«Wer ehrlich genug ist, nennt sich Clown»

Wie produziert man eine Late Night Show? Patrick Karpiczenko ist seit der ersten Folge Headwriter bei «Deville», hat an der Kunsthochschule in Zürich studiert und ist selbständig seit er «denken kann».

Du bist Autor einer humoristischen Sendung: Welchen Stellenwert hat Humor in Deinem Leben?
Er ist äusserst wichtig für mich. Die Welt macht für mich nur humoristisch Sinn. Ich hangle mich von einem Witz zum nächsten und versuche so, den Tag hinter mich zu bringen.

In der letzten Sendung sagte Dominic Deville, es sei schwierig, etwas Lustiges über die Attentate in London zu sagen, aber schliesslich sei das der Grund, warum die Leute einschalten würden. Ist das so?
Ich glaube, man schaut sich eine Late Night Show an, weil man so einerseits unterhalten wird und sich gleichzeitig über aktuelle Themen informieren kann. Wir versuchen auf der anderen Seite einen Kommentar zur Woche abzugeben, die Ereignisse einzuordnen und einen Ansatz zum Verständnis der Gegenwart zu liefern – indem wir uns eine Attitüde zulegen.

Und warum muss das lustig sein?
Das hat auch mit persönlichen Präferenzen zu tun. Das «Deville»-Team besteht aus einem Haufen Clowns mit einer grundsätzlichen humoristischen Weltsicht. Humor macht die Realität verdaulich – es ist eine Art mit dem Alltag umzugehen, die Freude bringt, auch wenn Schreckliches geschieht. Ich selbst sehe mich als Clown und daher auch die Welt durch die Augen eines solchen.

Ist es nicht problematisch, dass Humor Probleme konsumierbar macht, anstatt sie zu kritisieren?
Es geht uns schon auch immer darum – und jetzt wird es idealistisch – nicht gegen unten zu treten. Das ist es, was für mich ein Problem konsumierbar macht. Über Bachelor-Kandidaten zu lachen ist langweilig und manchmal sogar böse und das muss nicht sein. Sich hingegen lustig zu machen über Macht und die Mächtigen sehe ich als wichtigen Teil unserer Arbeit.

Wie würdest Du denn Comedy und Satire voneinander abgrenzen?
Der Schutz von Satire ist gesetzlich verankert. Juristisch gesehen «darf» man also als Satiriker mehr, die Grenzen des Sagbaren dehnen sich. Insofern bin ich gern Satiriker, wann immer wir uns aus dem Fenster lehnen. Interessanterweise wurden wir in den Medien immer als Comedy-Sendung betitelt. Nach «Switzerland Second» waren wir dann plötzlich Satiriker. Ich verwende beide Begriffe nur ungern. Comedy wirkt etwas billig und Satire zu elitär. Humor oder Komik trifft es ganz gut, glaube ich. Ausserdem stelle ich fest, dass sich Komiker selbst wenig mit diesen Begrifflichkeiten beschäftigen. Die wenigsten nennen sich Satiriker – wer ehrlich genug ist, nennt sich Clown und tut das mit Stolz.

Was darf Satire denn?
Ich finde «dürfen» nicht das richtige Wort. Was Satire «soll», gefällt mir besser. Denn so liegt es im Ermessen desjenigen, der Satire macht und nicht desjenigen, der sie konsumiert. Jeder Komiker muss selber schauen, was er soll und was nicht. Für mich verliert eine Sache dann ihren Reiz, sobald man sich darüber geeinigt hat, dass es lustig ist. Unser Anspruch ist es, die Leute über Dinge lachen zu lassen, über die sie sich noch nicht amüsiert haben.

Wie entsteht eine Sendung?
Normalerweise sitze ich noch am Schnitt der vorhergehenden Sendung, wenn die Produktion der nächsten schon ansteht. Ich verwerfe dann meistens die Hände und sage: «Jetzt lasst uns erst Mal diese Folge zu Ende bringen.» Natürlich beginnt die Produktion bereits drei Wochen früher. Der Kern der Sendung ist jeweils der Gast. Wir versuchen herauszufinden, was man von dieser Person noch nicht gesehen hat und bauen die Sendung rundherum. Wir sind immer auch an eine gewisse Tagesaktualität gebunden. Wenn mit zu viel Vorlauf produziert wird, ist zum Zeitpunkt der Ausstrahlung alles bereits wieder ein alter Hut. Trotzdem versuchen wir, die Tagespolitik nicht allzu stark zu beleuchten, sondern auf grundsätzlichere Themen einzugehen. Soziale und gesellschaftliche Konflikte sind interessanter, als was die CVP gestern gemacht hat.

Und wer macht die Sendung?
Neben Produzent Peter Luisi besteht unser Autorenteam aus Dominic Deville, Natascha Beller, Marco Arrigoni und mir. Dazu kommt ein kleines Produktionsteam. Wir haben nicht allzu viele fixe Ressourcen, weshalb wir von Zeit zu Zeit auch auf die Arbeit und Witze externer Autoren zählen. Ich bin allerdings kein Freund von zu vielen Pointen, weil die oft geschrieben und dementsprechend dann auch abgelesen wirken. Gerade mit einem Improvisationstalent wie Dominic kann man Lustigeres machen, als Witze abzuspulen. Interaktive Spiele, sei es mit den Gästen oder mit dem Publikum kreieren spannende Situationen, in denen Dominic dann intuitiv reagieren kann.

Du bist seit langer Zeit selbständig erwerbend und hast viel für die Privatwirtschaft produziert. Ist die Arbeit bei der SRG anders?
Für mich liegt der Unterschied paradoxerweise in der Ernsthaftigkeit. Wenn ich eine Werbung mache, dann lässt mich das relativ kalt und ich agiere viel mehr als Dienstleister, der Kundenwünschen entspricht. Bei Fernsehsendungen wie «Deville» flösst mir alleine schon die Reichweite des Senders Ehrfurcht ein. Da steigt der Anspruch an mich selbst ebenso, wie die Kompromisslosigkeit. Ich will die Leute erreichen und berühren und mache demnach genau das, wovon ich überzeugt bin. Spannend waren beispielsweise die Reaktionen auf «Switzerland Second». Am Frauenmarsch letzten März haben wir Plakate mit Zitaten aus diesem Video gesehen. Man hinterlässt einen Eindruck.

Dann ist also die Reichweiter der SRG der zentrale Punkt?
Zum einen, ja. Aber zum andern auch, weil wir die SRG selber finanzieren. Jeder hat den Eindruck, sie gehöre ihm. Deswegen ist man ja auch derart kritisch, weil man die Produktionen der SRG immer persönlich nimmt. «Meine SRG läuft nicht so, wie sie sollte.» Auch deswegen nehme ich die Arbeit insgesamt sehr ernst.

Wie geht es jetzt weiter mit dir und Deville?
Momentan bin ich im Zivildienst. Danach werde ich mit meiner Freundin ein Filmprojekt umsetzen und dann geht es direkt weiter mit «Deville» – neun Sendungen sind bereits fix und ich hoffe, das noch viele Jahre machen zu können.

Text: SRG.D

Bild: Guy Manfrotto

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