Nichts geht mehr

Die Schweiz mehrere Tage ohne Strom? Ein kaum vorstellbarer Notstand. Wie gut sind aber die Bevölkerung und die Behörden auf einen Stromausfall wirklich vorbereitet? Der SRF-Thementag «Blackout» am 2. Januar 2017 soll die Zuschauerinnen und Zuschauer auf die gar nicht so unwahrscheinliche Ausnahmesituation sensibilisieren.

«30 oder 40 Sechserpackungen Mineralwasser ohne Kohlensäure» – als vor zwei Jahren der damalige Schweizer Armeechef André Blattmann der «Schweiz am Sonntag» in einem Interview von seinem Notvorrat erzählte, erntete er viel Spott. Fast 300 Liter Wasser zuhause lagern als Vorsichtsmassnahme für einen allfälligen Stromausfall? Für viele Schweizer schien dies völlig absurd. Blattmann sagte damals, die Gesellschaft sei nicht gut genug vorbereitet für einen Stromausfall, und meinte weiter: «Es ist gut, wenn ihr ein paar Vorräte für den Notfall daheim habt. Auch Konservenbüchsen. Das hilft, ein paar Tage zu überbrücken, bis der Courant normal wieder hergestellt ist.»

Auswirkungen wurden bisher massiv unterschätzt

Nathalie Rufer, Projektleiterin des SRF-Thementags «Blackout», lacht über den scheinbar riesigen Notvorrat des ehemaligen ­Armeechefs schon länger nicht mehr. Vor über zwei Jahren ging sie nämlich der ­Frage nach: «Wie verletzlich ist unsere Gesellschaft wirklich bei einem längeren Stromausfall?» Die Antwort darauf war ernüchternd. Laut der letzten Sicherheitsverbundsübung im Jahr 2014 wäre die Grundversorgung in der Schweiz «binnen weniger Tage massiv eingeschränkt und teilweise gefährdet». Behörden von Bund und Kantonen hätten die Auswirkungen ­eines Stromausfalls bisher «massiv unterschätzt». Eine Sensibilisierung in der Gesellschaft und Wirtschaft, aber auch auf Ebene Bund und Kantone sei daher wichtig, hiess es weiter im Fazit der Sicherheitsverbundsübung. Laut der Gefahreneinschätzung des Bundes ist ein längerer Blackout auch nicht abwegig, wie man vielleicht im ersten Augenblick denken würde: Alle 30 Jahre kommt es zu einem längeren Stromausfall. In Slowenien und Italien gab es vor nicht allzu langer Zeit bereits länger dauernde Strompannen.

«Gerade jetzt, wo über Atomausstieg, Klimaschutz und erneuerbare Energien gesprochen wird, ist das Thema ‹Stromausfall› aktueller denn je» - Nathalie Rufer, Projektleiterin «Blackout»

«Gerade jetzt, wo über Atomausstieg, Klimaschutz und erneuerbare Energien gesprochen wird, ist das Thema ‹Stromausfall› aktueller denn je», findet Rufer. Der SRF-Thementag «Blackout» am 2. Januar 2017 soll Bewusstsein schaffen, die Gesellschaft informieren, aber auch zeigen, ­inwieweit die Vorkehrungen bei einem schweizweiten Stromausfall greifen würden, sagt sie weiter. Geplant ist unter anderem ein vierstündiger, fiktiver Dokumentationsfilm, der in mehrere Episoden aufgeteilt ist. Er soll aufzeigen, was ein langfristiger Stromausfall für die Schweiz bedeuten würde.

Eine Schweiz ohne Strom

Der Film beginnt mit einer Katastrophe: Ein mehrtägiger Stromausfall legt das ganze Land lahm: Der Strassenverkehr sowie die gesamte Telekommunikation funktionieren nicht mehr, Supermärkte werden geplündert, Spitäler behandeln Patienten, die um ihr Leben bangen, Tankstellen können kein Benzin mehr in die Zapfsäulen pumpen, in Altersheimen frieren die Bewohner. Der rote Faden im Film ist eine fiktive Familie und ihre Erlebnisse während des Stromausfalls. Daneben sind echte Notfallübungen zu sehen – unter anderem des Zivilschutzes Baselland, des Unispitals Basel und des Zoos Zürich. «Für viele In­stanzen war der Film ein Ansporn, diesen Notfall durchzudenken – und einmal richtig durchzuspielen», sagt Nathalie Rufer.

«Für viele In­stanzen war der Film ein Ansporn, diesen Notfall durchzudenken – und einmal richtig durchzuspielen» - Nathalie Rufer, Projektleiterin «Blackout»

Im Film sind daher nicht nur Schauspieler zu sehen, sondern auch Personen, die ihre reelle Funktion ausüben. Wie zum Beispiel der Chef des kantonalen Führungsstabs Baselland, Marcus Müller. Zusammen mit dem kantonalen Führungsstab, der Polizei und Feuerwehr, mit Ärzten, Kommunika­tionsspezialisten, Fachpersonal und Führungsassistenten probte er für den Film «Blackout» den Notstand. «Wir spielten Themen wie Trinkwasserversorgung und Treibstoffbereitstellung durch und nahmen die Notstromaggregate in Betrieb», sagt Müller. Etwa 70 Leute seien rund um diese Sicherheitsübungen involviert gewesen. Ein Aufwand, der sich nicht nur für den Film, sondern auch für den Bevölkerungsschutz Baselland gelohnt habe: «SRF war wie der Motor, der die ganze Vorsorgeplanung zum Laufen gebracht hat, und wir packten diese Chance, um unsere Notfallkonzepte auszutesten und zu verbessern.»

Vom Sicherheitschef zum Schauspieler

Marcus Müller spielt sich selbst in «Blackout». Vom sachlichen Aspekt her sei dies kein Problem gewesen. Dies sei ja schliesslich sein Job, meint Müller. «Aber die Schauspielerrolle bin ich mir schon nicht so gewohnt», lacht er. Da habe er eine innere Hürde überwinden müssen. So nah an der Realität wie nur möglich sollte das Drehbuch zum Film sein, erzählt Projektleiterin Nathalie Rufer. Darum habe man bewusst zum Teil auf reale Player gesetzt.

In den Filmpausen wird in einem extra für den Thementag gestalteten Studio über die Szenen diskutiert. Moderiert wird die Live-Sendung zwischen den Filmkapiteln von Urs Gredig. Die Unterbrechungen sollen Zuschauern ermöglichen, sich auch erst später ins Thema einzuklinken. «Der Thementag beginnt am Nachmittag um 13 Uhr und läuft bis um etwa 22 Uhr. Da ist es klar, dass nicht alle von Anfang an dabei sind», weiss Rufer. Daher gäbe es immer wieder eine kurze Zusammenfassung. Inhalte der Live-Sendung sind diverse Experimente, Zuschauer können sich

«Die Schweizer Bevölkerung hat grosses Vertrauen in die Behörden. Dabei hoffen diese, dass die Menschen sich auch selbst zu helfen wüssten.» - Marcus Müller, Chef des kantonalen Führungsstabs Baselland

einbringen, Fragen werden von Experten beantwortet, Gäste diskutieren zum Thema Energie und ein Computerhacker wird versuchen, eine Infrastruktur zu hacken – eine mögliche Ursache für einen längeren Blackout. Auch zwei Psychologen werden im Studio anwesend sein. «Spannend beim Thema ist ja auch zu erfahren, wie Menschen bei einem Notstand reagieren könnten», sagt Rufer. Helfe man einander, werde man egoistisch und würden Leute gar beginnen zu plündern? «Während meinen Recherchen und Gesprächen mit verschiedenen involvierten Instanzen kam immer wieder heraus, dass die Schweizer Bevölkerung grosses Vertrauen in die Behörden hat. Dabei hoffen diese, dass die Menschen sich auch selbst zu helfen wüssten.» Marcus Müller sieht deshalb den SRF-Thementag als Chance. Die Menschen sollten sich überlegen, was sie persönlich tun könnten in einer solchen Situation und nicht der Staat: «Der Mensch muss daher lernen, das Undenkbare zu denken.»

«Blackout» – der Thementag

Der SRF-Thementag «Blackout» findet am 2. Januar 2017 ab 13 Uhr bis 22 Uhr auf Fernsehen SRF 1 statt. Zusätzlich wird in den Sendungen «Einstein», «Club», «ECO» und «Schweiz aktuell» sowie auf Radio SRF 1 über das Thema Strom­ausfall berichtet. Auch online auf www.srf.ch werden zusätzliche Informationen aufbereitet und in einem Chat werden von Experten Fragen des Publikums beantwortet.

Text: Olivia Gähwiler

Bild: BABS (aus dem Spot «Schweiz im Dunkeln»)

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