Radio SRF 3: Jury kürt Schweizer Wort des Jahres 2016
Eine sechsköpfige Fachjury, darunter Autoren und Kolumnistinnen wie Bänz Friedli und Gülsha Adilij, kürte unter der Federführung von Radio SRF 3 aus rund tausend Vorschlägen das Wort Filterblase zum «Schweizer Wort des Jahres 2016». Die Einsendungen kamen via srf3.ch und SRF 3-App aus der Schweizer Bevölkerung.
Die Aktion «Wort des Jahres» wird seit 2003 unter der Leitung von SRF 3 durchgeführt. In der Jury sassen in diesem Jahr Autor und Kabarettist Bänz Friedli, Kolumnistin und Moderatorin Gülsha Adilij, Poetry-Slammer und Satiriker Renato Kaiser, «Literaturclub»-Moderatorin Nicola Steiner sowie Daniel Quaderer, Initiator Schweizer Wort des Jahres. Als Jury-Präsidentin amtete Autorin und SRF 3-«Lesezunder»-Moderatorin Nora Zukker. Neben dem Wort des Jahres kürte die Jury auch das Unwort des Jahres, den Satz des Jahres sowie den Ausdruck des Jahres.
Wort des Jahres: Filterblase
Paradox: Je vernetzter die Welt, desto isolierter ist das Individuum in seiner Nische von Gleichgesinnten. Das Internet schafft Blasen, die dem Einzelnen die Welt bedeuten, dann aber plötzlich platzen wie diejenige der Anhängerschaft Hillary Clintons, die am Wahltag des 8. November feststellen musste, dass sie sich trompiert hatte. Spätestens mit der Abstimmung über den Atomausstieg kam das Phänomen in der Schweiz an: Im eigenen digitalen Umfeld von Gleichgesinnten wähnt man sich in der Mehrheit. Diese virtuellen Räume, auch «Echokammern» genannt, in denen man stets nur in seinen eigenen Vorlieben und Ansichten bestätigt wird, sind vom Web-User nicht nur selbstgewählt, sondern werden durch Algorithmen verstärkt: Social Media wie Facebook sind so programmiert, dass Gleiche zu Gleichen und Gleichgesinnte zu Gleichgesinnten kommen. Damit sind sie just das Gegenteil dessen, was sie vorgeben, nämlich demokratisch zu sein. In Zeiten des «Postfaktischen» und von «fake news» verliert der Einzelne, ohne es zu merken, seine Deutungshoheit an eine Maschine.
Inländervorrang light als Unwort des Jahres
Das Unwort des Jahres ist Inländervorrang light. Diese typisch schweizerische Wortschöpfung spiegelt die Mühen der Politik, einen Volksentscheid umzusetzen und dabei möglichst allen entgegenzukommen: Abstimmungssiegern wie -verlierern, der EU, den heimischen Stellensuchenden. Um die Kompromissbereitschaft und Abschwächung auszudrücken, die helvetischer Politik stets innewohnt, bedient man sich eines englischen Ausdrucks: light. Der Begriff ist verniedlichend und klingt so technisch, dass fast vergessen geht, dass es sich bei in- und ausländischen Arbeitssuchenden um Menschen handelt.
Satz des Jahres: «Vielleicht müssen wir die Granaten in Zukunft ohne Logo liefern, damit niemand weiss, woher sie stammen.» Diesen Satz sagte der gewählte Volksvertreter Andreas Glarner am Vorabend des 1. August in einem Interview mit dem Aargauer Regionalsender Tele M1. Ein IS-Attentäter hatte bei einem Terroranschlag in der Türkei Schweizer Granaten eingesetzt, worauf in der Schweiz der Ruf nach einem Verbot von Kriegsmaterialexporten laut wurde. Der Satz erscheint der Jury als Inbegriff helvetischer «Das geht uns nichts an»-Mentalität – Waffen zu exportieren und sich um die Folgen, zum Beispiel Flüchtlinge, zu foutieren, ist zynisch.
Der Ausdruck des Jahres ist kein Wort, sondern «dabbing»
Die Geste, sich einen angewinkelten Arm vor die Stirn zu halten und den anderen im selben Winkel auszustrecken, wird zunehmend auch in der Schweiz von jungen Menschen verwendet. Populär gemacht wurde sie von Rappern aus dem Raum Atlanta, Georgia, und in der Folge von amerikanischen und europäischen Sportlern. «Dabbing» sagt als Ausdruck der Begeisterung in Zeiten optisch orientierter Medien wie Instagram mehr als tausend Worte. Die Jury fällt ihr Votum im Bewusstsein, dass «dabbing» damit auf einen Schlag uncool wird und «von gestern» ist.
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