Tagesschau»-Beitrag über «Drohnen als fliegende Wanzen» beanstandet (II)

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Mit Ihrer e-Mail vom 9. August 2016 beanstandeten Sie den «Tagesschau»-Bericht vom 6. August 2016 über «Drohnen als fliegende Wanzen». Ihre Eingabe erfüllt die formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Folglich kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung, in der Sie direkt die „Tagesschau“ ansprachen, wie folgt:

„Ihren Bericht über die Swiss Drone Nationals fand ich enttäuschend. Wieso? Es wurden keine Hintergründe oder Eindrücke zu diesem Hobby/Sport vermittelt, es wurden keine Interviews mit Piloten, Organisatoren oder Zuschauern gesendet, nein, das einzige, was viel Sendezeit bekommen hat, war das Thema Datenschutz, welches mit FPV Racing nun wirklich herzlich wenig zu tun hat und in Boulevard-Journalismus-Manier auf die Tränendrüse zu drücken versucht.

Dass es besser geht, zeigten unter anderem der Sender RTS oder Ihre Kollegen von der srf Digital- Redaktion. Was mich besonders nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, dass sogar die Werbefinanzierte ‚20 Minuten‘ einen besseren Bericht zustande bringt als die Tagesschau!

Ich möchte gerne wissen, woher diese abschätzige Haltung kommt, und was die Hintergedanken der Redaktion zu diesem Bericht sind. Ich erwarte Ihre Antwort bis am Freitag, 12. August 2016.

B. Ihre Beanstandung ließ ich der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorlegen. Herr Franz Lustenberger, stellvertretender Redaktionsleiter der „Tagesschau“, äußerte sich wie folgt:

„Ausgangslage

Am Wochenende vom 5. – 7. August fand neben dem Flugplatz Payerne der FPV Air Race statt. Mittlerweile mehr als ein Hobby; ein Trendsport, der in mehreren Ländern ausgeübt wird und in dem auch internationale Meisterschaften durchgeführt werden. FPV Racing wird im deutschen Sprachgebrauch auch Drohnen-Rennen genannt.

‚FPV Racing (auch Drohnen-Rennen/Drone Racing genannt) – eine Trendsportart erreicht die Schweiz

Was in Amerika immer mehr zum Trend wird erreicht nun auch langsam die Schweiz - das FPV Racing / Drone Racing. Dabei treten Quadcopter Piloten in gesicherten Rennstrecken gegeneinander an. Das Spezielle dabei ist jedoch das ‚FPV"‘ der Flug aus der ‚First Person View‘, der sogenannten ‚Ich‘-Perspektive. An den Quadcoptern sind Kameras montiert, das Bild wird während dem Flug direkt an einen Monitor oder meistens eine Videobrille übertragen, der Pilot sieht also aus der Sicht der ‚Drohne‘, als würde er diesen direkt aus dem Cockpit steuern.‘ [1]

Kurzbericht zum FPV Racing in Payerne

Die Tagesschau hat entschieden, dass von dieser Meisterschaft ein paar Bilder ausgestrahlt werden, welche die wesentlichen Aspekte dieses neuen Trends aufzeigen. Das haben die erste Anmoderation und die erste Filmeinspielung auch geleistet. Es wird in attraktiven Bildern und im Text sachlich über den Event berichtet. Das Begehren nach einem eigenständigen längeren Bericht mit Interviews mit Piloten, Organisatoren oder Zuschauern ist verständlich. Die Tagesschau schliesst das für die Zukunft auch nicht aus; dies hängt von der weiteren Entwicklung dieser Trendsportart in der Schweiz ab. Versprechungen zu zukünftigen Beiträgen, oder gar Garantien, kann die Tagesschau nicht machen.

Allerdings, der Umfang der Berichterstattung – eigenständiger Beitrag, Kurznews mit bewegten Bildern – liegt in der Programmautonomie der Programmveranstalter (Bundesgesetz für Radio und Fernsehen RTVG, Artikel 6). Es gibt keinen Anspruch auf Verbreitung bestimmter Darbietungen. Die ausführlichere Berichterstattung bei RTS liegt im Faktum begründet, dass die Veranstaltung in der Romandie stattfand und es damit einen stärkeren regionalen Bezug gab.

Datenschutz

Die Tagesschau hat diesen Event in Payerne zum Anlass genommen, über die grundsätzliche Problematik von Drohnen, den Schutz der Privatsphäre sowie über geplante Massnahmen des Bundes zu berichten. Die Beanstandung richtet sich denn auch nicht gegen diesen zweiten Beitrag an sich, der ganz relevante Diskussionen in unserer Gesellschaft aufgreift. Die Moderation geht von den technischen Möglichkeiten von heutigen Drohnen aus. Es würden sich mit der fortschreitenden Entwicklung aus der Sicht des Datenschutzes Fragen stellen. In dieser Moderation wird kein Bezug mehr zum vorangehenden Event genommen. Moderator Franz Fischlin spricht ein ganz neues Thema an. Die Einführungssequenz des zweiten Beitrages findet zudem in einer ganz anderen Bildwelt statt; es ist ein Ausschnitt aus einem Werbefilm eines Drohnenherstellers mit einer Katze in einem Wohnzimmer, nichts mehr vom sportlichen Air-Race in Payerne. Im ganzen Beitrag wird konsequent auf Werbevideos zurückgegriffen, also auf Videos von Unternehmen, welche die ‚Überwachungsmöglichkeiten‘ durch die Drohnen in den Vordergrund rücken.

Ich beantrage, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Beurteilung des Beitrags. Zunächst möchte ich eine Vorbemerkung machen: Ihre Forderung, dass die Antwort der Ombudsstelle auf Ihre Beanstandung bis zum 12. August 2016 – also innert drei Tagen – vorliegen müsse, ist ziemlich anmassend. Da Sie es unterliessen, Ihre Postadresse beizufügen, mussten wir diese zuerst bei Ihnen erfragen. Sie lieferten Sie am 11. August, also einen Tag vor Ihrer „Frist“. Vielleicht vergegenwärtigen Sie sich mal, wie der Ombudsmann arbeitet:

  • Sobald die Beanstandung formal vollständig ist, wird sie an die zuständige Redaktion zur Stellungnahme weitergeleitet. Die Redaktion erhält eine angemessene Frist für Ihre Antwort, denn die verantwortliche Person kann nicht alles fallen lassen, wenn eine Beanstandung eingeht; schließlich müssen die Journalistinnen und Journalisten von SRF in erster Linie Sendungen machen.
  • Trifft die Stellungnahme der Redaktion bei mir ein, schaue ich mir sorgfältig den Beitrag an, oft mehrmals, um abzuwägen, ob der Beitrag wirklich sachgerecht ist.
  • Unter Berücksichtigung der Argumente in der Beanstandung und der Argumente der Redaktion verfasse ich meinen Schlussbericht.

Nach Radio- und Fernsehgesetz habe ich für meinen Schlussbericht vom Eintreffen der Beanstandung an 40 Tage Zeit. In Ihrem Fall erstreckt sich die Frist bis zum 18. September 2016, also fünf Wochen länger, als Sie sich vorstellten.

Und nun komme ich zu Ihrem inhaltlichen Anliegen. Ich verstehe sehr gut, dass Sie sich als vermutlich direkt Beteiligter eine ausführliche Berichterstattung über die nationale Meisterschaft im Drohnen-Rennen wünschten. Es wäre durchaus denkbar – und sicher auch wünschenswert -, dass das Fernsehen mal eine Reportage dreht, die zeigt, wie ein Teilnehmer an einem Drohnen-Rennen trainiert, wie es zu nationalen und internationalen Ausscheidungen kommt und wie ein Wettkampf abläuft. Nur: Das Fernsehen muss jedes Mal abwägen, was unter welchen Umständen relevant und interessant ist, gerade im Bereich des Sports:

  • Die mit teuren Sportrechten erkauften Anlässe wie Fussball-Weltmeisterschaften, Fussball-Europameisterschaften, Olympische Winterspiele, Olympische Sommerspiele, grosse Tennisturniere, Skiweltmeisterschaften, Leichtatlethik-Meetings, wichtige Autorennen, wichtige Radrennen usw. haben Priorität und werden quasi in extenso gezeigt.
  • Publikumsstarke Sportarten (wie Fussball) haben mehr Chancen auf Berichterstattung als publikumsarme (wie Orientierungsläufe, Curling, Schiessen).
  • Randsportarten und neue Sportarten müssen um ihren Platz im Fernsehen kämpfen und werden eher ausnahmsweise berücksichtigt.

Im konkreten Fall handelte es sich nicht um eine Berichterstattung im Rahmen der Sportsendungen, sondern um einen Beitrag der „Tagesschau“. Die „Tagesschau“ aber ist primär auf politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen fokussiert. Sie verwendete den Kurzbericht über den Wettkampf in Payerne eher als Aufhänger, um dann die Datenschutz-Probleme der Drohnen zu behandeln. Das ist legitim und durchaus im Interesse des Publikums. Und das ist auch der Fokus für mich als Ombudsmann. Ich muss nämlich nicht vor allem die Kenner, Beteiligten und Engagierten im Blick haben, sondern das Gesamtpublikum, gewissermaßen das Durchschnittspublikum. Welche Fragen hat sich das Publikum gestellt? Wurde es richtig informiert oder in die Irre geführt? Hat es ein korrektes Bild des Sachverhalts erhalten?

Wenn das Gesamtpublikum einen Bericht sieht über die Schweizer Meisterschaft im Drohnen-Rennen, dann wird es wie folgt reagieren: Erstens wird es erstaunt und überrascht feststellen: Ach, das gibt es jetzt auch, das ist ja interessant! Zweitens wird es sich fragen, was man mit solchen Drohnen denn alles machen kann.

Die Redaktion der „Tagesschau“ hat daher meines Erachtens richtig reagiert: Sie hat einerseits einen ganz kurzen Bericht über den Anlass in Payerne ausgestrahlt, mit dem sich das Publikum einen Eindruck verschaffen konnte, wie diese Wettkämpfe ablaufen. Und sie hat anderseits Hintergrund geliefert zur Frage, welche Probleme mit solchen Drohnen verbunden sind. Es sind vor allem Fragen des Datenschutzes und der Registrierungspflicht. Das sind wesentliche Fragen.

Auf mich wirkte der Beitrag aufklärend und beruhigend. Ich hatte am Schluss den Eindruck, dass die Behörden am Ball sind und das Nötige vorkehren, um die Privatsphären zu schützen und um gefährliche Zwischenfälle zu vermeiden. Nirgends hatte ich den Eindruck, dass die Redaktion „im Boulevard-Stil auf die Tränendrüsen drückt“, wie Sie es formulierten. Und eine abschätzige Haltung gegenüber der Sportart des Drohnen-Rennens konnte ich nirgends erkennen.

Dass andere Medien ausführlicher berichtet haben, mag verschiedene Gründe haben: Fernsehen RTS hat wohl eingehender berichtet, weil Payerne zur Suisse romande gehört und der Anlass deshalb als Regionalberichterstattung „abgedeckt“ wurde. SRF-Digital hat mehr Auslauf und muss nicht derart knapp kalkulieren wie die immer gleich lange „Tagesschau“.

Ich komme daher zum Schluss, dass das Publikum genau auf jene Fragen Antwort bekam, die es sich vermutlich gestellt hat. Dem Publikum wurden weder wesentliche Fakten vorenthalten, noch wurde es sonst in irgendeiner Weise manipuliert. Die Kritik in Ihrer Beanstandung kann ich daher per saldo nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] http://fpvracing.ch/de/content/23-fpv-racing-drohnen-rennen-multicopter-aus-der-ich-perspektive

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