Bildung@SRF: Vom Fernseh-Schulmeister zum Snapchat-Erklärstück
Wer Beiträge von SRF hört oder schaut, soll Neues lernen: So sieht es der Bildungsauftrag im Radio- und Fernsehgesetz vor. Doch was macht eine bildende Sendung aus? Der Publikumsrat begab sich auf die Suche nach Antworten.
In makelloser Schnürlischrift schreibt er «direkte Demokratie» an die Wandtafel. Dann setzt sich der Mann im akkuraten Anzug hinter das Pult, blickt streng über den dicken Rand seiner Brille und erklärt, welche Rolle das Parlament, der Bundesrat und nicht zuletzt das Volk im politischen System der Schweiz spielen. Nicht in der Schulstube, sondern hinter der Mattscheibe belehrt der Moderator die Schülerinnen und Schüler. Schulfernsehen im Jahre 1964. Schon damals war der Bildungsauftrag Teil des Service public. Nach dem Zweiten Weltkrieg definierte die BBC als erste Rundfunkanstalt einen solchen Auftrag. Diesen übernahmen dann die öffentlichen Sender weiterer europäischer Länder. Unter ihnen Schweizer Radio und Fernsehen.
Was genau ist Bildung?
Auch heute noch hält das Radio- und Fernsehgesetz fest, dass die SRG zur Bildung des Publikums beiträgt, indem sie regelmässig Beiträge mit bildendem Inhalt sendet. Aber was genau ist eigentlich Bildung? Und wann sind Fernsehbeiträge oder Radiosendungen bildend? Diesen Fragen ist der Publikumsrat in seinem Seminar vom 16./17. Juni auf den Grund gegangen. Aufgabe des 26-köpfigen Gremiums ist es, sich kritisch mit Sendungen und Online-Angeboten von SRF auseinanderzusetzen und den Verantwortlichen die Sicht des Publikums näherzubringen. Unter anderem bei einem World Café machte sich der Rat in seinem jährlich stattfindenden Seminar ein umfassendes Bild von der Bildung bei SRF.
Ausweg aus dem Informationsdschungel
Die Bilder sind vielfältig. In Gruppen diskutieren die Räte eifrig und halten die Ergebnisse auf Papier fest. Die einen zeichnen einen Kompass: «SRF sollte das Orientierungswissen fördern und damit die Leute befähigen, Relevantes von Irrelevantem zu unterscheiden.» Andere malen die Grundsteine eines Hauses; ein Bauprojekt, das nicht so schnell abgeschlossen wird. Denn SRF solle lebenslanges Lernen ermöglichen, meinen sie.
Doch trotz unterschiedlicher Bilder und Meinungen – in einem Punkt sind sich die Publikumsrätinnen und -räte einig: Die Digitalisierung hat die Umsetzung des Bildungsauftrags grundlegend verändert. Dessen ist sich auch Achim Podak, Bereichsleiter Wissen und Gesellschaft bei SRF, bewusst. «An Informationen zu kommen, ist nicht mehr das Problem», sagt er. Schwierig sei heute viel mehr, relevante Nachrichten auszuwählen. Und da biete SRF einen Ausweg aus dem Informationsdschungel. «Bei unseren Beiträgen müssen wir gewährleisten, dass sie relevant und gut recherchiert sind und dass sie stimmen», sagt Podak.
«Ein wichtiger Teil des Bildungsauftrags sollte das Fördern der Medienkompetenz sein.» Thomas Merz, Medienpädagoge und Publikumsrat
Medienpädagoge und Publikumsrat Thomas Merz sieht Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) jedoch nicht nur beim Anbieten relevanter Inhalte in der Pflicht. «Ein wichtiger Teil des Bildungsauftrags sollte das Fördern der Medienkompetenz sein», sagt er. Insbesondere den Jugendlichen müsste die Kompetenz, Informationen richtig zu nutzen und einzuordnen, vermittelt werden, so Merz.
Schulfernsehen der Zukunft
Dass die Medienbildung in Zukunft eine zentrale Rolle spielen wird, weiss Stefano Semeria. Der Leiter Junge Zielgruppen bei SRF setzt sich derzeit mit der Neukonzipierung von «SRF mySchool» auseinander. «Jugendliche sollen lernen, warum gewisse Bilder eine bestimmte Wirkung auf sie haben», sagt er. Nur so könnten sie diese kritisch hinterfragen. In welcher Form diese Medienbildung in Zukunft stattfinden soll, sei noch offen, sagt Semeria. Mit der Schulfernsehkommission, bestehend aus Vertretern der pädagogischen Hochschulen, der Kantone und der Erziehungsdirektorenkonferenz, wird demnächst erstmals darüber gesprochen. Welche Rolle das Schulfernsehen dabei spielen soll und kann, wird ebenfalls Gegenstand der Gespräche sein.
«In erster Linie wollen wir uns aber an die Jugendlichen richten», sagt Semeria. Und damit die Jugendlichen erreicht werden, kann er sich ganz neue Ansätze vorstellen. Kurze Erklärstücke über Snapchat oder Kooperationen mit Jugendlichen, die auf YouTube erfolgreich sind, sieht er als Möglichkeit. Auch die Übertragung von Live-Events, bei denen die Jungen gleich selbst zu Wort kommen, wäre eine neue Form. Doch sind solche Formate nicht bloss noch unterhaltend? Bildend sei nicht nur ein Theoriebeitrag über die Teilchenphysik, so Semeria. «Diskussionen über ethische oder soziale Themen gehören genauso zur Bildung», sagt er.
Bildung mit Emotionen
Aber nicht nur Schülerinnen und Schüler sollen von SRF etwas lernen. Die bildenden Inhalte richten sich ebenso an Erwachsene. Englischkurse, Einführung in EDV oder Elternbildung: Der «Telekolleg» und später der «Telekurs» boten von 1965 bis 1987 eine Art Fernseh-Erwachsenenbildung. Solche eher trockenen Sendungen sind heute jedoch nicht mehr gefragt. «Bildende Beiträge sollen unterhaltsam sein», sagt Achim Podak. Mit einem gut erzählten DOK-Film, der die Emotionen anspricht, könne man auch bilden, meint Podak. «Damit regt man die Zuschauer an, sich nach dem Film noch Gedanken zu machen.» Und so sei Bildung viel mehr als nur Informations- und Wissensvermittlung. Indem SRF den Zuhörerinnen und Zuschauern verschiedene Zugänge zu Themen aufzeige, würden sie gebildet. Das könne in der «Arena», in der «Rundschau» oder im Wissensmagazin «Einstein» geschehen. «Wer sein Wissen unter sich verändernden Rahmenbedingungen einsetzen und weiterentwickeln kann, ist gebildet», sagt Podak.
«SRF muss mutiger werden und öfters dort präsent sein, wo sich die jüngere Zielgruppe aufhält.» Susanne Hasler, Vizepräsidentin des Publikumsrats
Der Publikumsrat jedenfalls hat sich gemäss dieser Definition zum Bildungsauftrag gezielt weitergebildet. Und er wünscht sich, dass SRF mit seinen vielen bildenden Inhalten in Zukunft vermehrt versucht, jüngere Zuschauerinnen und Zuhörer zu erreichen. «Dafür muss SRF mutiger werden und öfters dort präsent sein, wo sich die jüngere Zielgruppe aufhält», sagt Susanne Hasler, Vizepräsidentin des Publikumsrats. Die Inhalte in kleinen Häppchen aufbereiten, diese noch mehr über Social Media verbreiten und Interaktivität zulassen – so könnte man die Jungen gewinnen, ist der Publikumsrat überzeugt.
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