Elf Angebote der SRG an die Verleger
SRG-Generaldirektor Roger de Weck hält Kooperationen mit Privaten für unerlässlich. Er schlägt eine ganz pragmatische Zusammenarbeit vor. Nur so könne der Schweizer Medienplatz gestärkt werden.
ROGER DE WECK
Der Anteil der rund 200 ausländischen Fernsehkanäle am Schweizer Markt übersteigt 60 Prozent. Von den acht Millionen Menschen im Lande besuchen fünf Millionen täglich Google, und 3,4 Millionen haben ein Facebook-Profil. Unser Medienplatz ist noch stärker globalisiert als der Finanzplatz.
Niemand käme auf den Gedanken, es sei eine Kernaufgabe der Politik, öffentliche Banken wie etwa die Kantonalbanken zu schwächen, um so den Schweizer Finanzplatz zu stärken. Im globalisierten Wettbewerb ist der Zwist zwischen privaten Instituten und öffentlichen Banken in den Hintergrund gerückt – alle packen lieber Zukunftsaufgaben an.
Auf dem Medienplatz hingegen überdauert der anachronistische Grabenkampf zwischen privaten Medienhäusern und dem öffentlichen Medienhaus SRG SSR. Trotz des globalisierten Wettbewerbs läuft die Debatte weiter so, als seien die Schweizer Medien unter einer Käseglocke: Man schwäche die SRG, das werde die Verleger stärken! Die Realität ist eine andere. Von einem Abbau bei der SRG würden ihre massgeblichen, sprich ausländischen Konkurrenten am meisten profitieren: die deutschen, französischen, italienischen Kanäle und audiovisuelle Anbieter wie YouTube oder Netflix, deren Marktanteil dann noch rascher wachsen würde.
Je kleiner das Kuchenstück, das den Schweizern verbleibt, desto heftiger liefern sie sich Verteilungskämpfe. Weiter so? Nein. Es gibt eine zukunftsweisende Alternative: Kooperationen, um einander zu stärken und Marktanteile zu halten. Kooperation um des Wettbewerbs willen – coopetition – ist im Netzzeitalter eine Selbstverständlichkeit.
Für Kooperationen plädieren auch die Fachleute der Eidgenössischen Medienkommission. Ihr jüngster Bericht bestärkt die SRG, sie solle «mehr mit privaten Unternehmen kooperieren und damit insgesamt einen grösseren Beitrag leisten zur Entwicklung der Kreativitätsbranche im Bereich der audiovisuellen Kommunikation sowie zur Stärkung des Medienplatzes».
«Auf Zusammenarbeit bauen», lautet ein Hauptziel der SRG-Unternehmensstrategie, die im Internet veröffentlicht ist. Die SRG setzt jetzt erst recht auf Kooperation. Aus drei Gründen:
- Technologisch: Digitale Technologien erfordern hohe Investitionen; nur mittels Kooperationen lassen sich die Infrastruktur-Kosten aller Partner senken.
- Journalistisch: Medien können sich punktuell ergänzen, aber ohne dass daraus ein «Einheitsbrei» wird.
- Wirtschaftlich: Im Zusammenspiel mehrerer Medienhäuser lässt sich Werbung effizient vermarkten, da viele Werbeauftraggeber «crossmedial» – quer durch alle Medien – ihre Zielgruppen anpeilen.
Mit Ringier und Swisscom arbeitet die SRG an einer Werbeplattform, die allen Interessenten diskriminierungsfrei offensteht – damit mehr Werbefranken in der Schweiz bleiben und den Journalismus so mitfinanzieren.
Und in einem nächsten Schritt bietet jetzt die SRG elf Kooperationsmodelle im Journalismus und in der Technologie an. Diese Modelle möchte sie gemeinsam mit interessierten Partnern weiterentwickeln:
Videos stehen zur Verfügung. Die SRG stellt den Verlegern aktuelle Videos zur Verfügung, sei es im Internet-Player ihres Verlags, sei es «eingebettet» in die Webseiten des Verlags und abgespielt im Player der SRG. Ein Pilotprojekt verlief vielversprechend; die SRG partizipierte an den Werbeeinahmen, die der Verlag mit den Videos erzielte.
Formel 1, Leichtathletik, Hallensport, Tennis: gemeinsam Erfahrungen sammeln.
- Der dreijährige Vertrag zur Übertragung von F1-Rennen endet 2016. Erhält die SRG 2017 wiederum den Zuschlag und darf sie unterlizenzieren, wird sie die Hälfte der zwanzig Rennen privaten TV-Kanälen anbieten, zum Beispiel 3+ oder TV24 von AZ Medien. So lassen sich Erfahrungen sammeln, ohne dass ein kleiner Kanal auf Anhieb drei Jahre lang alle F1-Rennen selbst berappen müsste.
- In der Leichtathletik besteht bereits ein ähnliches Modell, dank dem TV24 dieses Jahr mindestens vier Diamond-League-Meetings übertragen wird. Auch verwendete sich die SRG für eine Lizenz des Internationalen Tennisverbands an TV24: Der Privatsender überträgt seit 2015 Fed-Cup-Spiele mit den Schweizerinnen Bacsinszky, Bencic und Hingis.
- Die SRG wird in einem Pilotprojekt 2016, 2017 und 2018 alle wichtigen Cup- und Meisterschaftsspiele der grossen Hallensportarten Basketball, Handball, Unihockey, Volleyball produzieren und im Web live übertragen: je Sportart zehn Spiele pro Jahr. Während der Pilotphase bietet die SRG regionalen TV-Sendern, Sportverbänden und dem Sponsor Mobiliar an, dass sie unentgeltlich diese Spiele ebenfalls übertragen.
Ausbildung: Die SRG investiert seit je in die Fortbildung von Journalisten. Sie ist bereit, ihre Angebote systematisch für Kollegen privater Medienhäuser zu öffnen.
HbbTV-Technologie (Hybrid broadcast broadband TV) auch für Private. Das interaktive Fernsehen – HbbTV oder SmartTV – ist der digitale Nachfolger des analogen Teletexts und heute ein Muss für Kanäle in Europa.
- Die SRG hat eine technologische Plattform für HbbTV entwickelt, die sie nun den privaten Fernsehkanälen zur Verfügung stellt.
- Die SRG bietet an, neben SRG-Radios auch private Radios via HbbTV zu verbreiten.
- Für Sinnesbehinderte entwickelt die SRG derzeit eine Technologie für Live-Untertitel via HbbTV. Ergebnisse dürften 2017 vorliegen. Die SRG wird die Technologie privaten Kanälen anbieten, die künftig von Gesetzes wegen bestimmte Sendungen untertiteln müssen.
Kooperation mit SwissTXT. Journalismus und Technologie sind je länger, desto weniger zu trennen. In Biel hat die SRG ihre Technologie-Tochtergesellschaft SwissTXT mit breitem Know-how etwa bei Video-Plattformen und Media-Hubs. SwissTXT ist offen für sinnvolle Kooperationen, bis hin zu Joint Ventures.
Web-Player der SRG für private Sender. Über Jahre hat die SRG einen Web-Player («Play SRF») entwickelt. Jetzt bietet sie Privatsendern an, ausgewählte Inhalte auch in diesem Player zu verbreiten; das erhöht deren Visibilität, werden doch 20 Millionen Beiträge pro Monat aufgerufen. Das Vorhaben ist technisch anspruchsvoll. Um voranzukommen, schlägt die SRG zunächst konzessionierten TV-Sendern eine einfache Lösung («Embed auf responsiver Webseite») vor; ihre Inhalte hätten einen separaten Bereich im SRG-Player. Später wäre die Öffnung für Privatradios und weitere TV-Sender vorzubereiten.
Gemeinsame Apps. Die SRG bietet privaten Medienhäusern, Bildungsinstitutionen und Dritten an, Applikationen für Mobilgeräte gemeinsam zu entwickeln oder weiterzuentwickeln und bei geeigneten Apps inhaltlich zusammenzuarbeiten. In Betracht fallen sprachregionale und nationale Apps.
«Swiss Channel» auf YouTube: Die SRG bietet privaten Medienhäusern an, gemeinsam die Lancierung eines mehrsprachigen «Swiss Channel» auf YouTube zu prüfen, um auch die Produktion der Privaten international zur Geltung zu bringen.
DAB+ erleichtern: Für die digitale Ausstrahlung (Digital Audio Broadcasting DAB+) von privaten Radios in der Süd- und Südostschweiz schafft die SRG Platz, indem sie die Bandbreite eigener Sender und minimal auch die Tonqualität verringern will.
SRG-Nachrichtenbulletins für Regionalradios. Die SRG bekräftigt ihr Angebot an Privatradios, die ihre Mittel auf die eigene Region konzentrieren wollen: Sie können gegen ein sehr erschwingliches Entgelt täglich bis zu 24 Nachrichtenbulletins der SRG integral, zeitgleich und unter Quellenangabe ausstrahlen. Ganz kostenlos geht es nicht, denn die SRG darf mit dem Geld der Gebührenzahler keine privaten (manchmal ohnehin hoch rentablen) Unternehmen bezuschussen.
Überregionale Fenster für das Regionalfernsehen. Im Rahmen der Public-Private-Partnership «PresseTV» strahlen NZZ, Basler Zeitung, Handelszeitung und Bilanz Sendungen auf SRF aus. Die SRG öffnet nun zusätzlich die Kanäle SRF info, RTS deux (Romandie) und RSI La2 (italienische Schweiz) für geeignete Sendungen der regionalen konzessionierten Fernsehkanäle, falls diese überregional Flagge zeigen wollen. Täglich könnte eine Auswahl Sendungen auf SRG-Kanälen wiederholt werden. Im Umfeld eigener Sendungen wären die Regionalsender an den Einnahmen aus Werbespots beteiligt.
Die SRG pflegt viele Kooperationen: mit der Schweizer Filmbranche, der Musikbranche, den Orchestern, Produzenten, Festivals, Archiven, mit Verbänden der Kultur und Volkskultur, des Sports, der Sinnesbehinderten, mit Kirchen, dem Erziehungswesen fürs Schulfernsehen, mit Ausbildungsstätten, mit der Forschung, mit Netzbetreibern, Technologie-Partnern, Urhebergesellschaften, mit den privaten Radios für den Wechsel zu DAB+, mit einzelnen Verlagen.
Es sind verlässliche, oft langjährige Partnerschaften, in denen jeder seine Interessen vertritt, aber an Lösungen interessiert ist, die für beide stimmen. Wieso nicht auch eine Reihe von Win-Win-Kooperationen mit interessierten Verlegern? Warum nicht – wo zweckmässig, praktikabel und zum allseitigen Vorteil – Branchenlösungen mit dem Verband Schweizer Medien, unter Beizug wichtiger Nicht-Mitglieder, und mit anderen Medienverbänden?
Kooperation schafft Vertrauen, weicht Fronten auf, es entfaltet sich eine produktive Dynamik. Entsprechende Verhandlungen haben erfahrungsgemäss eine gute Chance, wenn es sich um business- und zielorientierte Gespräche auf der Suche nach ganz pragmatischen, beidseits vorteilhaften Lösungen handelt. Werden hingegen medienpolitische Ausmarchungen damit verquickt, ist das Scheitern programmiert.
Der Umbruch der Medien bringt ein Umdenken. Alle Medienhäuser sind im Umbau, müssen sich neu (er-)finden. Da ist die SRG – und das sehen auch viele Verleger so – bei weitem nicht das Kernproblem der privaten Medienhäuser. Die SRG ist weder Kernproblem noch Patentlösung; sie will mit fairen Kooperationen ihren Teil dazu beitragen, den viersprachigen Schweizer Medienplatz im internationalen Wettbewerb zu stärken.
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