Service public als «Service au public»
Der designierte Generaldirektor der SRG Gilles Marchand präsentiert seine Vision eines zukunftsorientierten Service public im Interview mit der Wochenzeitung. Der Leiter der Radio Télévision Suisse (RTS) träumt von einer SRG, die sich im Rhythmus des Landes bewegt und zeigt auf, dass die Konsequenzen einer Annahme der No-Billag-Initiative für den Medienstandort Schweiz gravierend wären.
WOZ: Herr Marchand, ab 1. Oktober 2017 sind Sie der neue Generaldirektor der SRG. Die Ankündigung Ihrer Wahl war eine Überraschung. Die SRG ist unter Beschuss. Und selbst Fachjournalisten haben gefragt ...
Gilles Marchand: (lacht) Die Leute in der Deutschschweiz haben gefragt: «Gilles wer? Wer ist dieser Gilles Marchand?»
Manche fragten: «Kommt der Retter der SRG aus dem Westen?»
Also zuerst: Wenn ich in Zürich oder Bern nicht sehr bekannt bin, heisst das nicht, dass ich die Zürcher und Berner nicht kenne. Ich bin seit fünfzehn Jahren in der Geschäftsleitung der SRG. Ich kann die Kräfteverhältnisse und die Positionen recht gut einschätzen. Und man sollte auch nicht dem Irrtum unterliegen, dass der Westen der Schweiz den Osten nicht kennt.
Könnte man sagen, dass der Osten den Westen nicht kennt?
Man kann wohl sagen, dass wir ein grösseres Interesse daran haben, den Osten zu kennen, als der Osten es daran hat, den Westen zu kennen.
Wie nehmen Sie die Diskussion um die Zukunft der SRG wahr?
Die Diskussion ist sehr angespannt in der Deutschschweiz, zwischen den dortigen Playern. Wenn in einer solchen Situation eine neue Person von aussen kommt, kann das vielleicht eine neue Dynamik erzeugen und eine bessere Situation herbeiführen. Das muss nicht immer so sein, aber ich werde mich bemühen, dass dies so sein wird.
Warum gibt es in der Suisse romande weniger Spannungen?
In der Deutschschweiz gibt es Medienhäuser, die glauben, dass sie sich besser entwickeln könnten, wenn die SRG geschwächt würde. Diese Idee verfolgen nur wenige Leute in der Suisse romande. Man ist sich bewusst, dass die gesamte Produktionskapazität in der Westschweiz in Gefahr geriete, wenn die SRG geschwächt würde.
Aber es gibt auch in der Bevölkerung eine unterschiedliche Wahrnehmung der SRG und unterschiedliche Kritik an ihr. Man hat das bei der Abstimmung über die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes gesehen.
Weil in der Westschweiz das Mediensystem kleiner ist, ist die Nähe zu den gesellschaftlichen Milieus grösser. Ob Sport, Kultur, Wirtschaft – alle Beteiligten wissen, dass nur aus der Zusammenarbeit ein gemeinsames Programm entstehen kann. Den Parteien in der Romandie, auch den Liberalen oder der SVP, ist zudem bewusst, dass die Solidarität, der Finanzausgleich innerhalb der SRG, für die Minderheitsregionen wie die Romandie, das Tessin oder Graubünden äusserst wichtig ist. Daraus entsteht aber in diesen Regionen kein Minderwertigkeitsgefühl, im Gegenteil: Man ist stolz darauf, ein Programm zu produzieren, das sich auch international sehen lassen kann, im Vergleich selbst mit den grossen französischsprachigen Sendern wie TF1 oder M6.
Was verstehen Sie unter Service public?
Grundsätzlich werden die Inhalte unserer Angebote bestimmt durch die SRG-Konzession, die nichts anderes ist als ein Vertrag zwischen der SRG und dem Bund. Ich bin persönlich der Überzeugung, dass der Service public ein «service au public» sein muss. Er muss sich an das ganze Publikum richten. Weil der Service public von allen Haushalten der Schweiz finanziert wird, müssen wir für alle ein Qualitätsangebot machen: ein gleichwertiges Angebot für alle Regionen und ein Qualitätsangebot für alle Interessengruppen der Bevölkerung.
Nun gibt es unter dem Stichwort «Subsidiarität» die Forderung: «Die SRG soll nur machen, was die privaten Medienhäuser nicht können.» Das heisst, man lässt den Markt entscheiden.
Würde man alleine den Markt entscheiden lassen, erhielten nicht alle das gleiche Angebot. Die regionalen Märkte in der Schweiz haben eine sehr unterschiedliche Wirtschaftskraft. So wäre in der Westschweiz oder gar im Tessin nicht das gleichwertige Angebot möglich wie in der Deutschschweiz. Aber die SRG muss in der ganzen Schweiz für die ganze Schweiz ein vollständiges Angebot produzieren: nicht nur Kultur oder nur Sport oder nur Information oder nur Unterhaltung. Oder soll etwa die SRG keine Informationssendungen mehr machen, weil die Privaten auch Information produzieren?
Ist der Service public nicht Teil des Establishments geworden? In den Informations- und Diskussionssendungen sieht man doch immer die gleichen Toppolitikerinnen und Topmanager aus der Wirtschaft. Damit macht sich der Service public doch selber zu einem Teil des politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Apparats.
Wenn Sie sagen «Teil des Apparats», sprechen Sie die Unabhängigkeit an. Ich kenne die Medienlandschaft national und international. Und ich kann sagen: Die SRG ist von der Wirtschaft so unabhängig wie kaum ein anderes audiovisuelles Haus. Wie könnte sie sonst jede Woche eine Sendung wie «Kassensturz», «Patti Chiari» oder «A bon entendeur» ausstrahlen?
Das andere ist die Unabhängigkeit von der Politik. In der Schweiz geben Gesetz und Konzession, also das Volk und die Regierung, der SRG einen Auftrag. Gesetz und Konzession bestimmen auch die unabhängigen Kontrollinstanzen. Solange das so bleibt, kann die SRG ihren Auftrag effizient und unabhängig erfüllen. Und das tut sie.
Bei einem anderen Punkt stimme ich Ihnen zu.
Der wäre?
Wir dürfen uns die Themen nicht nur von der politischen Agenda aufdrängen lassen, vielmehr müssen wir vorausschauend die Themen aus allen Lebensbereichen selber setzen. Wir dürfen nicht nur im sogenannten Mainstream denken, also in den gängigen Themen. Und alle Journalisten und Sendegefässe müssen bei der Wahl ihrer Gäste auf Abwechslung achten. Die Mischung aus Machern, Politikern und Experten bringt aus meiner Sicht in der Diskussion am meisten. Sie zeigt ausserdem das Geflecht der Gesellschaft, in dem Berufsleute, Politiker und Experten zusammenwirken.
Sie haben gesagt, Sie wollen das Publikum als Ganzes ansprechen. Kann das noch gelingen, wenn es wegen der Digitalisierung immer mehr zersplittert?
Genau da erbringt der Service public eine zentrale Leistung. In unserem Land ist theoretisch eigentlich alles darauf angelegt, dass wir miteinander im Streit liegen. Wir sind ein Land von enormer Vielfalt. Wir haben verschiedene Kulturen, verschiedene Sprachen, verschiedene Religionen – alles ist auf Verschiedenheit angelegt. Und trotzdem schaffen wir es in der Schweiz, friedlich zusammenzuleben. Das politische System erlaubt das. Das demokratische System erlaubt das. Und der Service public begleitet und unterstützt das; er versammelt die Menschen.
Erlauben Sie mir als Soziologe noch ein Wort dazu: Je mehr die Gesellschaft zersplittert und sich atomisiert, desto wichtiger wird alles, was zum Gefühl der Zusammengehörigkeit beiträgt. Sie werden sehen: Der Service public wird wieder sehr trendig.
«In unserem Land ist theoretisch eigentlich alles darauf angelegt, dass wir miteinander im Streit liegen»
Aber wenn die SRG die grossen Geschichten erzählt, versammelt sie uns immer wieder um die gleichen alten Lagerfeuer: den Gotthard, Tell, die «Urschweiz». Das war so in der historischen Serie «Die Schweizer» und war nun wieder so mit dem grossen Gotthardtunnelbau.
Wir müssen als Schweizer unsere Geschichte erzählen ...
Nun war die Schweiz ja nicht nur der Gotthard und die Abwehrschlachten, sondern auch ein offenes Land mit Handelswegen und Verbindungen zwischen Nord und Süd und Ost und West, also ein Land mit viel Verbindung nach Europa.
Sie meinen, als nächstes grosses Projekt müssten wir erzählen, wie Napoleon die helvetische Schweiz geschaffen hat?
Das wäre dann Schweizer Geschichte als Teil der europäischen oder der Weltgeschichte.
Nun, wir müssen als Schweizer unsere Geschichte erzählen. Der Gotthard ist weit weg für die Romands. Also müssen sie dessen Entstehung und Bedeutung für unser Land kennenlernen. Der Gotthardfilm war übrigens ein grosser Programmerfolg. Und noch etwas: Wir haben im Fernsehen und im Radio nicht nur die technische Leistung gezeigt, sondern auch die Wirtschaftsgeschichte und die internationale Zusammenarbeit mit italienischen und deutschen Behörden. Und nicht zuletzt die elenden Arbeitsbedingungen und die Ausbeutung der mehrheitlich ausländischen Arbeiter.
Das ist die Geschichte. Wie macht man aus der SRG eine Institution der multikulturellen Gesellschaft, wie wir sie heute haben, mit Menschen aus der ganzen Welt? Wie macht man eine SRG für die Zukunft?
Die Schweiz ist heute in der Tat ganz anders als vor fünfzig Jahren. Es ist eine multikulturelle Schweiz und, unter anderem, eine Schweiz der digitalen Gesellschaften.
Was bedeutet das?
Für eine gute Integration heisst es auf jeden Fall: keine Programmghettos in fremden Sprachen für Ausländer. Wir müssen die Schweiz in den Landessprachen zeigen und erklären, auch unterhaltsam – für die gesamte Bevölkerung, Ausländer und auch Schweizerinnen und Schweizer. Und dies in unseren Sprachen, denn Integration läuft über die Sprache, sonst zerstören wir das Gefühl der Zugehörigkeit und der Zusammengehörigkeit.
Verändern sollten sich doch auch die Medien selbst, indem sie Migrantinnen und Migranten eine Stimme geben.
Im Radio und Fernsehen der Suisse romande gibt es bereits eine enorme Zahl von Secondos. Das ist ein lebendiger Ausdruck der Vielfalt. Aber Achtung: Diese Leute müssen gute Profis sein, die behandelt werden wie alle. Es zählt die Kompetenz! Tatsache ist: Bei RTS beispielsweise sind viele Moderatoren Secondos.
Die andere Frage ist wohl die Integration der Jugend in den Service public, denn die Jugend wandert ab in die digitale Welt.
Ganz klar. Ich habe keine nostalgische, auf die Vergangenheit gerichtete Vision der Schweiz. Wir müssen die moderne Schweiz begleiten, die vielfältige Schweiz, die mobile Schweiz, in der Menschen täglich unterwegs sind, zehnmal den Wohnort und viermal den Beruf wechseln, die Schweiz mit einer dynamischen technologischen Entwicklung und mit einem grossen Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit. Wir müssen dies verstärkt mit den Werkzeugen des jungen Publikums tun. Das sind mehr und mehr die digitalen Plattformen.
Und da ist die SRG noch nicht sehr weit.
Das stimmt nicht. RTS und SRF sind schon lange auf Youtube. Auch haben wir zum Beispiel in der Romandie seit fünfzehn Jahren am digitalen Angebot gearbeitet. RTS hat ein Weblabor, in dem wir Entwicklungsarbeit leisten, beispielhafte Kurzformen wie die Sendung «Nouvo» als Anregung für Zuschauer, die Youtube-Produktionen planen. Wir gehen dahin, wo die jungen Leute sind.
Aber im SRG-Angebot dominiert noch immer das klassische Programmradio und Programmfernsehen.
Die SRG hat im November eine strategische Entscheidung getroffen. Im Zeitraum ab etwa 2020 wird der zweite Fernsehkanal der RSI – der italienischen Schweiz – geschlossen, und an seiner Stelle werden wir die digitale Plattform Web LA 2 anbieten. Das ist weder ein Programmausbau noch ein Abbau. Es ist der Ersatz eines linearen Fernsehkanals durch eine Plattform. Es ist ein Experiment in der öffentlichen Medienlandschaft (vgl. «Game over für einzelne Kanäle» im Anschluss an diesen Text).
Die SRG kann das machen, weil der zweite Kanal von RSI praktisch keine Werbung aufweist. Aber Werbung ist ja für den Service public ohnehin zunehmend heikel. Sie schreiben selbst in Ihren Texten, dass im Journalismus die klare Unterscheidung zwischen einem journalistischen Text und einem Werbetext immer mehr verloren geht.
Für die SRG ist klar: Sie muss die strikte Unterscheidung zwischen Information und kommerzieller Kommunikation unbedingt beibehalten. Das ist die Grundlage ihrer Existenzberechtigung.
Neue Formen wie die gezielte, personalisierte Werbung machen aus dem Publikum eine kommerzielle Zielgruppe, Konsumenten, anstatt sie als Staatsbürger zu behandeln. Das steht ja doch im Gegensatz zur klassischen Bestimmung des Service public.
Der Service public muss hier Mass und Zurückhaltung beweisen. Wir können für die Werbeauftraggeber gute Partner bleiben, weil wir erfolgreiche Programme machen. Wir können uns auch an die modernen Kommunikationsformen anpassen, mit denen wir eine Werbebotschaft in ein sprachliches oder thematisches Umfeld einbringen können. Aber nicht um jeden Preis. Und es kommt selbstverständlich niemals infrage, dass der Service public sein Publikum aus kommerziellen Gründen manipuliert oder in die Irre führt.
Einerseits setzen Sie also bei der Werbung gewisse Grenzen. Andererseits werden die Gebühreneinnahmen mit der No-Billag-Initiative politisch angegriffen. Wie sehen Sie deren Erfolgsaussichten?
Ich werde die Initiative sicher nicht unterschätzen und noch viel weniger einen allfälligen Gegenvorschlag. Im Gegenteil. Ich glaube nämlich, dass die Schweizer noch gar nicht verstanden haben, was ein Ja zur Initiative bedeuten würde: schlicht und einfach das Verschwinden aller Programme, die die Leute mögen. Und zwar nicht nur der SRG-Programme, sondern auch der meisten Schweizer Radio- und Fernsehsender, die eine Konzession und damit Gebührengelder erhalten. Das wäre eine Medienkatastrophe für das Land. Und es wäre eine wirtschaftliche Katastrophe mit dem Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen. Wir werden das alles der Bevölkerung und der Politik erklären. Ruhig, aber klar.
«Ich glaube nämlich, dass die Schweizer noch gar nicht verstanden haben, was ein Ja zur Initiative bedeuten würde»
Könnten Sie eine generelle Obergrenze für die Einnahmen der SRG akzeptieren, etwa auf der gegenwärtigen Höhe von 1,5 Milliarden?
Ich denke, das Budget muss der SRG erlauben, ihren Auftrag zu erfüllen. Also muss man nicht vom Betrag ausgehen, sondern vom Auftrag, und dann in aller Offenheit und Transparenz zeigen, was das kostet.
Was ist Ihr Angebot an die privaten Verlage, um die Spannungen zu lösen?
Grundsätzlich glaube ich nicht, dass die privaten Medienhäuser stärker werden, wenn man die SRG schwächt. Praktisch werde ich konstruktive Vorschläge weiterführen. In der Westschweiz haben wir ganz selbstverständlich Koproduktionen. Nehmen wir die Satiresendung «26 minutes», die ein grosser Erfolg ist. Tamedia bekommt für die Westschweizer Ausgabe von «20 Minuten» am Tag vor der Ausstrahlung gratis einen kurzen Clip, den sie dank RTS zeigen kann. Tamedia gewinnt dadurch mehr Leser, wir gewinnen mehr Zuschauer – es ist also eine Win-win-Situation, ein Gewinn für alle.
Das ist ein Einzelprojekt.
Die SRG trägt mit solchen Angeboten zu mehr Vielfalt im Schweizer Werbemarkt bei. Und damit könnten wir Geld in gemeinsame Produktionen investieren. Wir könnten zum Beispiel auch die Kosten für die Medienforschung übernehmen und die Ergebnisse der Branche zur Verfügung stellen. Oder der Service public kann interessante digitale Plattformen entwickeln und die Technologie zur Verfügung stellen. All das ist realisierbar.
Steht bei solchen Kooperationen nicht der Vorwurf im Raum, dass Gebührengelder in den Taschen der Aktionäre privater Medien landen?
Für mich sind solche Kooperationen dann legitim, wenn sie allen Akteuren dienen, die daran teilnehmen und zur Verbesserung des publizistischen Angebots beitragen. Unabhängig davon, ob sie im öffentlichen oder im privaten Besitz sind. Es geht nicht um ein «Sponsoring», sondern um eine Zusammenarbeit.
Wie sollen denn die SRG und ihr Angebot in fünf Jahren aussehen?
Die SRG soll ein bewegliches Unternehmen sein, schnell und offen. Sie soll interessante Inhalte fabrizieren, mit denen sie die unterschiedlichsten Publikumsgruppen auf allen Kanälen anspricht und versammelt. Ganz unabhängig vom Ort des Angebots: lineares Fernsehen, Live-Streaming oder Video-on-Demand auf einer Plattform. Ich träume von einer Unternehmensstruktur, die sich im Rhythmus des Landes bewegt und die alles sein darf, nur nicht erstarrt, und die eine Risikokultur annimmt.
Es gibt ja durchaus die Hoffnung, dass die interaktive Technologie die demokratische Kommunikation verbessert. Vielleicht sind wir aber auch schon Gefangene eines zwiespältigen Systems, das monopolistische bis autoritäre Tendenzen hat – wie etwa die Macht von Google oder Facebook zeigt.
Die digitale Kultur begünstigt Beziehungen, die quer zu den bestehenden verlaufen, die demokratische Teilnahme ermöglichen und die Entwicklung einer kollektiven Intelligenz unterstützen. Aber man darf nicht naiv sein. Die GAFA-Unternehmen, also Google, Amazon, Facebook und Apple, arbeiten ja nicht für den Ruhm und die Harmonie der Völker. Sie sind dazu da, gigantische Profite zu realisieren, um sie in immer stärker kontrollierte Strukturen zu investieren. Hinter dem neuen amerikanischen Traum, dass jeder in der Garage basteln und dann als Herr der Welt enden kann, verbirgt sich eine ganz andere Wirklichkeit: absolute soziale Unsicherheit, Arbeit auf Abruf und vor allem sehr wenig Nachdenken über die gesellschaftspolitischen Folgen der digitalen Revolution.
Stimmt Sie als künftigen Chef der grössten Schweizer Medienorganisation diese Entwicklung nicht pessimistisch?
Es wäre falsch, dieser Revolution als verbitterte Zuschauer beizuwohnen. Wir müssen sie verstehen und daran teilnehmen und dabei das öffentliche Interesse nie aus den Augen verlieren. Ich glaube, dass Europa da eine starke Karte spielen kann. Ich glaube, Europa kann das Konzept des Gemeinguts in die digitale Gesellschaft einbringen, oder wie man in der Schweiz eben sagt: des Service public.
Und was ist die Rolle der Journalistinnen und Journalisten, wenn sie in einer horizontalen, partizipativen Organisation die gesellschaftliche Aufgabe des Service public wahren sollen?
Die Journalisten haben eine entscheidende Rolle. Sie müssen sortieren, entschlüsseln, kommentieren, überprüfen, überraschen. Diese Funktionen sind wesentlich für die Qualität der demokratischen Debatte. Und das wird kein Algorithmus gleichzeitig schaffen. Jedenfalls nicht sofort ...
Zum Artikel der Wochenzeitung vom 5. Januar 2017
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