Beitrag über geplante Waffenruhe in Syrien in der Sendung «Info 3» auf Radio SRF 3 beanstandet

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Sie reichten am 10. September 2016 eine Beanstandung gegen die Sendung «Info 3» auf Radio SRF 3 vom Mittag des gleichen Tages ein. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen, die an eine Beanstandung gestellt sind. Folglich kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Zu wiederholtem Mal innert kurzer Zeit beschuldigt Fredy Gsteiger die Syrischen Regierungstruppen des Einsatzes von Chlorgas bzw. Chemiewaffen. Bereits in den vorausgegangenen Wochen haben sog. "Experten" die Chlorgasangriffe jeweils sofort und voreilig der Syrischen Luftwaffe angehängt (angeblicher Abwurf aus syrischen Hubschraubern). Das ist eine frei erfundene Falschmeldung, die jeder Beweise entbehrt.

Es macht für die Syrische Luftwaffe schlicht keinerlei Sinn, ein solch primitives und international geächtetes Kampfmittel wie Chlorgas einzusetzen. Im Kampf gegen die ‚moderaten‘ (sic!) Terroristen verfügen die Syrische Luftwaffe und Armee 1.) über genügend konventionelle Kampfmittel und werden sich diese 2.) auch sonst hüten, solche Fehler zu begehen, auf welche die ‚westlichen Qualitätsmedien‘ in der polarisierten Situation ja nur gewartet haben.

Die inszenierte Chlorgasstory ist nur eine weitere verdeckte CIA & Mossad-gesteuerte Operation. Die Chlorgasflaschen kamen nicht aus der Luft, sondern waren bereits zuvor am Boden gelagert (Chlorgas findet bekanntlich zahlreiche industrielle Verwendung). ‚Moderate Rebellen‘ wurden vorinstruiert, die Chlorgasflaschen jeweils genau während eines Luftangriffs zu sprengen. So kann man dieses fremd-inszenierte ‚Kriegsverbrechen‘ wieder mal Assad anhängen.

Die Frage ist, ob Ihre Nachrichtenredaktion und Herr Steiger wirklich so naiv sind, oder nur so tun. Jedenfalls beleidigen Sie nicht nur die Intelligenz der Zuhörer, sondern werten sich mit solcher ‚Berichterstattung‘ auch selbst ab.

Es empfiehlt sich ausserdem dringend, Ihre Informanten vor Ort in Syrien mal etwas näher anzuschauen, da liegt offenbar einiges im Argen.

Das Ausmass der einseitigen und vorsätzlich falschen Syrien-‚Berichterstattung‘, bzw. anti-Assad & anti-russischen Lügenpropaganda in den westlichen Medien hat jedenfalls penetrante Ausmasse angenommen.

Der haltlose Vorwurf des Chemiewaffeneinsatzes, von SRF ungehindert medial verbreitet, ist keine Bagatelle und wiegt schwer. Die vorsätzliche Verbreitung von offensichtlichen Falschnachrichten mit dem Zwecke der Negativbeeinflussung der Hörerschaft und der Diffamierung einer legitimen und demokratisch gewählten Regierung, im konkreten Fall die Regierung von Bashar Al-Assad, zeugt von mangelnder Professionalität und einem unsauberen Medienverständnis.

Es ist bedauerlich, dass sich offenbar auch die SRF Nachrichtenredaktion systematisch dem westlich konzertiertem anti-Assad badmouthing beteiligt. Als staatliche Nachrichtenredaktion stünde Ihnen bei der Berichterstattung über den schmutzigen, vom Westen inszenierten Syrienkrieg mehr Objektivität, Ausgewogenheit und Zurückhaltung dringend gut an.“

B. Für die betroffene Redaktion nahm Roman Mezzasalma, Redaktionsleiter Nachrichten/Teletext/Info 3 bei Radio SRF, Stellung. Er schrieb:

<Besten Dank für die Gelegenheit, zur Beanstandung von Herrn X vom 10. September 2016 Stellung zu nehmen.

Der Beanstander beschwert sich über die Berichterstattung zu Syrien in der 12.00-Ausgabe der Sendung „Info 3“ auf Radio SRF 3 vom 10. September 2016. Die Berichterstattung zwischen 12.00 und 12.05 Uhr hatte folgenden Wortlaut:

In den Schlagzeilen: "Der neue Plan für eine Waffenruhe in Syrien. Warum die Chancen auf Fortschritte diesmal etwas besser sind."

In der Moderation:

"Ist das der Anfang vom Ende des Kriegs in Syrien? Die Aussenminister der USA und Russlands haben sich auf eine Waffenruhe geeinigt, auf die humanitäre Versorgung der Zivilbevölkerung und in einem zweiten Schritt auf eine militärische Zusammenarbeit gegen Terrorgruppen. Auch wenn berechtigte Skepsis durchschimmert, nennt US-Aussenminister John Kerry dies einen möglichen Wendepunkt im Syrienkonflikt. Ich habe unseren Diplomatie-Experten Fredy Gsteiger gefragt: Bisher waren solche Vereinbarungen nicht allzu dauerhaft. Ist diesmal etwas anders?"

Fredy Gsteiger: "Ich würde nicht sagen, dass fundamental etwas anders ist, aber tendenziell schon. Und zwar zum einen vor Ort selber in Syrien. Ich denke, dass immer mehr Akteure, auch organisierte politische Gruppierungen, in Syrien sehen, dass die Situation beispielsweise im notleidenden Aleppo, aber auch in anderen belagerten Städten wirklich verzweifelt ist. Und möglicherweise ist dadurch die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen, sich auf eine Waffenruhe einzulassen, etwas grösser als bisher.

Und der zweite Grund ist: In diesen Verhandlungen haben die Russen und die Amerikaner die heikle Frage ausgeklammert, welche politische Lösung für Syrien denn nötig wäre. Also die Frage letztlich, ob Diktator Assad bleiben soll oder nicht. Und das hat wahrscheinlich diesen Kompromiss etwas erleichtert."

Moderation: "Auch Aussenminister Kerry hat von Kompromissen gesprochen. Er hat gesagt, US-Präsident Obama sei da eine Extra-Meile gegangen. Was hat er damit konkret gemeint?"

Fredy Gsteiger: "Ich denke, dass die Amerikaner sogar in drei Punkten eigentlich eingelenkt haben. Sie beharren erstens nicht länger darauf, dass Assad weg muss. Sie sind bereit zu einer engen militärischen Zusammenarbeit mit Russland, wenn künftig gemeinsame Flugoperationen gegen dschihaddistische Gruppen gemacht werden zwischen diesen beiden Ländern. Das ist das, dann ist es wirklich ein qualitativer Schritt und etwas, was für Russland auch sehr wichtig ist. Denn für die Russen ist fast nichts so wichtig wie wahrgenommen zu werden auf Augenhöhe mit den Amerikanern. Und drittens schliesslich: Wenn die beiden Länder jetzt gemeinsam gegen alle dschihaddistischen Gruppen kämpfen, dann stärkt das natürlich letzten Endes die Position von Assad in Syrien automatisch. Und das ist ja etwas, was nicht im amerikanischen Interesse ist. Also haben die Amerikaner auch hier eingelenkt."

Moderation: "Russland hat das syrische Regime offenbar mit an Bord geholt für diese Waffenruhe. Die USA die Rebellen, die sogenannt gemässigten. Allerdings soll das ein diplomatischer Kraftakt gewesen sein. Bleiben denn die auch an Bord?"

Fredy Gsteiger: "Ich würde sogar sagen, es ist noch nicht mal sicher, dass sie überhaupt an Bord sind. Die Russen behaupten zwar, Assad sei bereit, beispielsweise seine Luftschläge in gewissen Gebieten aufzugeben, nicht mehr weiterhin Giftgasangriffe auf seine Bevölkerung zu verüben. Ob er das tatsächlich tut, ob er da wirklich eingelenkt hat, das muss er noch beweisen. Und die Amerikaner können ihrerseits nicht sicher sein, dass die Rebellen ihren Teil des Abkommens einhalten, in dem sich die gemässigten Rebellen wirklich künftig klar von den radikalen, von den dschihaddistischen Rebellen separieren."

Moderation: "Das ist auch so ein Punkt. In einem zweiten Schritt, wenn die Waffenruhe hält, wollen die USA und Russland also gemeinsam militärisch gegen dschihaddistische Gruppen vorgehen, wie etwa den IS. Aber kann man die so einfach von anderen Kampfeinheiten unterscheiden?"

Fredy Gsteiger: "Das ist eben genau das grosse Problem. Es war es schon in der Vergangenheit. Gelegentlich haben Luftangriffe, die der einen Seite der Rebellen galten, die andere Seite getroffen, weil eben diese Rebellengruppen an vielen Orten sehr eng verzahnt sind, manchmal willentlich, manchmal unbewusst zusammengearbeitet haben. Und deswegen ist es ebenso entscheidend, dass die gemässigten Rebellengruppen sich nun wirklich lossagen von den radikalen Rebellengruppen. Denn nur so kann man wirklich sicherstellen, dass effektiv die künftigen gemeinsamen amerikanisch-russischen Luftschläge nur die radikalen Dschihaddisten betreffen."

Moderation: "Fredy Gsteiger, Sie beobachten diesen Konflikt schon lange. Geben Sie diesem Anlauf für eine Konfliktbewältigung Chancen?"

Fredy Gsteiger: "Ich denke, die Chancen sind nicht allzu gross. Denn es gibt immer noch in Syrien sehr viele divergierende Interessen. Zum einen im Land selber, zum andern aber auch unter den ausländischen, den zahlreichen ausländischen Akteuren in Syrien. Also von daher muss man vorsichtig sein. Aber trotzdem: Es ist wohl der erste ernstzunehmende Anlauf seit langem."

Moderation: "Vielen Dank, Fredy Gsteiger, für diese Informationen."

Soweit die wörtliche Transkription der beanstandeten Berichterstattung. Der Beanstander kritisiert nun nicht die Einschätzungen zur vereinbarten Waffenruhe an sich. Seine Kritik entzündet sich an einem Satz in der dritten Antwort des Korrespondenten: „Die Russen behaupten zwar, Assad sei bereit, beispielsweise seine Luftschläge in gewissen Gebieten aufzugeben, nicht mehr weiterhin Giftgasangriffe auf seine Bevölkerung zu verüben.

Herr X begründet seine Beschwerde im Wesentlichen mit folgenden Punkten:

  • Wir, Radio SRF, hätten syrische Regierungstruppen beschuldigt, Chlorgas eingesetzt zu haben.
  • Es handle sich dabei um eine frei erfundene Falschmeldung, hinter der CIA- und Mossad-Manipulationen steckten.
  • Der Chlorgaseinsatz mache für die syrische Führung keinen Sinn.
  • Radio SRF stütze sich auf unseriöse Informanten vor Ort.

Dazu nehmen wir gerne wie folgt Stellung:

  • Die beanstandeten Aussagen in der Sendung „Info 3“ vom 10. September 2017 basieren nicht auf eigenen Recherchen von Radio SRF und auch nicht auf eigenen Informanten vor Ort in Syrien. Sie stützen sich vielmehr auf einen gemeinsamen Bericht der Uno und der internationalen Chemiewaffenbehörde OPCW in Den Haag. Über diesen Bericht haben wir nach dessen Bekanntwerden am 25. August und erneut am 31. August in mehreren Sendungen berichtet – genauso wie das auch die meisten andern Medien taten, national und international.
  • Die beiden Organisationen haben für ihren Bericht mehr als ein Jahr lang breit recherchiert. Sie kamen danach zum Schluss, dass sich in mindestens zwei Fällen der Chlorgas-Einsatz durch das syrische Regime nachweisen lässt. In weiteren Fällen bestehe ein starker Verdacht; da seien aber noch weitere Ermittlungen nötig.

In mindestens einem Fall wies der Uno-/OPCW-Bericht übrigens auch den Chemiewaffeneinsatz durch den sogenannten ‚Islamischen Staat‘ nach.

  • Hinter dem Uno-/OPCW-Bericht Mossad- oder CIA-Manipulationen zu vermuten, ist pure Spekulation. Es gibt dafür aus unserer Sicht keinerlei glaubwürdige Hinweise. In der Uno-/OPCW-Untersuchungskommission sind Vertreter zahlreicher Staaten vertreten, die kaum allesamt empfänglich wären für die Beeinflussung durch einzelne Geheimdienste. Für die Seriosität der Arbeit der Uno und der OPCW im Zusammenhang mit C-Waffen in Syrien sprechen auch ihre sehr ernsthaft ausgeübte und weltweit anerkannte Rolle beim Abtransport und der Vernichtung der offiziell als C-Waffen kategorisierten chemischen Kampfstoffe aus dem Land (Chlorgas gehört nicht dazu) und die früheren Berichte in diesem Zusammenhang.
  • Anders als in früheren Uno- und OPCW-Berichten wird also im jüngsten nicht nur festgehalten, dass und in welchem Umfang in Syrien chemische Kampfstoffe eingesetzt wurden, sondern es werden erstmals auch ausdrücklich Schuldige benannt. Entsprechend war der jüngste Bericht für den Uno-Sicherheitsrat ausserdem Anlass für eine Sondersitzung, in der über nötige Strafmassnahmen und eine denkbare Anklage gegen die Schuldigen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag diskutiert wurde. Selbst das mit dem Assad-Regime verbündete Russland stellte in dieser Sitzung den Wahrheitsgehalt des Berichts keineswegs in Frage. Der russische Botschafter versprach, ihn genauer zu studieren, bevor sich Moskau zu Strafmassnahmen äussere.
  • Über die Frage, weshalb die syrische Führung Chlorgas einsetzt, lässt sich nur mutmassen. Wir haben uns allerdings im beanstandeten Beitrag an solchen Spekulationen nicht beteiligt. Die militärische Effizienz ist, wie Herr X das tut, auch aus unserer Sicht in der Tat bestreitbar. Eine einigermassen plausible Erklärung könnte die Absicht sein, Menschen einzuschüchtern. C-Waffen sind weltweit verboten und geächtet, weil sie aus gutem Grund als extrem grausame, unmenschliche Waffen gelten. Die Einschüchterungswirkung auf die Bevölkerung ist entsprechend gross.

Zusammenfassend lässt sich aus unserer Sicht festhalten, dass wir, gestützt auf die eindeutigen Berichte internationaler Organisationen, die Aussage, Assad habe Giftgasangriffe auf seine Bevölkerung verübt, nach wie vor als belegt erachten. Die Reaktion von Herrn X auf die Gesprächspassage zeigt uns andererseits, dass es trotz ausführlicher vorangegangener Berichterstattung zum Giftgas-Vorwurf vermutlich besser gewesen wäre, bei dessen Wiederholung auch die zugrundeliegenden Berichte nochmals zu erwähnen. Dass dies im konkreten Fall unterblieben ist, hat allerdings damit zu tun, dass sich dieses Gespräch im Kern gar nicht mit diesem Vorwurf befasst hat.

Insgesamt betrachten wir die beanstandete Berichterstattung auch im Nachhinein als sachgerecht und beantragen hiermit, die Beanstandung abzulehnen.>

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Beurteilung der beanstandeten Sendung. Sie haben sicher Recht, dass Medien keine Behauptungen aufstellen sollten, die unbelegt sind. Aber in diesem Fall ist die Aussage, dass die syrischen Regierungstruppen Giftgas einsetzten, durch den sehr seriösen Uno-Bericht belegt. Das Problem ist wahrscheinlich, dass praktisch niemand mehr neutral ist in Bezug auf Syrien und dass Viele nicht anerkennen wollen, dass alle Seiten Verbrechen begehen. Wenn man sich radikal auf eine Seite schlägt, neigt man leicht zu Verschwörungstheorien. Womit aber haben wir es faktisch zu tun?

Zunächst einmal mit einem wunderschönen, am „fruchtbaren Halbmond“ und an den alten Seiden- und Weihrauch-Strassen gelegenen Land, das seit Jahrtausenden multikulturell ist. Ethnisch leben in Syrien Araber, Kurden, Armenier und Juden, religiös trifft man bei den Muslimen auf Sunniten sowie auf die schiitischen Alawiten, Drusen, Zwölfer-Schiiten und Ismailiten und bei den Christen auf die autokephalen (selbständigen) Syrisch-Orthodoxen (Jakobiten), Griechisch-Orthodoxen, Nestorianer (Assyrer), Armenisch-Orthodoxen (Gregorianer) sowie auf die uniierten (mit Rom verbundenen) Syrisch-Katholischen, Griechisch-Katholischen (Melkiten), Maroniten, die uniierten Nestorianer (Chaldäer) und die Armenisch-Katholischen, schließlich auf Juden. Die Sunniten bilden mit etwa 74 Prozent die Mehrheit, aber sie fächern sich ebenfalls auf in Gemässigte, Dschihadisten und Muslimbrüder. So ist denn Syrien seit jeher zugleich ein Schmelztiegel und ein Pulverfass. Ich habe Syrien seinerzeit als Journalist bereist und sowohl mit Vertretern der Regierung als auch mit Vertretern der Christen und der Drusen gesprochen, und mich schmerzt daher ganz besonders, was mit diesem Land und diesem Volk zurzeit passiert. Wer sich übrigens genauer informieren möchte, sollte unbedingt zwei Bücher lesen: Einerseits die Studie von Nikolaos Van Dam, die 2011 überarbeitet nochmals herauskam[1], anderseits das neuere Buch von Daniel Gerlach.[2]

Wir haben es weiter zu tun mit dem Baath-Regime von Präsident Baschar al-Assad, das seit 1963, also seit 53 Jahren, an der Macht ist und keinerlei Opposition duldet, sondern in einem geschickten Arrangement Alawiten, Drusen, Ismailiten, 12er-Schiiten, Christen und einen Teil der sunnitischen Geschäftsleute hinter sich geschart hat. Die Regierung stützt sich zudem auf die Baath-Partei, die Armee und mehrere Geheimdienste. Immer, wenn Opposition aufkam, schlug das Regime brutal zu, so im Kampf gegen die Muslimbrüder, der 1982 in der weitgehenden Zerstörung der Stadt Hama gipfelte, so in der Festigung des Vorpostens im Libanon, zu der 2005 auch die Ermordung des früheren Premierministers und Syrien-Kritikers Rafiq al-Hariri gehörte, oder durch die Niederschlagung des Aufstandes seit 2011. Das Baath-Regime will sich an der Macht halten, weil es befürchten muss, dass im Falle eines Regime-Wechsels die sunnitische Mehrheit – und vor allem die dschihadistischen Gruppierungen - an den Baathisten und vor allem an den Alawiten fürchterlich Rache nehmen werden. Es wird deshalb ein Blutbad angerichtet, um ein Blutbad zu verhindern.

Wir haben es drittens zu tun mit den Rebellen, unter denen eine relativ kleine und heterogene Gruppe ein demokratisches und pluralistisches Syrien möchte, während hermetisch-islamistische Gruppierungen wie die Ableger der Al-Kaida, die al-Nusra-Front oder der „Islamische Staat“ eine wie auch immer geartete sunnitische (wahabitische, salafistische, Muslimbrüder-gerichtete, radikal-muslimische) Herrschaft über Syrien errichten möchten. Auch die Rebellen schrecken vor keinen Menschenrechtsverletzungen, Hinrichtungen und Kriegsverbrechen zurück.

Und wir haben es viertens zu tun mit den ausländischen Mächten. Saudi-Arabien und Katar unterstützen die Rebellen mit dem Ziel, das Baath-Regime zu beseitigen und eine sunnitische Herrschaft zu errichten. Iran und die libanesische Hisbollah unterstützen Assad aus schiitischer Solidarität und, um die Herrschaft der Sunniten zu verhindern. Die Türkei will vor allem sicherstellen, dass sich die syrischen Kurden nicht mit den irakischen, iranischen und türkischen zu einem eigenen Staat verbinden. Israel will sichere Grenzen und daher weder einen größeren Einfluss von Iran noch einen größeren Einfluss von Saudi-Arabien und schon gar kein Regime aus antisemitischen Islamisten. Die USA und die Europäische Union wollen ihre militärischen und wirtschaftlichen Interessen in der Region wahren und daher keine neuen religiösen Regimes, aber auch keine Perpetuierung des Baath-Regimes. Russland will ebenfalls seinen Einfluss wahren und unterstützt Assad, weil er als militärischer Partner und Kunde interessant ist. Das alles geht nicht auf, und den Preis bezahlt das syrische Volk.

Zurück zum Beitrag von Radio SRF: Es gibt keine andere Möglichkeit, als unparteiisch zu berichten, was man gesehen und erfahren hat und was durch Zeugen und Untersuchungen belegt ist. Genau dies tut Radio SRF, und deshalb kann ich Ihre Kritik nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] Van Dam, Nikolaos (2011): The Struggle for Power in Syria. Politics and Society under Asad and the Ba’ath-Party. London: I. B. Tauris.

[2] Gerlach, Daniel (2015): Herrschaft über Syrien. Macht und Manipulation unter Assad. Hamburg: edition Körber-Stiftung.

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