Die Gegner und die Freunde der SRG

Der audiovisuelle Service public der SRG wird zur Zeit heiss diskutiert. Zudem werden die Stimmbürgerinnen und –bürger 2018/2019 über die No-Billag-Initiative abstimmen. Eine «Wer-wie-was»-Auslegeordnung in neun Punkten des «Edito»-Chefredaktors Philipp Cueni.

Die härtesten Gegner der SRG

Die härtesten Gegner der SRG sind die Initianten der No-Billag-Initiative, die aus Kreisen von Jungfreisinnigen und der Jungen SVP stammen. Führende Köpfe sind Florian Maier und Olivier Kessler. Die SVP behält sich vor, «No Billag» zu unterstützen, sofern sie im Parlament keine ihr genehme Alternative durchbringt. Die SVP führt einen konsequenten Anti-SRG-Kurs, vor allem über ihre medienpolitische Exponentin Natalie Rickli. Die «Aktion Medienfreiheit» versammelt seit Jahren die harten SRG-Gegner. Zum Vorstand gehören unter anderem Natalie Rickli (SVP), Christian Wasserfallen (FDP), Filippo Leutenegger (FDP) und Marco Romano (CVP). Als Anti SRG-Kraft hat sich auch der Gewerbeverband profiliert, mit Direktor Hans-Ulrich Bigler (FDP) und Präsident Jean-François Rime (SVP).

Bei den Parteien sind die SVP und die Lega zu den harten SRG-Gegnern zu zählen. In der FDP finden sich viele SRG-Gegner, aber auch kritische Befürworter. Die CVP war traditionell eine Stütze der SRG. Mit dem neuen Präsidenten Gerhard Pfister hat die Anti-SRG-Haltung deutlich zugenommen – mit Marco Romano sitzt ein CVP-Exponent im Vorstand der «Aktion Medienfreiheit». Aber Martin Candinas (NR CVP) ist ein engagierter Verteidiger der SRG, der designierte SRG-Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina ist CVP-Staatsrat im Wallis, die SRG-freundliche Medienministerin Doris Leuthard gehört zur CVP. Die liberalen Thinktanks wie das Liberale Institut (mit der Zeitschrift «Monat» und Geldgeber Tito Tettamanti) oder Avenir Suisse sind starke Verbündete der SRG-Gegner, ebenso der Werbevermarkter Goldbach Media (mit Kaderfrau Natalie Rickli), der unter anderem für Werbefenster von ausländischen Privatsendern arbeitet, also für direkte Konkurrenten der SRG.

Ständerat pro, Nationalrat contra

Der Bundesrat stärkt in seinem Bericht die Stellung der SRG im Service public – und gibt ihr einige neue Hausaufgaben mit. Der Ständerat schliesst sich dieser Position grossmehrheitlich an, die SRG sei in der aktuellen Form wichtig für die Schweiz. Im Nationalrat hingegen kann die SRG-Gegnerschaft eine knappe Mehrheit erreichen. Entsprechend hat er bereits einige Aufträge an den Bundesrat überwiesen, mit welchen die SRG eingeschränkt werden soll. Auf der Seite der SRG stehen im parteipolitischen Spektrum die SP und die Grünen. Bei CVP und FDP gibt es wichtige Kräfte, welche die SRG verteidigen. Gegenüber der SRG positiv eingestellt sind die drei Mediengewerkschaften. Und im Bereich der Zivilgesellschaft verteidigt die Bewegung «Medien für alle» den Service- public-Auftrag an die SRG.

Die Palette der Reformvorschläge

Die Palette der Vorschläge, mit welchen die SRG sanft oder massiv eingeschränkt werden soll, ist breit. Das geht von der Veränderung des Gebührensplits (mehr Gebührenanteile an die Privaten) über die Einschränkung der SRG bei der Werbung oder bei den Verbreitungskanälen (z. B. keine Online-Dienste oder weniger Radiokanäle) bis zur Reduktion (um ein Viertel, die Hälfte) oder Abschaffung der Gebühren. Dann die Variante, Teile aus dem SRG-Auftrag herauszunehmen (z. B. Sport oder Unterhaltung), oder der Versuch, die Unabhängigkeit der SRG zu unterhöhlen (z. B. via Zuständigkeit für SRG-Konzession ans Parlament). Ein anderer Ansatz ist jener der Komplementarität, bei welchem die SRG nur noch das anbieten darf, was der Markt nicht leisten will. Ein nochmals anderer Vorschlag will die SRG auf die Rolle des Produzenten (ohne Verbreitungskanäle) reduzieren: Die SRG produziert Programmteile, welche die Privaten gratis verwenden können («Open-Source Ansatz»).

Die Positionen der Verleger

Die Verleger anerkennen eine öffentliche SRG als Teil des Mediensystems. Aber die privaten Medien und die SRG sollten in einem komplementären Verhältnis stehen und nicht im Wettbewerb zueinander. Sonst führe dies zu Marktverzerrungen und schwäche die Attraktivität privater Investitionen. Die SRG sollte mit dem Privileg der Gebührenfinanzierung nicht mit privaten Angeboten in Konkurrenz treten, sondern ausschliesslich Angebote bieten, die es ohne sie nicht gäbe (Subsidiarität). Die Verleger verlangen von der SRG Selbstbeschränkung, vor allem beim digitalen Angebot und bei der Werbung. Die Verleger sind der Meinung, ein Teil der SRG-Angebote liesse sich auch über den Markt finanzieren.

Die Position und die Angebote der SRG

Die SRG stützt sich auf den Auftrag, den ihr Bundesverfassung und Politik übertragen haben. Sie legt dar, welche Leistungen sie für die gesellschaftliche Debatte und die mediale Grundversorgung in der viersprachigen Schweiz erbringen will. Die SRG argumentiert, dass viele ihrer Angebote über den Markt nicht finanzierbar wären. Sie macht gegenüber den Verlegern eine Reihe von Kooperationsvorschlägen, um gemeinsam gegenüber der internationalen Konkurrenz zu bestehen.

Das verlangen Freunde von der SRG

Auch der SRG wohlgesinnte Kreise machen bei der Rundfunkanstalt Reformbedarf geltend. Vorschläge sind: ein weniger kommerzielles Auftreten (z. B. keine Unterbrecherwerbung), mehr anspruchsvolle Service-public-Leuchttürme im Programm, mehr Mut bei der Programmierung in der Primetime, mehr Eigenproduktionen und Swissness, mehr Berücksichtigung des jungen Publikums und der Bewohner und Bewohnerinnen mit Migrationshintergrund. (Ein Teil dieser Forderungen entspricht auch SRG-Zielen.)

Streitpunkte zwischen den Verlegern und der SRG

Die Verleger verlangen von der SRG Konzessionen. Bei der Werbung: Sie soll weniger Werbung (und Sponsoring) machen, gar keine im Online-Bereich (was der Bundesrat auch nicht erlaubt). Bei Admeira: Die SRG soll sich von der Vermarktungsplattform (mit Swisscom und Ringier) zurückziehen. In diesem Punkt scheint die Position der Verleger (zugunsten einer möglichen echten Beteiligung) weicher geworden zu sein. Bei Unterhaltung und Sport: weitgehender Verzicht. Bei Online: keine eigenen Aktivitäten. Und generell: Programminhalte den Privaten gratis zur Verfügung stellen.

Kompetenzen: Wer entscheidet was?

Die Aufgabe des öffentlichen Rundfunks ist in der Bundesverfassung festgelegt. Über Vergabe und Inhalt der Konzession (die Ausgestaltung des Auftrags) und über die Höhe der Gebühren entscheidet der Bundesrat. Will das Parlament dabei mitbestimmen, dann muss es sich über eine Gesetzesrevision (Radio-/Fernsehgesetz) diese Kompetenzen zuschanzen. Soll der Auftrag an die SRG grundsätzlicher geändert werden, braucht es für diese Änderung der Bundesverfassung eine Volksabstimmung. Auch «No Billag» (keine Gebühren mehr) braucht eine Volksabstimmung. Ein Alternativvorschlag («Gegenvorschlag») zu «No Billag», wie zum Beispiel die Halbierung der Gebühren oder die Einschränkung des Auftrags (z. B. ohne Unterhaltung oder Sport), braucht die Mehrheit in den beiden Kammern des Parlaments und dann ebenfalls ein Volksmehr. Einschränkungen der SRG bei den Verbreitungsvektoren (z. B. im Online-Bereich) oder bei der Werbung könnte das Parlament über eine Gesetzesrevision durchsetzen.

Service public, Mediengesetz und -förderung

Es stehen Entscheide um den Service public und die SRG an. Zudem möchte der Bundesrat ein neues Mediengesetz vorlegen, welches auf der Basis der Bundesverfassung Radio, Fernsehen und neu den Online- Bereich erfasst. Damit könnten auch Online-Angebote von Privaten gefördert werden – als Ergänzung zur bestehenden punktuellen, indirekten Medienförderung (wie Verbilligung der Postbeförderung von Zeitungen oder Unterstützung der Ausbildung). Der erste Bericht der Eidgenössischen Medienkommission EMEK diskutiert auch eine generelle Journalismus- respektive Medienförderung. Dafür wäre eine neue Verfassungsbestimmung nötig. Dazu sind die politischen Widerstände derart gross, dass eine Umsetzung in den nächsten Jahren unwahrscheinlich ist.

Der Artikel «Die Gegner und Freunde der SRG» von Philipp Cueni erschien erstmals im Magazin «Edito» 5/16.

Text: Philipp Cueni

Bild: Linus Frei

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