Norwegen − vier Monate bis zum UKW-Ausstieg
Als erstes Land schaltet Norwegen 2017 die Ultrakurzwelle UKW ab. LINK unterhielt sich mit Marius Lillelien, Direktor des öffentlich-rechtlichen Radios NRK, über die Chancen von DAB+, neue Programme und die Herausforderungen der UKW-Abschaltung.
LINK: Herr Lillelien, in vier Monaten schaltet Norwegen UKW ab. Die ganze Welt schaut auf Ihr Land. Macht Sie das stolz?
Marius Lillelien: (Lacht) Eigentlich war es nicht unser Ziel, die Ersten zu sein, das hat sich so ergeben. Ich hätte es vorgezogen, UKW gemeinsam mit anderen europäischen Ländern abzuschalten. Ich bin aber stolz auf das, was wir erreicht haben, es war eine interessante und aufregende Zeit.
Weshalb hat sich Norwegen entschieden, so rasch aus UKW auszusteigen?
Wir hatten zwei Optionen: In das UKW-Netz zu investieren und es weiter auszubauen oder auf DAB+ zu wechseln. Die Investition in das UKW-Netz hätte bedeutet, UKW aus Kostengründen weitere 15 Jahre beizubehalten und das ohne die Möglichkeit, neue Programme anzubieten. Für uns war es wichtig, Radio so attraktiv zu gestalten, dass es sich mit anderen, neuen Medien messen kann. Dazu braucht es neue Programminhalte, und das war nur mit DAB+ möglich.
Wie hat die norwegische Bevölkerung auf DAB+ reagiert?
Sie hat DAB+ akzeptiert – als moderne, einfach zu bedienende Radiotechnologie mit einwandfreiem Empfang. Am meisten schätzen sie die neuen Programmangebote, die DAB+ ermöglicht. Natürlich gab und gibt es auch Diskussionen, aber das gehört bei der Einführung einer neuen Technologie mit dazu.
Neue Inhalte als Erfolgskriterium – welche Programme kommen am besten an?
Wir haben mehrere Programme lanciert, die grossen Anklang finden. Am erfolgreichsten sind NRK P1+, ein breit gefächertes Programm, das ein eher älteres Publikum anspricht, NRK Alltid Nyheter («Immer Nachrichten»), ein reines Nachrichtenprogramm, und NRK mP3, ein Programm für Teenager. Das Programm für Teenager ist das am raschesten wachsende Programm und wird am intensivsten über DAB+ konsumiert. Das hat uns positiv überrascht.
Das Programm für Teenager wird am intensivsten über DAB+ konsumiert. Das hat uns positiv überrascht.
Thema UKW-Abschaltung – steht die norwegische Bevölkerung dahinter?
Der Grossteil der Bevölkerung akzeptiert die Abschaltung. Natürlich sind nicht alle glücklich damit, es wird zum Beispiel kritisiert, dass die Autos noch zu wenig mit DAB+ ausgerüstet seien. Auch die Abschaltung von UKW per se wird teilweise hinterfragt. Das hat aber nichts mit DAB+ zu tun, es ist eher eine Frage des Prinzips und der Selbstbestimmung. Viele Menschen möchten nicht zu einer neuen Technologie gezwungen werden, sie möchten es freiwillig tun.
Die Kritik an der UKW-Abschaltung ist eher eine Frage des Prinzips und der Selbstbestimmung.
Ist die Ausrüstung der Autos mit DAB+ wirklich noch zu gering?
Es ist ein langer Weg, zurzeit sind 30 Prozent der Autos mit DAB+ ausgestattet. Bei den Neuwagen sind wir bei fast 100 Prozent. Die grosse Herausforderung sind die Nachrüstlösungen. Wir arbeiten eng mit der Automobil- und Nachrüstindustrie zusammen, um genügend DAB+ Tuner auf den Markt zu bringen, die die Hörerinnen und Hörer selber installieren können.
Wie machen Sie Norwegen fit für die UKW-Abschaltung?
Es ist eine Kombination von vielen unterschiedlichen Aktivitäten: Radiotrailer, Fernsehspots, Social Media, Roadshows und Kampagnen mit dem Handel und der Automobilindustrie. Die Fernsehkampagne hat sicher den grössten Effekt. Zentral sind aber auch die enge Zusammenarbeit mit den Privatradios und eine gemeinsame Aufklärungskampagne.
Welchen Effekt hatte die Bekanntgabe des UKW-Abschaltdatums?
Die Bekanntgabe des Abschaltdatums ist ein absolutes Muss. Ohne diese wäre nichts passiert. Wir wissen, dass die Konsumenten mit dem Kauf von neuen Geräten bis im letzten Augenblick warten, es braucht einen gewissen Druck. Auch für die Automobilindustrie war das Datum sehr wichtig, denn die Vorlaufzeiten sind lang und die Prozesse komplex.
Noch vier Monate – wie bereiten Sie sich auf den «Big Bang» vor?
Es ist ja eigentlich kein Big Bang, denn wir schalten nach Regionen gestaffelt ab. Wir starten im Norden im Januar 2017 und arbeiten uns nach Süden vor. Im Dezember 2017 wird die letzte Region abgeschaltet. Dieses Vorgehen soll es allen ermöglichen, rechtzeitig einen Nachrüstsatz für den Wagen zu besorgen. Zusätzlich zu den Marketingmassnahmen laufen bei uns und den Privatradios grosse Informationskampagnen, wir bauen die Callcenter weiter auf und trainieren die Mitarbeitenden. Es ist eine sehr intensive Zeit.
Mir fällt auf, dass zwischen der SRG und den Privatradios eine enge Zusammenarbeit besteht, und das ist sehr wichtig.
Wenn Sie die Schweiz und Norwegen vergleichen – was ist gemeinsam?
Mir fällt auf, dass zwischen der SRG und den Privatradios eine enge Zusammenarbeit besteht, und das ist sehr wichtig. Die Schweiz hat Programme, die nur auf DAB+ ausgestrahlt werden und das ist für die Akzeptanz von DAB+ ausschlaggebend. Nicht zuletzt hat die Schweiz 2008 ja schon den Mittelwellensender Beromünster abgeschaltet. Wir konnten viel davon lernen, speziell, wie wichtig es ist, den Menschen bei der Abschaltung zur Seite zu stehen, sie zu begleiten und nicht alleine zu lassen. Das wird ein Kernstück unserer Arbeit bei der UKW-Abschaltung sein.
Zur Person:
Marius Lillelien ist seit 2009 Direktor des norwegischen öffentlich-rechtlichen Radios. Sein Referat zum Thema digitale Migration am SwissRadioDay 2016 kann auf YouTube nachgeschaut werden.
Schweiz: DAB wechselt auf DAB+
Am 15. November 2016 wird in der ganzen Schweiz das DAB+ Angebot ausgebaut: Die dritten SRG-Radioprogramme Radio SRF 3, Couleur 3 und Rete Tre sind nahezu im ganzen Land zu hören, und das Sendegebiet der SRF-Regionaljournale erweitert sich zudem deutlich. Die letzten DAB-Programme wechseln auf DAB+. Der Wechsel von DAB zu DAB+ ist damit abgeschlossen.
Weshalb sind diese Änderungen notwendig? Zehn Jahre nach Einführung von DAB+ bereitet die SRG die digitale Radiozukunft weiter vor. Ab 2020 wird DAB+ UKW schrittweise ablösen. Deshalb erweitert und optimiert die SRG ihr DAB+ Angebot. Durch den Wechsel von DAB auf DAB+ werden Ressourcen für den weiteren DAB+ Ausbau frei.
Anlaufstelle für Fragen:
Website
(www.dabplus.ch)
Email:
dabplus@srgssr.ch
oder Tel. 0848 88 44 99 (Lokaltarif)
Mo–Fr, 8.30–17.30 Uhr
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