«Als Produzent braucht es Kraft und Vision»
Ob in Solothurn, Locarno oder bei den «Oscars» – wenn es um Filme geht, dreht sich fast alles um die Schauspielerinnen und Schauspieler. Manchmal steht auch die Regie im Zentrum des Interesses. Viel seltener spricht man von den wunderbaren Bildern der Kameraleute, vom ausgeklügelten Schnitt, von der Filmmusik oder gar vom raffinierten Ton. Wie zentral auch die Produktion für die Entstehung von Filmen ist, wird fast nie zum Thema. Diese Lücke füllte das Podiumsgespräch der grössten Filmproduzentin des Landes – der SRG SSR – anlässlich der 51. Solothurner Filmtage am 24. Januar 2016.
Nach der Aufführung des Jugenddramas «Amateur Teens» von Niklaus Hilber waren die SRG-Mitglieder eingeladen, aus erster Hand mehr über die Arbeit der Filmproduzenten zu erfahren. Niggi Ullrich, Präsident der SRG Region Basel, hatte Reinhard Manz (point de vue), Anita Wasser (Turnus Film und ZHdK), Louis Mataré (Lomotion) und Valentin Greutert (A Film Company GmbH) zum Gespräch eingeladen. Obwohl die vier Podiumsgäste sich auf ganz verschiedene Filmgenres spezialisiert haben, waren sie sich in den zentralen Punkten einig. So geht die Arbeit von Filmproduzenten in der Schweiz weit über die Beschaffung der finanziellen Mittel
hinaus. Während ein Produzent in den USA das Geld habe, müsse man es in der Schweiz zuerst suchen, fasste es Louis Mataré zusammen. Und während mit der Finanzierung die Arbeit eines amerikanischen Produzenten meist getan sei, fange sie für seine Schweizer Berufskollegen erst an. Sie sähen sich als Begleiter, als «œil exterieur» oder gar als Geburtshelfer, meinten die vier, die von der Entwicklung des Drehbuchs über die Besetzung und künstlerische Umsetzung bis hin zum Marketing und zum Vertrieb in alle Phasen eines Filmprojekts eingebunden sind. Ob es sich nun um politisch und künstlerisch engagierte Dokumentarfilme handelt wie bei Reinhard Manz oder um eine von Anita Wasser produzierte Folge des «Tatort» oder auch um die interaktive Webserie «Experiment Schneuwly» im Falle von Louis Mataré: Schweizer Filmproduzenten sehen sich als Vermittler, und sie lieben ihren Beruf, weil er so viele unterschiedliche Facetten hat.
LINK sprach mit Podiumsteilnehmer Valentin Greutert, dem Produzenten von «Amateur Teens», über seine Erfahrungen als Filmproduzent.
LINK: Wie wird man in der Schweiz Filmproduzent?
Valentin Greutert: Zu meiner Zeit gab es noch keine Produktionsausbildung wie heute an den meisten Filmschulen. Deshalb studierte ich zunächst Volks- und Betriebswirtschaft. Während des Studiums machte ich einige Praktika als Produktionsassistent und nach dem Studium begann ich, bei der Zürcher Produktionsfirma «Dschoint Ventschr» zu arbeiten. 2004 habe ich dann meine eigene Firma gegründet. Die wenigsten Produzenten verfügen über eine konkrete Produktionsausbildung, das Handwerk lernt man im Job. Auch die Kontakte, die in unserem Beruf zentral sind, kann man sich erst dann erarbeiten.
Was braucht es, um ein (guter) Produzent zu sein?
Komplexe Frage. Auf den kleinsten Nenner gebracht, könnte man vielleicht sagen: Als Produzent braucht es die Kraft und die Vision, ein Projekt inhaltlich und produktionell voranzutreiben. Wir sind Motivatoren, Berater, Vermittler, suchen Geldgeber, schreiben Eingaben ... Letztlich müssen wir Partner sein können, die mit den Autoren und Regisseuren am gleichen Strick ziehen.
Welche Rolle spielt die SRG SSR für Schweizer Produzenten?
Die SRG ist für die Filmproduktion in der Schweiz ein absolut zentraler Partner. Bei sehr vielen Filmen ist die SRG über die Sender als Koproduzentin beteiligt. Die Zusammenarbeit ist aus meiner Sicht auf jeden Fall positiv zu beurteilen. Der neue «Pacte de l’audiovisuel» zwischen der Branche und der SRG zeugt von diesem guten Verhältnis. Ohne die SRG wäre das Schweizer Filmschaffen quasi inexistent. Das kann man im Vorfeld der No-Billag-Initiative nicht oft genug sagen.
Konkreter zu «Amateur Teens»: Wann stiessen Sie dazu?
Niklaus Hilber hatte bereits zwei Fassungen des Drehbuchs geschrieben, als er mich anfragte. Wir kannten uns schon von anderen Projekten und sind Freunde.
Warum haben Sie den Film produziert?
Letztlich produziere ich einen Film, wenn ich an die Geschichte, den Regisseur und die Vision glaube, die hinter dem Film stehen. Bei «Amateur Teens» ging es auch darum, ein aktuelles, gesellschaftsrelevantes Thema zu bearbeiten.
Was waren die grössten Herausforderungen bei der Produktion von «Amateur Teens»?
Da die Rollen der Teenager nur mit Laien besetzt werden konnten, war das Casting eine grosse Herausforderung. Wir haben zehn Monate vor Produktionsbeginn damit begonnen und über 800 Jugendliche gecastet. In einem aufwändigen Prozess haben wir schliesslich unsere zehn Darsteller gefunden und sie intensiv auf die Rollen vorbereitet. Ich finde, sie haben alle hervorragende Leistungen vollbracht.
Was ist Ihr ganz persönlicher Einfluss auf den Film?
Das misst sich weniger in ganz konkreten als in vielen kleinen Dingen. Ich hatte einen sehr engen kreativen Austausch mit Regisseur Niklaus Hilber, alle grossen Entscheidungen diskutierten wir und suchten eine gemeinsame Vision.
Wie gross war der Einfluss der SRG?
«Amateur Teens» wurde von SRF koproduziert. Die Zusammenarbeit mit der Redaktion war sehr konstruktiv und offen. Wir hatten eine Drehbuchsitzung mit den Redaktoren, die uns mit ihrer Kritik weitergebracht haben. Später war die Zusammenarbeit dann loser, erst beim Rohschnitt gab es wieder eine Abnahme. Ohne die SRG hätten wir den Film nicht finanzieren und also auch nie drehen können.
Zur Person
Valentin Greutert (1974), Inhaber von A Film Company GmbH, hat neben «Amateur Teens» (2015) unter anderem auch die Dok-Filme «ThuleTuvalu» (2014) und «Max Frisch Citoyen» (2007) sowie den TV-Film «Ziellos» (2014) produziert.
Zum Film
«Amateur Teens» ist ein aufwühlendes Drama von Regisseur Niklaus Hilber und koproduziert von SRF, welches das Erwachsenwerden im Zeitalter der digitalen Medien thematisiert. Im Zentrum steht eine Gruppe 14-Jähriger in einer Sekundarschule in Zürich – Jugendliche, die mit ihrer Sehnsucht nach Liebe und Akzeptanz alleine gelassen werden. Ihr Leben ist geprägt von der Macht der Social Media und der stetigen Sexualisierung durch das Internet.
Der Film wurde drei Mal für den Schweizer Filmpreis 2016 nominiert: als bester Spielfilm, beste Hauptdarstellerin (Anina Walt) und beste Nebenrolle (Chiara Carla).
Solothurner Filmtage – Interview mit Produzent Valentin Greutert
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