Ein Kahlschlag in der Medienlandschaft
Ohne Gebührengelder keine SRG – so viel ist klar. Aber auch drei Dutzend private Medienunternehmen sind existenziell von einer Annahme der «No Billag»-Initiative betroffen.
Aktuell werden 67,5 Millionen Franken pro Jahr aus dem Gebührentopf an private Radio- und Fernsehstationen bezahlt. Bei einer Annahme der «No Billag»-Initiative in der Volksabstimmung 2018 würden die «Privaten» diesen Betrag vollkommen verlieren. Für die allermeisten dieser Sender wäre dies das Aus.
35 private Rundfunksender erhalten heute Gebührengelder; das sind 13 regionale Fernsehstationen, 13 kommerzielle Lokalradios sowie 9 nichtkommerzorientierte Komplementärradios (siehe Karte). Der Gebührenanteil ist für die 35 Sender existenziell. Bei den Regional-TVs macht er zwischen 29 und 64 Prozent des Gesamtbudgets aus, bei den kommerziellen Radios zwischen 23 und 48 Prozent, bei den Komplementären durchschnittlich 73 Prozent.
4 bis 6 Prozent der Gebühren stehen für private Radio- und Fernsehsender zur Verfügung. So ist es im Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) festgelegt. Diese Finanzierung ist an einen Programmauftrag gekoppelt, welcher die Informationsleistung im regionalen Bereich definiert.
Motion will Gebührenanteile der Privaten anheben
Das eidgenössische Parlament erachtet diese Aufgabe der Regionalsender aus staatspolitischer Optik als wichtig. Es hat kürzlich eine Motion gutgeheissen, nach welcher die Gebührenanteile real auf die möglichen 6 Prozent angehoben würden. Das heisst, es geht für die Privaten künftig sogar um etwa 81 Millionen Franken.
Die bisher insgesamt 67.5 Millionen öffentlicher Beiträge durch kommerzielle Aktivitäten zu ersetzen, wäre in den kleinen regionalen Märkten unmöglich. Das bestätigt Marc Friedli, Geschäftsführer des Interessenverbandes Telesuisse: «Die aktuelle Situation zeigt, dass sich Regionalfernsehsender lediglich zu 30 bis 50 Prozent aus dem Markt finanzieren lassen. Ein Wegfall der Gebühren würde das Ende eines überwiegenden Teils der Regionalsender bedeuten. Sendeschluss – ohne Wenn und Aber!» Ähnlich tönt es aus dem Radiobereich: «Die Privatradios in Berg- und Randgebieten werden auch in Zukunft auf Gebührenzuschüsse angewiesen sein», so Jürg Bachmann, Präsident des VSP (Verband Schweizer Privatradios). Und Lukas Weiss von der Union nichtkommerzorientierter Lokalradios UNIKOM sagt: «Das heutige komplementäre Angebot ist in dieser Qualität und Vielfalt ohne Gebühren nicht machbar.»
«Die aktuelle Situation zeigt, dass sich Regionalfernsehsender lediglich zu 30 bis 50 Prozent aus dem Markt finanzieren lassen. Ein Wegfall der Gebühren würde das Ende eines überwiegenden Teils der Regionalsender bedeuten. Sendeschluss – ohne Wenn und Aber!» - Marc Friedli, Geschäftsführer des Interessenverbandes Telesuisse
«Telesuisse wird gegen ‹No Billag› Stellung beziehen und sich im Rahmen seiner Möglichkeiten in die Diskussion einbringen. Denn wir sind Teil eines Service-public-Systems. Die ‹No Billag›-Initiative würde dieses System zerstören und damit weit über das Ziel hinausschiessen», erklärt Marc Friedli. Selbstverständlich werde man sich gegen «No Billag» einsetzen, antwortet auch Lukas Weiss, denn UNIKOM sei sich «bewusst, wie wichtig diese Gebühren und Leistungsaufträge für die Inhalte sowie die Aus- und Weiterbildung im Radiobereich sind». Der VSP hat seine Haltung noch nicht definitiv festgelegt. Aber man sei sich einig, dass die Schweiz einen öffentlichen Rundfunk brauche und es aus demokratiepolitischen Gründen falsch wäre, die SRG abzuschaffen, so Jürg Bachmann.
Unterschiede in Informationsleistung
Die Politik hat festgelegt, dass die Vielfalt der regionalen Information via Gebührenanteil und Konzessionsauftrag an Private gestärkt werden soll. Ob die 35 unterstützten Sender ihre Aufgabe in ihren Programmleistungen erfüllen, lässt das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) durch externe Erhebungen regelmässig evaluieren. Eine kürzlich publizierte Studie der Publicom zu den Radios (ohne Komplementärradios) kommt zum Schluss: Die via Konzession definierten Informationsleistungen würden «in höchst unterschiedlichem Ausmass eingelöst». So beträgt der Spitzenwert an Informationen bei gebührenunterstützten kommerziellen Radios 23 Prozent der Sendezeit, der Minimalwert lediglich 13 Prozent. Der Informationsanteil bei Radios mit Gebühren ist übrigens im Durchschnitt massiv höher als bei den Radiostationen ohne Gebühren (35 zu 14 Minuten täglich). Der Spitzenreiter, Radio Central, ist allerdings ein Radio ohne Gebührenanteile (mit 27 Prozent Information am Programmanteil).
Auch im Bereich Regional-TV formuliert ein Publicom-Bericht (2015) kritische Fragen: «Nicht über jeden Zweifel erhaben ist die Programmleistung mancher konzessionierter privater Radio- und Fernsehstationen unter Berücksichtigung der medienpolitischen Zielsetzungen.» So seien bei den Regionalfernsehstationen die Programmleistungen heterogen: «Aus tausend Gebührenfranken resultieren zwischen sechs Minuten regionale Informationen beim stärksten Veranstalter und einer Minute beim schwächsten.»
Sollte die «No Billag»-Initiative scheitern, sind die Gebührengelder zwar gesichert. Die medienpolitische Debatte über die Verteilung der Gebühren und die Leistungsaufträge wird jedoch weiterlaufen.
Neue Lösungen gesucht
«Telesuisse setzt sich für ein Service-public-Modell ein, in welchem die SRG keine übermächtige und wettbewerbsverzerrende Stellung einnehmen soll.» Das gehe über die «zu einfache» Forderung nach grösseren Gebührenanteilen hinaus. Es stehen Ideen im Raum, wie die Privaten gegenüber der SRG gestärkt werden könnten. Marc Friedli zählt auf: «Eine Werbebeschränkung der SRG in der Prime Time, generelle Geschäftsfeldbeschränkungen, eine Plafonierung der Gesamteinnahmen und so weiter. Sehr interessant scheint mir persönlich auch die Idee, die SRG im TV künftig in einem werbefreien Service-public-Kanal und einen gebührenfreien Kommerzkanal zu organisieren.» Nach einem Nein zu «No Billag» müssten, so Telesuisse, im Rahmen des neuen und der neuen SRG-Konzession neue Lösungen gefunden werden.
Der Verband UNIKOM strebt eine massvolle Erweiterung des Angebots in Agglomerationen ohne komplementäre Programme an. «Das kostet wenige Millionen», meint UNIKOM. Jürg Bachmann vom VSP formuliert vorsichtig, aber grundsätzlicher: «Ich wünsche mir, dass Politik und Branche bald darüber diskutieren, welche staatspolitisch wichtigen Aufgaben mit den Gebühren in welchem Umfang finanziert werden sollen.»
Es sei ein «unter dem Strich gut funktionierendes und wertvolles» Gebührensystem, sagt Marc Friedli von Telesuisse. In der Volksabstimmung zu «No Billag» wird entschieden, ob dieses bestehen bleibt und zur Vielfalt im schweizerischen Medienangebot – gerade im Bereich des Lokalen – beitragen kann.
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