigen Ausführungen hat die Redaktion dargelegt, dass die Vorwürfe von X nicht haltbar sind. Die Redaktion ist der festen Überzeugung, dass die Sendung «SRF Börse» ein konzessionskonformes Format ist. Mehr noch, dass sie eine Sendung ist, die den Zuschauerinnen und Zuschauern einen relevanten Mehr­wert bietet.

Die Wirtschaftsredaktion beantragt deshalb, die Beschwerde abzuweisen.“

3. Soweit die Stellungnahme der Verantwortlichen von SRF. Herr Reto Gerber als Leiter der Wirtschaftsredaktion sowie Tobias Bossard als Teamleiter Wirtschaft/Aktu­alität begründen sehr ausführlich, warum sie beantragen, Ihre Beanstandung abzu­weisen. Ich kann mich deshalb kurz fassen.

Geht es nun um meine eigene Beurteilung, so stelle ich fest, dass Sie aufgrund der zehn Sendungen „SRF Börse“ der Wochen 42 und 43 die Meinung vertreten, dass die einzelnen Sendungen sowie das ganze Sendegefäss „nicht konzessionskonform“ seien. Sie werfen „SRF Börse“ vor, sowohl das Vielfaltsgebot von Art. 4. Abs. 4 RTVG wie auch das Sachgerechtigkeitsgebot von Art. 4 Abs. 2 RTVG zu verletzen. Indem Sie zehn Sendungen gleichzeitig beanstanden, welche nicht länger als zehn Monate vor der letzten beanstandeten Ausstrahlung zurückliegen und einen themati­schen Zusammenhang ausweisen, erfüllt Ihre Eingabe die Voraussetzungen der Zeitraumbeschwerde nach Art. 92 Abs. 1 Satz 3 RTVG.

Ganz allgemein vertreten Sie die Auffassung, wonach SRF diese Sendung „für ein breites Publikum“ wohl nur erfunden hat, weil eine Bank als Sponsorin dafür zahlt, und weil es dieses kurze Informationsgefäss erlaubt, vorher und nachher zu bester Sendezeit zwei Werbeblöcke zu platzieren. Ich bitte um Verständnis dafür, wenn ich auf diese allgemeinen Unterstellungen nicht eintreten kann. Dafür ist die Ombuds­stelle nicht zuständig.

Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass im Rahmen der gewährleisteten Pro­grammautonomie von Radio und Fernsehen eine tägliche, kurze Sendung vor der Tagesschau über die Entwicklung der Börse absolut zulässig ist. Denn unabhängig vom angesprochenen Publikum ist die Entwicklung der Schweizer Aktienkurse für die ganze Bevölkerung von Bedeutung. Voraussetzung dafür ist aber, dass die bereits zitierten rechtlichen Bedingungen von Art. 4 RTVG respektiert werden.

Nachdem ich die von Ihnen kritisierten zehn Ausgaben der Sendung „SRF Börse“ analysieren konnte, gelange ich zu differenzierteren Schlussfolgerungen als Sie. Dies aus verschiedenen Gründen.

Zuerst einmal, weil es sich bei „SRF Börse“ eigentlich um eine spezielle, besondere Sendung handelt. Inhalte und Aufmachung werden im Internet auch transparent und vollständig wie folgt angekündigt:

Sendungsporträt

«SRF Börse» berichtet über die Entwicklungen, welche die Schweizer Börse täglich bewegen. Sie beobachtet und analysiert Trends und Perspektiven. «SRF Börse» holt dazu die Meinung von Konzernchefs und anderen wichtigen Entscheidungsträgern der Wirtschaft ein.

Das Publikum weiss somit, was es von der Sendung erwarten kann. Der Aufbau der Sendung ist stets der gleiche und entspricht den Vorgaben des Sendungsportraits. Die drei Moderatoren kündigen das Hauptthema des Tages an und kommentieren die gewählte aktuelle Börsenfrage. Öfters werden dazu Konzernchefs oder andere Wirtschaftsfachleute zum Thema befragt. Gleichzeitig können in einem Balken am unteren Rand des Bildschirms der Tagesschlussstand des SMI und die Schwankung der Währungen sowie – in bewegter Form – die Schlussbewertung der wichtigsten Schweizer Aktien und der entsprechenden Tagesgewinne oder Verluste gelesen werden. Das Publikum wird damit sachlich und vollständig über die täglichen Ent­wicklungen der Schweizer Börse informiert.

Sie monieren, dass hohe Börsenkurse gut bewertet werden, tiefe dagegen schlecht. Damit kann der Eindruck entstehen, dass höhere Börsenkurse für die Wirtschaft und für die Allgemeinheit nur positiv seien. Diese kritische Bemerkung kann ich durchaus nachvollziehen. Dies ist aber nicht zu vermeiden und kann nicht „SRF Börse“ vorge­worfen werden. Solche „positiven“ oder „negativen“ Wahrnehmungen gehören gera­dezu zur Börsensprache. Steigt der Kurs, spricht man von „plus“, was eindeutig besser tönt als „minus“. Das Wort „steigen“ ist klar besser als „sinken“, „Gewinne“ sind positiver als „Verluste“. Sämtliche Berichterstattung über die Börse weisen diese Merkmale auf. Einige Beispiel vom 17. Dezember, der Tag nach dem Entscheid der amerikanischen Fed: „Fulminante Erholung an der Schweizer Börse“ (20 Minuten), „Schweizer Börse wird nach dem Fed-Zinsentscheid befeuert“ (Watson), „Schweizer Börse zieht kräftig an“ (CASH) oder aus Deutschland „US-Zinserhöhung gibt den Börsen Rückenwind“ (ARD).

Sie werfen „SRF Börse“ vor, ausschliesslich die Unternehmerseite zu Wort kommen zu lassen und andere, kritischere Ansichten überhaupt nicht zu berücksichtigen. Die vorhandene weltanschauliche-ökonomische Vielfalt würde deshalb nicht zur Darstel­lung kommen.

Wird deshalb das Vielfaltsgebot, das einseitige Tendenzen in der Meinungsbildung verhindern will, verletzt? Ich glaube es nicht. Zuerst einmal, indem die Sendung aus­drücklich und transparent über den Stand der Börse berichten will und dabei die di­rekt Betroffenen zum Hauptthema zu Wort kommen lässt. Dann aber auch, weil laut Praxis das Vielfaltsgebot, anders als das Sachgerechtigkeitsgebot, sich an das Pro­gramm insgesamt richtet. Auch wenn nicht im täglichen Rhythmus, werden in ande­ren Sendegefässen von SRF regelmässig die von Ihnen geforderten kritischen Infor­mationen über das Wirtschafts- und Börsengeschehen übermittelt. In ihrer Stellung­nahme erwähnen die Verantwortlichen von SRF zahlreiche Beispiele.

Es fällt mir zudem auf – und dies erachte ich als wichtig –, dass in nicht weniger als in acht der zehn analysierten Sendungen der Wochen 42 und 43 eine Vertiefung einer bedeutenden Wirtschaftsfrage in der nachfolgenden Tagesschau angekündigt wird. Nur einige Beispiele: In der Sendung vom 12. Oktober wird angekündigt, dass die Tagesschau über die Frage der „Flüchtlingsanleihe“ berichten würde. Am 13. Oktober ging es um die Mega-Fusion in der Bier-Branche, am 14. Oktober über die Auswirkungen der „miesen Börse“ auf die Pensionskassen, usw. Diese Beispiele genügen meines Erachtens, um zu beweisen, dass „SRF Börse“ und Tagesschau eine publizistische Einheit bilden, was für die Beurteilung des Vielfaltsgebots von Bedeutung ist.

Berücksichtig man das Gesamtprogramm von SRF, gelange ich zur Auffassung, dass die Bedingungen von Art. 4 Abs. 4 RTVG genügend entsprochen werden, damit das geforderte Vielfaltsgebot als nicht verletzt angesehen werden kann.

Bezüglich der Einhaltung des Sachgerechtigkeitsgebots nach Art. 4 Abs. 2 RTVG hat die Ombudsstelle nicht die Qualität oder den Stil einer Sendung zu beurteilen. Die Ombudsstelle hat dagegen zu überprüfen, ob dem Publikum aufgrund der in der Sendung vermittelten Fakten und Meinungen ein möglichst zuverlässiges Bild über einen Sachverhalt oder ein Thema vermittelt wird, so dass dieses sich darüber frei eine eigene Meinung bilden kann. Umstrittene Aussagen sollen als solche erkennbar sein. Fehler in Nebenpunkten und redaktionelle Unvollkommenheiten, welche nicht geeignet sind, den Gesamteindruck der Ausstrahlung wesentlich zu beeinflussen, sind programmrechtlich nicht relevant. Das Sachgerechtigkeitsgebot verlangt zudem nicht, dass alle Sichtweisen qualitativ und quantitativ gleichwertig zum Ausdruck kommen.

Bei der Behandlung von Beanstandungen muss die Ombudsstelle der den Veranstal­tern zustehenden Programmautonomie gebührend Rechnung tragen. Denn etwas darf nie vergessen werden: Art. 93 Abs. 3 der Bundesverfassung und Art. 6 Abs. 2 RTVG gewährleisten die Programmautonomie von Radio und Fernsehen. Diese beinhaltet namentlich auch die Freiheit in der Wahl eines Themas einer Sendung oder eines Beitrags und in der inhaltlichen Bearbeitung.

Das Bundesgericht schützt diese Sicht der Dinge ausdrücklich. Diesbezüglich hat es kürzlich Entscheide getroffen, welche die Wahrung der Medienfreiheit verstärken und präzisieren. Demzufolge ist es falsch, „sachgerecht“ mit „ausgewogen“ gleichzuset­zen. Das Gebot der Sachgerechtigkeit erfordert für die einzelne Sendung keine Aus­gewogenheit im Sinne einer möglichst gleichwertigen Darstellung aller Standpunkte. Ein Thema kann auch einseitig oder aus einem bestimmten Blickwinkel beleuchtet werden, ohne das Gesetz zu verletzen, wenn dies in transparenter Weise geschieht und die wesentlichen Fakten korrekt vermittelt werden.

Dies war meiner Meinung nach in den zehn analysierten Sendungen von „SRF Bör­se“ weitgehend der Fall. Dass die Börsendaten umfassend und korrekt wiedergege­ben werden, habe ich bereits unterstrichen.

Zudem auch, wenn die Entscheidungsträger zu Wort kommen können – wie im Sendungsportrait auch angekündigt –, haben sie nicht lediglich die Möglichkeit, ihr Unternehmen ins beste Licht zu rücken, sondern werden öfters mit kritischen Fragen konfrontiert, welche mindestens zum Teil Ihren Forderungen entsprechen. Die Ver­antwortlichen von „SRF Börse“ erwähnen dabei sieben derartige Beispiele (siehe Seiten 9 und 10). Das Publikum ist deshalb durchaus in der Lage, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Auf Grund all dieser Überlegungen gelange ich zur Auffassung, dass sowohl das Vielfalts- wie auch das Sachgerechtigkeitsgebot in den zehn von Ihnen kritisierten Sendungen nicht verletzt wurden. Auch wenn ich für Ihre Sorge nach einer umfas­senden Darstellung des Börsengeschehens und deren Ursachen und Folgen viel Respekt aufweise, kann ich deshalb Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, nicht unterstützen.

Ich erlaube mich aber den Verantwortlichen vom „SRF Börse“ zu empfehlen, von Zeit zu Zeit (Monatsrhythmus?) eine Sondersendung vorzusehen. Darin – nebst den Börsendaten des Tages – könnte man die Bedeutung und das Funktionieren der Börse für das breite Publikum erläutern. Dass dabei die ständige Aussage, wonach steigende und hohe Börsenkurse gut sind für die reale wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz, sollte auch durch andere Meinungen und Ansichten im Sinne der Beanstandung ergänzt werden.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Mög­lichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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