«Kassensturz»: Die Rückkehr der versteckten Kamera

Zum ersten Mal nach dem gut eineinhalb Jahre zurückliegenden Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der ein Urteil des Schweizer Bundesgerichts aufhob, das den Einsatz einer versteckten Kamera verbot, setzte der «Kassensturz» am letzten Dienstag für einen Beitrag über die dreisten Methoden von Krankenkassenmaklern wieder auf diese Recherchemethode. SRF Programmentwickler Thomas Schäppi freut sich über den wieder möglich gewordenen Einsatz der attraktiven Recherchemethode, er macht aber auch auf die Gefahren und strikte Einhalt der Regeln aufmerksam.

Ein grosses Ärgernis für Konsumentinnen und Konsumenten sind die unerwünschten Telefonanrufe von Krankenkassenmaklern. Sie locken mit professioneller Beratung und tieferen Prämien. Der «Kassensturz» hat sich darauf eingelassen und für den Beitrag «Dubiose Makler: Wann greifen die Kassen endlich durch» Treffen mit solchen Versicherungsberatern mit versteckter Kamera gefilmt und dokumentiert» («Kassensturz» vom 15.11.2016) Fazit: Die Kundschaft erhält vieles, nur nicht die günstigste Krankenkasse. Vielmehr geht es darum Zusatzversicherungen einer ganz bestimmten Krankenkasse zu verkaufen.

Es war ein eindrücklicher Beitrag von «Kassensturz» – ein Kriminalstück, das viel Licht in dunkle Machenschaften von international operierenden Telefonagenturen und Schweizer Versicherungsmaklern brachte. Telefonagenturen verkaufen Termine mit wechselbereiten Krankenkassenkunden an Versicherungsmakler, die so zu potenziellen Kunden kommen um ihnen provisionsträchtige Zusatzversicherungen zu verkaufen. Die Sendung fand grosse Beachtung beim Publikum und dürfte manch einen Konsumenten, manch eine Konsumentin zur Vorsicht gemahnt haben.

Strenge Regeln für Einsatz der versteckten Kamera

Zum ersten Mal nach dem gut eineinhalb Jahre zurückliegenden Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der ein Urteil des Schweizer Bundesgerichts aufhob, das den Einsatz einer versteckten Kamera verbot, setzte der Kassensturz wieder auf diese Recherchemethode. Eingesetzt werden darf sie nur, wenn damit ein Missstand von grossem öffentlichem Interesse aufgezeigt werden kann, der nicht anders als mit versteckten Bild- und Tonaufnahmen zu belegen ist.

All diese Voraussetzungen waren erfüllt. «Kassensturz»-Reporter Philippe Odermatt präparierte eine Wohnung mit mehreren versteckten Kameras und Mikrofonen (unter anderen war eine auch im Kopf eines Kugelschreibers platziert!) und empfing drei verschiedene Versicherungsverkäufer, die jeweils zu zweit anrückten und allesamt nach dem gleichen Muster vorgingen – die Kunden buchstäblich über den Tisch ziehen wollten. Der im Nebenzimmer wartende Ueli Schmezer konfrontierte die Makler nach Abschluss der Gespräche mit ihrem Vorgehen.

Damit waren aber lange nicht alle Sorgfaltspflichten erfüllt, die als Voraussetzungen für eine solche Recherche gelten müssen. Bereits im Vorfeld des Einsatzes wurde jedes Telefonat protokolliert, jede Recherche dokumentiert, die Gespräche wörtlich transkribiert und analysiert, und schliesslich mussten aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen auch alle Versicherungsverkäufer «geblurrt» und ihre Stimmen nachvertont werden.

Strikte Einhaltung der Regeln beugt juristischem Nachspiel vor

Wie sich schon kurz nach dem Einsatz der versteckten Kamera zeigte, war der Kassensturz – unterstützt durch Barbara Lehmann vom Rechtsdienst – damit gut beraten. Ein mittlerweile auf die Sendung spezialisierter Gegenanwalt setzte alle Mittel in Bewegung, die Ausstrahlung des Beitrags zu verhindern. Mit seitenlangen Eingaben von Forderungen, Anschuldigungen und Androhungen von rechtlichen Schritten wurde der Kassensturz bis unmittelbar vor der Ausstrahlung bombardiert – nur dank einem höchst sorgfältigen Vorgehen unter strikter Einhaltung aller Regeln ist dieser Beitrag trotz juristischem Sperrfeuer auf den Sender gekommen.

Die versteckte Kamera ist ein attraktives Recherchemittel, das hat dieser Beitrag wieder einmal gezeigt. Der «Kassensturz» wird weiterhin damit arbeiten. Aber nach wie vor gilt auch: Vor dem Einsatz ist eine Absprache mit dem Chefredaktor zwingend.

Text: Interner CR Newsletter / Thomas Schäppi

Bild: Screenshot «Kassensturz» (15.11.2016)

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