Beitrag über neue Süd-Strategie der Nato in Radiosendung «Echo der Zeit» beanstandet

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Mit E-Mail vom 28. Januar 2016 beanstanden Sie den Beitrag über „Die neue Süd-Strategie ̈ der Nato“ in der Sendung „Echo der Zeit“ vom 27. Januar. Ich kann Ihnen versichern, dass Ihre Reklamation meine volle Aufmerksamkeit gefunden hat.

1. Sie begründen Ihre Eingabe wortwörtlich wie folgt:

„Hiermit lege ich Beschwerde ein gegen die Aussage des Journalisten Fredy Gsteiger. Zeitpunkt in der Sendung Echo der Zeit: Bei 9 Minuten 5 Sekunden. (Beitrag: „Die neue Süd-Strategie der Nato“, zu Beginn des Berichtes von Fredy Gsteiger)

Stein des Anstosses ist der Satz: „2 Jahre nach der russischen Invasion auf der Krim“.

Auf der Krim hat nie eine Invasion von russischer Seite her stattgefunden. Der Begriff „Invasion“ ist schlichtweg unwahr. Es wird hier Russland – ob nun von Fredy Gsteiger bewusst oder versehentlich – in ein schlechtes Licht gerückt.

Anmerkung: Später – im selben Beitrag - wird dann von Annexion der Krim gesprochen. Annexion ist eigentlich immer noch inkorrekt, denn die Bürger der Krim haben sich für einen Anschluss an Russland ausgesprochen – Völkerrechtlich vollkommen legitim – gleichzeitig auch illegal, weil dies gegen die Verfassung der Ukraine verstossen hat. Da streiten sich die Experten noch heute darüber. Solange das nicht eindeutig geklärt ist, kann man „Annexion“ noch durchgehen lassen. Aber INVASION ist definitiv nicht korrekt.

Fazit: Von der SRG als (Zwangs)-Gebühren finanzierte Institution, die auch ich mit bezahle, erwarte ich eine OBJEKTIVE Berichterstattung, und keinesfalls Propaganda für- oder gegen jemanden. Gerne erwarte ich die Richtigstellung der Berichterstattung in einer der nächsten Sendungen. Ebenfalls hoffe ich, dass solche „Fehler“ in Zukunft nicht mehr passieren“.

2. Wie üblich habe ich die Redaktion um eine Stellungnahme gebeten. Isabelle Jacobi, Redaktionsleiterin „Echo der Zeit“, schreibt:

„Gerne benützen wir die Gelegenheit, Stellung zu beziehen zur Kritik von Herrn X. Wir haben in dem beanstandeten Beitrag in der Sendung «Echo der Zeit» in der Tat von russischer Invasion auf der Krim und von russischer Annexion gesprochen. Und wir stehen voll und ganz hinter dieser Darstellungsweise.

Invasion bezeichnet je nach konsultiertem Wörterbuch „das feindliche Einrücken von militärischen Einheiten in fremdes Gebiet“ (Duden), „the entrance to take possession of...“ (dictionary.com), „l’action d’envahir un pays avec des forces armées“ (Larousse). Also genau das, was Russland im Frühjahr 2014 auf der Krim getan hat.

Dabei handelte es sich – zumindest in einer ersten Phase – nicht um eine klassische Invasion mit regulären Truppen, mit grossen Panzerheeren oder Marineflotten, sondern vornehmlich mit Spezialeinheiten. Doch das ändert am Sachverhalt und somit an der Charakterisierung dessen, was geschah, nichts. Invasionen finden sehr wohl auch mit irregulären Truppen statt. Entscheidend sind die Absicht und die Kommandoketten. Im Fall der Krim hielten sich 2014 russische Militärs völkerrechtlich legal einzig im Marinehafen Sewastopol auf, für den ein ukrainisch-russisches Stationierungsabkommen bestand. Überall sonst, wo sie sich aufhielten und wohin sie eindrangen, handelte es sich um eine Invasion.

Kommt hinzu, dass die Invasion bis heute gar nicht beendet ist: Russland führt die Besetzung der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim fort, hat inzwischen weitere und inzwischen auch reguläre Truppeneinheiten in grosser Zahl dorthin entsandt. Und anders als noch vor zwei Jahren wird das in Moskau nicht mal mehr dementiert. Verteidigungsminister Sergej Schoigu gab öffentlich bekannt, Russland sehe sich genötigt, die Truppenpräsenz auf der Krim zu vergrössern, ja das sei sogar eine Top-Priorität der russischen Streitkräfte. Als Grund gibt Schoigu die militärische Aufrüstung des Westens an. Entsprechende Zitate Schoigus hat auch der sehr staatsnahe und staatsfinanzierte russische Sender „Russia Today“ publiziert. Mittlerweile soll Russland gar Waffensysteme auf der Krim stationiert haben, mit denen sich Atombomben abfeuern liessen. Die militärische Invasion geht also weiter.

Die Besetzung der Krim, ihre Vorgeschichte und die Folgen mögen historisch noch nicht restlos aufgearbeitet sein. Sie sind aber inzwischen bestens dokumentiert. Von internationalen Organisationen, von Denkfabriken, von Journalisten aus aller Welt. Und es waren nicht zuletzt rar gewordene russische Medien wie die „Nowaja Gaseta“, die detailliert recherchiert haben, welche russischen Einheiten an der Invasion auf der Krim beteiligt waren. Darunter die 3. Sonderbrigade aus Togliatti (oder Toljatti) und das 45. Luftlanderegiment aus Moskau. In die Militärgeschichte eingehen werden diese Sonder-Invasionstruppen als „grüne Männchen“, die ihre Einheitszugehörigkeit von den Uniformen entfernt und Nummernschilder von den Fahrzeugen abgeschraubt haben. Kontakt mit diesen russischen Spezialkräften hatte übrigens auch unser langjähriger, früherer Russlandkorrespondent Peter Gysling bei Recherchebesuchen nach dem russischen Einmarsch auf der Krim.

Es erstaunt daher nicht, dass die überwiegende Mehrheit seriöser, internationaler Medien heute von russischer Invasion auf der Krim spricht. Um nur ein paar wenige deutschsprachige zu nennen: FAZ, Welt, Zeit, NZZ. Die Frankfurter Rundschau schrieb übrigens einmal in einem wohl leicht ironisch gemeinten Titel gar von der „freundlichen Invasion auf der Krim“. Und der russische Oppositionelle Michail Chodorkowski formuliert es so: „Ich halte die russische Invasion auf der Krim für einen Fehler.“

Auffallend ist, dass selbst in Moskau die Invasion zwar nach wie vor nicht ausdrücklich als solche bezeichnet, hingegen kaum noch dementiert wird. Präsident Wladimir Putin brüstet sich inzwischen damit, er habe am letzten Tag der Olympischen Spiele von Sotschi den Auftrag gegeben, mit der Rückholung der Krim zu beginnen. Und er räumt mittlerweile ein, selbstverständlich seien die Selbstverteidigungskräfte auf der Krim von russischen Soldaten unterstützt worden. Der Kreml vergab seither sogar offiziell Orden an Schlüsselfiguren der „grünen Männchen“.

Ebenso gut dokumentiert ist die von Herrn X ebenfalls kritisierte Verwendung des Begriffs „Annexion“. Sogar die Uno-Generalversammlung verwendet ihn in einer Resolution und macht gleichzeitig klar, das damalige von Moskau anberaumte Referendum entbehre jeglicher legalen Grundlage. Die Uno ruft deshalb weiterhin zur Wiederherstellung der völkerrechtlichen Ordnung, sprich der ukrainischen Souveränität auf der Krim auf.“

3. Soweit die Stellungnahme der Redaktion. Hier nun meine Beurteilung: Sie regen mit Ihrer Eingabe an über die präzise Anwendung von Sprache nachzudenken – im Journalismus ein sehr wichtiges Thema. Ihre Beschwerde zeigt einmal mehr, wie stark eben Sprache wirkt. wie differenziert sie ist, wie einzelne Begriffe je nach Sichtweise unterschiedlich zur Einordnung und zur Kommentierung eingesetzt werden. Sprachliche Objektivität ist also nicht einfach zu definieren, bzw. gibt es gar nicht.

Konkret werfen Sie die Frage auf, welches der richtige Begriff für die Vorkommnisse in der Krim ist. War es eine Invasion, ein Einmarsch, eine Annexion, „eine bewaffnete Operation“, „eine handstreichartige Aktion mit einem Gefecht“, eine „neue Art Kriegsführung“? Hat Russland die Krim „der Ukraine entrissen“ oder sich auf der „Krim breitgemacht“? Diese Wortwendungen finden sich in deutschsprachigen Leitmedien. Auffallend ist, dass in den Titeln/Schlagzeilen mehr von Invasion gesprochen wird als in den Lauftexten.

Ich habe mich nach Ihrer Eingabe nochmals intensiv mit der Krimkrise befasst - eine komplexe Krise angesichts der historischen Situation und der Mehrheitsverhältnisse zwischen den Krimtataren und der prorussischen Bevölkerung. Was 2014 dort geschah ist eine völkerrechtlich nicht abgedeckte Annexion. Diesen Begriff würde sie ja auch „durchgehen lassen“. Aber geschah sie durch eine Invasion? Der Begriff, der ja aus dem lateinischen invadere stammt und eindringen bedeutet, steht laut Wikipedia für das Einfallen von Truppen auf ein bestimmtes Gebiet.

Im Februar wurde meines Wissens erstmals über den Einsatz der auf der Krim stationierten russischen Truppen berichtet; das Militär besetzte strategisch wichtige Gebäude und Einrichtungen und setzte den Machtwechsel durch. Die G7 Staaten sprachen daraufhin von einer „eindeutigen Verletzung der ukrainischen Souveränität.

Die Redaktion recherchierte breit und wählte, wie oben beschreibt, die Begriffe bewusst und überlegt. Ich kann mich ihren Überlegungen anschliessen und beurteile den Begriff Invasion für die Vorgänge auf der Krim als durchaus verwendbar.

Somit stelle ich keine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebotes fest und kann deshalb Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 51A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

Sylvia Egli von Matt

Stv. Ombudsfrau SRG.D

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