So lach(t)en die Medien
Ein möglicherweise nicht ganz objektiver Rückblick auf ein halbes Jahrhundert medialer Unterhaltung in der (deutschen) Schweiz. Erzählt von der Radiolegende Heinrich von Grünigen.
Es ist inzwischen fast 40 Jahre her. Man schrieb das Jahr 1978 und der Regionalvorstand DRS bestellte mich zum Leiter der neuen Radio-Abteilung «Unterhaltung und Moderation». Die Medienlandschaft war im Umbruch: Zeitungen fusionierten, die technische Revolution überrollte die Verlagshäuser und ein aufmüpfiger Journalist stellte in Italien eine Antennenanlage auf einen Berg, um als unerschrockener Pirat das Rundfunkmonopol der SRG zu knacken – rund um die Uhr. Mein neuer Job hatte zwei Komponenten: Zum einen galt es, das «erste» Programm von seinem für etwas angestaubt und allzu behäbig gehaltenen Image zu befreien (das Konzept vom «bluemete Trögli» lastete bleischwer auf vielen Sendungen) und einen frischen Stil einzuführen, wie man ihn von ausländischen Formatradios kannte. Zum andern erwartete man von mir, dass ich der sogenannten Unterhaltungs-Mafia im Studio Zürich den Kampf ansagte, auch wenn das nicht so explizit formuliert wurde (bald merkte ich allerdings, dass die Unterstellung «mafiöser» Zustände nur darin begründet war, dass die Leute wirklich Vollprofis waren und darum nur die Besten um sich scharten).
In den drei Radiostudios hatten sich damals ganz unterschiedliche Formen der Unterhaltung entwickelt. In Bern stellte Inlandredaktor Friedrich Salzmann jeden dritten Samstag «mit kritischem Griffel» pointierte Betrachtungen zur politischen Situation des Landes an. In Basel waren Margrit Rainer und Ruedi Walter als Ehepaar Ehrsam am «Spalebärg 77a» zum Kultduo geworden, und in Zürich war das Radiokabarett mit Elisabeth Schnell, Ueli Beck und anderen zugange, Hans-Peter Meng heizte die Debatte um heikle Themen mit «Mini Meinig – dini Meinig» an. Im Fokus des bissigen Radiospottes standen oft die Bundesräte, wofür der SRG-Generaldirektor gelegentlich magistrale Schelte einstecken musste.
Als satirisch-scharfzüngiges Format sorgte der «Faktenordner» – von meinem Vorgänger und Ratefuchs Guido Baumann ins Leben gerufen – für Schlagzeilen und Aufsichtsbeschwerden. Die samstägliche «Zweierleier» mit dem wunderbar wandelbaren Duo Birgit Steinegger und Walter Andreas Müller (WAM) waren ein sicherer parodistischer Wert. Neben diesen unterhaltenden Eigenproduktionen hatten schon früh die etablierten Künstlerinnen und Künstler der Kabarettszene ihren festen Platz im Programm. Der von Edith Bussmann geschaffene «Treffpunkt Studio Bern» bot der Unterhaltungsprominenz aus dem ganzen deutschen Sprachraum eine Plattform, moderiert vom unvergessenen Hanns Dieter Hüsch. Hier trat alles auf, was Rang und Namen hatte.
Immer wieder flammte die Diskussion auf, was nun wirklich lustig sei und was nicht. Zuerst galt es, das «anspruchsvolle», weil zeitkritisch-analytische, Cabaret zu unterscheiden vom Kabarett mit starkem K, das nur zu gern als Schenkelklopfhumor abqualifiziert wurde. Die spätere Entwicklung zur Blödel-Comedy mit heimlichem Tiefgang war damals noch nicht abzusehen. Ähnliches spielte sich auch im musikalischen Sektor ab: Der Begriff «Unterhaltungsbrunz» sorgte vorübergehend für Missstimmung und rote Köpfe in der Szene.
«Immer wieder flammte die Diskussion auf, was nun wirklich lustig sei und was nicht.»
Es war dann vor allem das Fernsehen, das die integralen Programme der Lieblinge des Unterhaltungspublikums aufzeichnete: Emil mit seinen unvergänglichen Figuren aus dem Alltag, Franz Hohler mit seinen verspielten polit-poetischen Geschichten, die Keisers, generationenübergreifend, Alfred Rasser mit seiner ganzen läpplihaften Doppelbödigkeit. Ich kann sie nicht alle aufzählen und es ist eigentlich ungerecht, nur einige zu erwähnen. Als paradoxes Phänomen ist aber doch noch Kliby zu nennen: Die Tatsache, dass ein Bauchredner, den man bei seinen Auftritten im Radio gar nicht sah, zum Publikumsstar werden konnte, ist an sich so absurd, dass es schon wieder grossartig ist.
Im Ruhestand verfolge ich die Szene mit Anteilnahme und Interesse, erlebe den bizarren Absturz von Andreas Thiel, geniesse die Metamorphose von Endo Anaconda, freue mich über den Erfolg von Marco Rima und bewundere Gardi Hutter in ihrer fast akrobatischen Performance, während mich Simon Enzler mit schrägem Provinzler-Aberwitz in seinen Bann zieht.
Die Schweiz ist reich an komödiantischen Bodenschätzen und der Nachwuchs ist nicht aufzuhalten. Aus der Spoken-Word-Community und aus der Slam-Poetry-Szene sind neue Talente in Hülle und Fülle erwachsen. Es ist gut, dass die Medien ihnen ausreichend Flächen bieten, damit sie ihre Möglichkeiten ausloten können.
Ich will mit einer Formel schliessen, die vielleicht abgedroschen wirkt, mir aber doch am Herzen liegt: Unterhaltung – sowohl in ihrer edelsten wie in ihrer trivialsten Form – gehört unverzichtbar zum Service public. Sie ist ein Ausdruck unserer Kulturfähigkeit und darf nicht allein dem Markt überlassen werden. Unterhaltung ist der Jungbrunnen für unsere Emotionen und Empfindungen, sie muss mit Bedacht und Verantwortungsbewusstsein gehegt und gepflegt werden, dann wird sie alle medialen Bilderstürme überdauern.
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