Satiresendung «Giacobbo/Müller» beanstandet

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Wie 74 weitere Zuschauerinnen und Zuschauer haben Sie die Sendung „Giacobbo/Müller“ vom 14. Februar auf SRF 1 beanstandet. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die Angelegenheit analysieren können. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie begründen Ihre Beanstandung wie folgt:

1. Sachverhaltsdarstellung:

In der Sendung Giacobbo/Müller vom Sonntag 14. Februar 2015, 22.10 Uhr (Replay Minuten 22.08-22.43) fand sich vor dem Hintergrund, dass die Piratenpartei im Kannto Aargau das Tanzverbot vor christlichen Feiertagen abschaffen will, folgender Dialog:

Giacobbo: „Was finden Christen so schlimm am Tanzen vor Feiertagen?“

Müller: „Sie finden das respektlos.“

Giacobbo: „Ich finde es eher respektlos, dass diese Leute an ihren Feiertagen mit so kleinen essbaren Dingern mit ihrem Herrgott ‚tönd’...äähh..... (Gestik: herumfuchteln nach oben und gegen den Mund) Ich will das jetzt nicht näher erläutern, aber ich finde das respektlos dem Herrgott gegenüber.“

Müller: „Ja also ich als atheistischer Fleischfresser finde, die einen sollen tanzen, so lange sie wollen und die anderen können ihr vegetarisches Zeug in der Messe essen und dabei ihre fleischlichen Gelüste entwickeln.“

2. Beschwerdegrund:

Die oben zitierten Äusserungen verletzen meine religiösen Gefühle als praktizierende Katholikin zutiefst. Gleichzeitig handelt es sich dabei um den Teil einer Kampagne, welche geeignet ist, im Sinne von Art. 261 Abs. 1 StGB den religiösen Frieden zu gefährden (vgl. auch Kommentar „Neue Zürcher Zeitung“ vom 12.2.2016, wonach die romtreue katholische Kirche der Schweiz „auf dem Weg zur Sekte“ sei).

Die erwähnten Äusserungen in der Sendung Giacobbo/Müller verletzen nicht nur meine persönlichen religiösen Gefühle, sondern erfüllen wahrscheinlich auch die objektiven Tatbestandsmerkmale von StGB Art. 261 Abs. 1 („Verspottung der Überzeugung anderer in Glaubenssachen“).

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Rolf Tschäppät, Bereichsleiter Comedy und Quiz, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:

„Bei der Sendung ‚Giacobbo / Müller’ handelt es sich um eine Satiresendung. Inhalt sind die aktuellen Themen der Woche, welche Viktor Giacobbo und Mike Müller verbal, mit Bildern oder Einspielfilmen sowie mit ihren Gästen satirisch behandeln.

Dies ist auch in der Sendung vom 14. Februar 2016 geschehen. Viktor Giacobbo und Mike Müller thematisierten u. a. die kantonale Abstimmungsvorlage des Tanzverbotes vor christlichen Feiertagen im Kanton Aargau.

Die Abstimmung zum Tanzverbot vor christlichen Feiertagen beschäftigte sich mit der Frage, ob dieses Gesetz noch in die heutige Zeit passt. Zu den Werkzeugen der Satire gehört die Zuspitzung und Übertreibung, wie auch die Verknüpfung von Fakten, Ereignissen und Traditionen.

Im vorliegenden Fall verknüpften Viktor Giacobbo und Mike Müller das Tanzverbot mit dem Abendmahl. So wie das Tanzverbot aus Sicht der Befürworter aus Respekt beizubehalten sei, nahmen die Satiriker Bezug zum Abendmahl aus der Sicht eines Aussenstehenden und folgerten, auch dieses könne als Respektlosigkeit gegenüber dem Herrgott angesehen werden. Im weiteren Wortlaut wurde sowohl der Blickwinkel (atheistisch) erwähnt, wie auch eine Anspielung gemacht, auf die in der katholischen Kirche in den letzten Jahren bekannt gewordenen sexuellen Missbräuche (fleischlichen Gelüste). Diese Kommentare sind also als bissige Statements zu bestehenden Gegebenheiten zu verstehen. Viktor Giacobbo und Mike Müller haben sich auf Grund einer aktuellen Abstimmungsvorlage mit einem Ritual der christlichen Kirche auseinandergesetzt.

Die Satire übertreibt, ironisiert, karikiert Personen und Situationen und führt oft ins Absurde. Diese Mittel wurden auch im vorliegenden Fall verwendet. Tatsächlich ist der Umgang mit Religion auch in der Satire ein heikler Bereich, insbesondere wenn es, wie im vorliegenden Fall, um einen zentralen Glaubensinhalt einer Religion geht.

Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) sagt dazu, dass satirische Sendungen sich auch über Religionen lustig machen dürfen, solange zentrale Glaubensinhalte nicht erheblich berührt werden.

Es stellt sich also die Frage, ob das Abendmahl in dieser Sendung erheblich ins Lächerliche gezogen wurde. Meine Einschätzung ist, dass sich die Äusserungen in diesem schwer zu definierenden Grenzbereich bewegten, nicht zuletzt durch eine bissige Wortwahl. Ich kann deshalb die Betroffenheit der Beschwerdeführer nachvollziehen und möchte mein Bedauern aussprechen, dass offensichtlich religiöse Gefühle von Zuschauern verletzt wurden. Ich bin aber der Meinung, dass keine geltende Rechtsprechung verletzt wurde.

Die von den Beschwerdeführern beschriebene Zuordnung zu einer Kampagne, welche geeignet sei, den religiösen Frieden zu gefährden, kann ich nicht nachvollziehen.

Der SRF Rechtsdienst schreibt zu dem in den Beschwerden erwähnten Art. 261 Abs. 1 StGB:

Betreffend des Tatbestands des Art. 261 StGB möchten wir Folgendes erläutern: Gefordert ist, dass die Äusserung in gemeiner Weise geschieht, d. h., dass eine Glaubensbeschimpfung eine grobe sein muss. Gemäss Bundesgericht soll nicht jede Meinungsäusserung, die allenfalls als beleidigend, provokativ oder spöttisch aufgefasst werden kann, bereits strafbar sein, sondern nur eine auf Hohn und Schmähung ausgerichtete, durch Form und/oder Inhalt das elementare Gebot der Toleranz verletzende Äusserung. Zugleich muss der öffentliche Friede gefährdet sein (Einordnung des Art. 261 StGB bei den Delikten gegen den öffentlichen Frieden im Strafgesetzbuch). Tatbestandlich sind somit nur jene Verletzungen religiöser Überzeugungen des Einzelnen, die derart schwerwiegend sind, dass durch sie zugleich der Religionsfriede und der öffentliche Friede gefährdet wird (BGE 120 Ia 225).

Wir sind der Überzeugung, dass das nicht gegeben ist. Es ist verständlich, dass der bissig formulierte Dialog subjektiv für gewisse Personen stossend gewesen sein mag. Von einer willentlich groben Schmähung und einer vorsätzlichen Gefährdung des Religionsfriedens und des öffentlichen Friedens kann aber keine Rede sein.

Soweit die Ausführungen des SRF Rechtsdienstes.

Einen Zusammenhang zwischen den in der beanstandeten Sendung gemachten Äusserungen und dem in den Beschwerden erwähnten Kommentar von Simon Hehli in der NZZ vom 12.02.2016, gibt es nicht.

Wichtig scheint mir, dass Satire auch als solche erkennbar ist. Das ist bei der Sendung ‚Giacobbo / Müller’ zweifellos der Fall. Aber gerade diese Form des Humors ist bekanntlich auch Geschmackssache: Was den einen amüsiert, ist dem anderen ein Dorn im Auge. Nicht alle Menschen haben die gleichen Wertvorstellungen.“

3. Soweit die Stellungnahmen der Verantwortlichen von SRF. Herr Rolf Tschäppät als Bereichsleiter Comedy und Quiz gibt offen zu, dass „offensichtlich religiöse Gefühle von Zuschauern verletzt wurden“. Obwohl es im vorliegenden Fall „um einen zentralen Glaubensinhalt einer Religion geht“, ist er aber der Meinung „dass keine geltende Rechtsprechung verletzt wurde“.

Geht es nun um meine eigene Auffassung, so scheint mir wichtig zu betonen, dass bei der Beurteilung, ob die geltenden Programmbestimmungen verletzt wurden oder nicht, die Ombudsstelle die geltende Praxis des Bundesgerichtes und der Unabhängigen Beschwerdeinstanz UBI zu berücksichtigen hat. In Bezug auf Satire gilt eine grosszügige Praxis. Laut Bundesgericht und UBI ist die Satire ein besonderes Merkmal der Meinungsäusserung, bei dem sich die Form bewusst nicht kongruent zur angestrebten Aussage verhält. Die Form der Satire übersteigt die Wirklichkeit, verfremdet sie, stellt sie um, kehrt wieder zu ihr zurück, banalisiert sie, karikiert sie, macht sie lächerlich. In diesem Sinne profitiert die Satire von der in den Artikeln 16 und 26 der Bundesverfassung sowie in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleisteten Meinungsäusserungs- und Kunstfreiheit.

Der Rahmen, den satirische Sendungen zu beachten haben, ist demnach sehr weit abgesteckt. Diese geltende Praxis lässt in satirischen Sendungen mit anderen Wor­ten sehr vieles zu, was in nicht-satirischen Sendungen nicht mehr als zulässig be­zeichnet werden könnte.

Voraussetzung dafür, dass eine Sendung vom „Satireprivileg“ Gebrauch machen kann, ist allerdings, dass diese Sendung als Satire erkennbar sein muss. Dies war in der Sendung „Giacobbo/Müller“ eindeutig der Fall. Für das Publikum war klar, dass es sich um eine Satire handelte.

Aber selbst bei eindeutigen Satiresendungen gibt es gewisse Grenzen, die beachtet werden müssen. Unzulässig sind in diesem Sinne gemäss Praxis der UBI satirische Darstellungen, welche zentrale Glaubensinhalte in erheblicher Weise berühren. Als zentrale Glaubensinhalte gelten in erster Linie die sieben Sakramente, welche die römisch-katholische Kirche kennt.

Die Eucharistie (Abendmahl) gehört gemäss Rechtsprechung der UBI zu den zentralen Glaubensinhalten, welche einen privilegierten Schutz geniessen. Sie ist eine Danksagung und gehört zu den gottesdienstlichen Handlungen, die in den meisten christlichen Kirchen praktiziert werden. Brot und Wein symbolisieren Leib und Blut von Jesus Christus.

Das Abendmahl ist gerade der wesentliche Bestandteil des inkriminierten Beitrags der Sendung Giacobbo/Müller vom 14. Februar. Es wurde nicht nur ins Lächerliche gezogen, sondern sogar als „respektlos dem Herrgott gegenüber“ qualifiziert. Mit ihrer despektierlichen und beleidigenden Darstellung machen sich Victor Giacobbo und Mike Müller über die Riten des Abendmahls lächerlich und berühren damit in erhebliche Weise zentrale christliche Glaubensinhalte.

Aus den dargelegten Gründen verletzten die Ausführungen von Giacobbo/Müller den programmrechtlich gebotenen Schutz von religiösen Gefühlen und verstossen damit gegen das kulturelle Mandat von Art. 3 Abs. 1 RTVG. Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, erachte ich deshalb als berechtigt.

Auf die von Ihnen vermutete Verletzung von Art. 261 Abs. 1 StGB (Verspottung der Überzeugung anderer in Glaubenssachen) kann die Ombudsstelle nicht eintreten. Diese Frage kann nur ein Gericht klären und nicht die Ombudsstelle.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Mög­lichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 51A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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