«Wir wollen niemanden an den Pranger stellen»
Der Publikumsrat bringt den Redaktionen die Sicht der Fernsehzuschauerinnen und Radiohörer näher. Doch wie genau beobachten die Räte das Programm und was gilt es dabei zu beachten? Emil Mahnig gewährt bei der Sendungsbeobachtung des SRF-Comedy-Frühlings Einblicke ins Schaffen des kritischen Gremiums.
Emil Mahnig lacht und sagt: «Ich bin ein praktizierender Chaot». Auf einem Bild zeigt der Publikumsrat, wie sein Büro vor wenigen Wochen noch aussah: Blätter mit Notizen liegen auf dem Tisch verteilt. Die Tastatur des Computers ist kaum mehr sichtbar. Damals bereitete er gemeinsam mit Ratskollege Stefan Z’Graggen die Beobachtung des SRF-Comedy-Frühlings vor. Die beiden informierten sich darüber, was in Sachen Comedy auf SRF bislang lief; sie lasen Zeitungsberichte, recherchierten im Internet. Und erhielten von den Redaktionen exklusive Informationen zur Spezialwoche. Solche Hintergründe interessieren Mahnig, der sich selbst als «Newsjunkie» bezeichnet, seit jeher. Selbst war er jahrelang als Journalist tätig, unter anderem war er Chefredaktor bei Radio Pilatus und Nachrichtenchef beim «SonntagsBlick». Heute ist der 61-Jährige Leiter einer Kommunikationsagentur. Für ihn sei auch während seiner Zeit als Journalist stets klar gewesen: «Informationen aus dem Publikumsrat behandle ich vertraulich.»
Mittlerweile sind die Details zum Programm des Comedy-Frühlings nicht mehr geheim. Denn die Beiträge liefen in der letzten Märzwoche auf den verschiedenen Sendern. So kamen auf SRF 1 die Programmansager zum Einsatz. Wie in alten Zeiten erzählten sie den Zuschauern, was der Fernsehabend für sie bereithält. Die Anmoderationen waren jedoch mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Wie jene von Comedian Michael Elsener zum «Tatort»: «Zuerst stirbt einer und am Schluss weiss man, wer es war.» Nebst den Ansagern zeigte SRF Newcomer auf der «Talent Stage», liess Cabaret-Klassiker wie «Die Polizeihauptwache» von Emil Steinberger wieder aufleben und brachte dem Deutschschweizer Publikum das Westschweizer Kultformat «26 minutes» näher.
Ein solch dichtes Programm fordert auch den Publikumsrat. Das 26-köpfige Gremium beobachtet Sendungen von SRF und bringt den Machern die Sicht des Publikums näher. Damit die 26 Beobachtungen nicht zu sehr auseinanderdriften, haben die Räte einen Beobachtungsauftrag. Dieser hält fest, wer welche Beiträge des Comedy-Frühlings sehen soll. Und ein Raster zeigt, worauf sie besonders achten müssen. «Inwiefern leisten die Sendungen einen Beitrag zum Service public?», steht da beispielsweise. Ebenso gilt es, persönliche Einschätzungen festzuhalten: «Wurden deine Erwartungen erfüllt?», wird gefragt. Die Beobachtungen hätten keinen Anspruch auf Objektivität, erklärt Emil Mahnig. «Die Meinungsvielfalt ist wichtig», sagt er. Es sei eine Qualität des Rats, dass er aus Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen bestehe, nicht nur aus Journalisten wie ihm. «Sonst wäre es ja ein Medien- und kein Publikumsrat.» Doch ein grosses Interesse am Programm von SRF sowie Zeit und Engagement seien sehr wohl gefragt, sagt Mahnig. Die Tätigkeit entspricht einem Pensum von zehn Prozent.
Emil Mahnig wendet gar noch mehr Zeit auf. Im Schnitt einen Tag pro Woche. Denn nach 12 Jahren im Rat ist er seit drei Jahren Mitglied des leitenden Ausschusses. Und dieser bereitet die Programmbeobachtungen nicht nur vor, sondern er bringt auch die Meinungsvielfalt in einem Bericht auf den Punkt. Diesen Aufwand nimmt Mahnig gerne auf sich. Denn er stellt immer wieder fest, dass die Arbeit Wirkung erzielt. «Oft nehmen die Sendungsmacherinnen und -macher unsere Kritik direkt auf.» Nicht nur auf Papier wird diese überbracht, sondern auch von Angesicht zu Angesicht: Der Publikumsrat lädt Mario Torriani, Leiter des Comedy-Frühlings, und Anina Barandun, Redaktionsleiterin Hörspiel und Satire, zum Gespräch ein. Diese Diskussionen würden jeweils in einigen Punkten vom Bericht abweichen. Doch so seien die Begegnungen lebendiger und wertvoller, meint Mahnig.
Abschliessend macht der Rat seine Beobachtungen öffentlich. In einer Medienmitteilung fasst er die wichtigsten Punkte zusammen. Aber: «Wir wollen niemanden an den Pranger stellen, die Sitzungen sind auf Vertrauen aufgebaut», sagt Mahnig. Dass die Mitteilungen nur selten von den Medien aufgegriffen werden, sieht er nicht als Problem. Denn die offene Diskussionskultur mit den Programmschaffenden sei wichtiger.
Kommentar