Unterschiedliche Perspektiven zum audiovisuellen Service public – eine Interviewserie

Vorgängig zur Sondersession zum audiovisuellen Service public in der Wintersession 2015 hat der freischaffende Publizist und Medienkritiker Robert Ruoff für die «Südostschweiz» sechs Interviews mit Persönlichkeiten aus dem Medienumfeld durchgeführt. Anrisse und Links zu den Interviews.

Der Historiker

Jakob Tanner
Jakob Tanner ist emeritierter Professor für Geschichte der Neuzeit und der Schweizer Geschichte an der Universität Zürich. (Bild: Adrian Ritter)

Für Jakob Tanner ist der Kampf um den Service public der SRG im Anspruch um wirtschaftliche und politische Macht begründet. Ihm zu folge wird die Gegenwart und Zukunft von denjenigen gestaltet, die die Medien und Informationskanäle beherrschen. «Mit der Verwertung von Daten lässt sich sehr viel Geld verdienen. So entsteht wirtschaftliche Macht, die über Medienkontrolle wiederum politisch umgesetzt werden soll. Kein Wunder, dass die SRG von jenen, die mehr Macht für die Privatwirtschaft wollen, attackiert wird.» Zum Interview

Die Direktorin

Ladina Heimgartner
Ladina Heimgartner ist Direktorin Radiotelevisiun Svizra Rumantscha und Mitglied der Geschäftsleitung SRG. (Bild: Keystone)

Der Graben zwischen der SRG auf der einen und den Verlegern auf der anderen Seite machen die mit den Gebühren einhergehende stückweite finanzielle Planungssicherheit und Unabhängigkeit aus, ist Ladina Heimgartner überzeugt. «Das Geschäftsmodell der Verleger – die klassische Zeitung – bricht ein mit der Digitalisierung. Das Internet bietet unendlich viel schnelle Information und saugt gleichzeitig viel Inseratenwerbung auf, die früher in den Zeitungen, am privaten Radio und am Fernsehen war. Globale Unternehmen wie Google, Facebook, Amazon saugen auch schon Werbegeld ab aus der Schweiz. Das führt zu einem harten Kampf um Marktanteile.» Und auch Teile der liberalen Kreise, widerstrebe die Idee des Service public grundsätzlich. Zum Interview

Der Filmschaffende

Samir
Samir ist ein Schweizer Filmemacher, Filmproduzent und Regisseur. (Bild: SRF)

Samir sieht den Integrationsauftrag der SRG durch den audiovisuellen Service public nicht erfüllt. Er fragt sich: «Warum gibt es beim Personal des Service public so wenig Menschen, die durch den Namen, die Sprache, die Erscheinung als Eingewanderte erkennbar sind?» Und die Antwort dazu findet er auch im Programm: «Es ist genau die Schweiz, die die ‚Ur-Schweizer’ sehen und verewigen wollen. Aber es ist, alles in allem, in dieser ganzen Serie ‚Bi de Lüüt’ und anderen Sendungen dieser Art, vor allem eine geschönte Schweiz. Ein ganzer Teil der schweizerischen Gesellschaft wird ausgeblendet.» Zum Interview

Der Marktanalyst

Ueli Custer
Ueli Custer ist Geschäftsführer der Interessengemeinschaft für elektronische Medien IGEM und Spezialist für den Leser-, Zuschauer- und Hörermarkt. (Bild: Keystone)

Obwohl Ueli Custer das Unternehmen SRG im privatwirtschaftlich finanzierten Medienmarkt als Fremdkörper wahrnimmt, sieht er keine Möglichkeit den Zwiespalt mit dem gebührenfinanzierten Service public zu umgehen. «Eine Organisation wie die SRG ist für die drei- oder viersprachige Schweiz sehr wichtig. Man muss nur mal die Deutschschweizer Optik aufgeben. Dann sieht man: Im Tessin hätten wir sehr schnell kein eigenständiges Fernseh-Vollprogramm mehr, es würde zur italienischen Fernsehprovinz. Wir können es uns nicht leisten, das Tessin massiv schlechter zu behandeln als die Deutschschweiz. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für die
Westschweiz.» Zum Interview

Der Verleger

Peter Wanner
Peter Wanner ist Präsident des Verwaltungsrats der AZ Medien. (Bild: G. Krischker)

Der Verleger Peter Wanner ist der Auffassung, dass auch die privaten Medien einen Service public erbringen und er macht sich für ein duales Modell stark: «Eine Lösung wäre, bei der SRG die Werbung abzubauen oder abzuschaffen. Die Werbung bleibt dort bei den Privaten, und der Wettbewerb zwischen den öffentlichen gebührenfinanzierten und privaten werbefinanzierten Anbietern führt zu innovativen Programmen. Vernünftig wäre wohl ein Vorgehen mit Werbebeschränkungen, wie man es z.B. in unseren Nachbarländern Deutschland und Frankreich kennt. Dort dürfen die öffentlich-rechtlichen Sender ab 20 Uhr keine Werbung mehr ausstrahlen.» Zum Interview

Der Medienexperte

Otfried Jarren
Otfried Jarren ist Professor am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung sowie Prorektor an der Universität Zürich und er präsidiert die Eidgenössische Medienkommission EMEK. (Bild: Keystone)

Und zu guter Letzt findet Otfried Jarren, dass Regulierung der zusammenwachsenden Medien-, Telekommunikations- und IT-Branche unabhängig von Technologien und Branchen ganzheitlich auf Nutzer- und Anbieterseite zu erfolgen habe. Einflussmöglichkeiten seitens Politik auf den Service public zurück weist er zurück, da diese der Medienfreiheit widersprächen. «Es kann nicht Aufgabe von Nationalrätinnen sein, zu entscheiden, ob Eishockey übertragen werden darf oder nicht. Es ist Aufgabe des Service public, also der SRG, die Erfüllung des Auftrags im Rahmen der Konzession zu definieren und zu realisieren.» Zum Interview

Titelbild: SRF / Michael Stahl
Interviews: Robert Ruoff
Quellen: südostschweiz.ch

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