«Das SRF-Publikum bekommt mehr Sport als bisher»

Roland Mägerle ist Leiter der Business Unit Sport der SRG und Leiter Sport bei SRF. Im Interview spricht er über den Wandel im Markt sowie die Konsequenzen fürs Publikum und erläutert die ­langfristige Sportstrategie der SRG.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Abwanderung Sportevents ins Pay-TV: Die wachsende Konkurrenz der kommerziellen Grossevents wie Champions League treibt die Preise in die Höhe, und die Rechteinhaber verlangen Exklusivitäten, was es für die SRG schwieriger macht, Rechte zu erwerben.
  • Konsequenzen fürs Publikum: Es wird schwieriger zu verstehen, wo man was zu sehen bekommt. Der Sport­interessierte, der ganz spezifische Inhalte will, ist gezwungen, sich verschiedene Abos und Serviceleistungen zuzulegen, was seine Gesamtkosten massiv in die Höhe treibt.
  • Unrentabler Sport: Die meisten Sportübertragungen in der Schweiz lassen sich nicht refinanzieren. Dank der Gebührengelder ist es der SRG möglich, Events zu zeigen, die sich für einen privaten Sender nicht rechnen. Die SRG setzt auf «Schweizer Sport für das Schweizer Publikum».

LINK: Live-Sport-Berichterstattung verschiebt sich ­zunehmend ins Pay-TV. Was bedeutet das?
Roland Mägerle: Zuerst einmal freut es mich sehr, dass die SRG SSR dem Publikum in allen Sprachregionen auch in Zukunft ein grosses Sportangebot zeigen kann. Wir haben in sämtlichen wichtigen Bereichen die Rechte für die nächsten drei bis sechs Jahre verlängern können, sowohl in Premium-­Sportarten wie Fussball, Eishockey und Tennis als auch in Sportarten, die weniger im medialen Fokus stehen. Dass Wettbewerb herrscht und die Situation komplexer wird, ist richtig ...

... daher sendet die SRG ab 2018 weniger Champions-­League-Spiele. Um alle Matches zu sehen, müssen die Zuschauer bezahlen.
Die Dienstagsspiele wird die SRG nicht mehr zeigen. Die Champions League ist aktuell das einzige Angebot, das sich verändert. In anderen Bereichen bauen wir das Live-Angebot aber aus, etwa beim Schneesport und beim Unihockey. Von der Leichtathletik-WM in London haben wir rund 50 Stunden gesendet. Bei SRF bekommt das Publikum sogar mehr Sport als bisher. Wenn jemand eine ausländische Fussball-Liga oder ein spezifisches ­Super-League-Spiel schauen will, muss er bezahlen. Aber das war in der Vergangenheit schon so.

Was ist der Grund, dass sich zunehmend private ­Anbieter die TV-Übertragungsrechte bei Premium-­Sportarten sichern?
Im Ausland besteht bei Sportrechten ein grosser Markt. Diese Entwicklung hat auch die Schweiz erreicht. Hierzulande engagieren sich besonders Infrastrukturanbieter wie Swisscom mit ihrer Tochter Teleclub und UPC im ­TV-Markt. Sie betreiben strategisches Investment, damit sie generell mehr Kunden für ihre Dienstleistungen gewinnen können. Die wachsende Konkurrenz treibt die Preise in die Höhe, und die Rechteinhaber verlangen Exklusivitäten, was es für uns schwieriger macht, Rechte zu erwerben. Das haben wir bei der Champions League gesehen. Abgesehen davon haben wir alle Angebote sicherstellen können, die wir auch in Zukunft zeigen wollen.

Was bedeutet die aktuelle Entwicklung für das TV-Publikum?
Die Angebote werden unübersichtlicher und teurer, weil immer mehr Anbieter mitmischen. Es wird schwieriger zu verstehen, wo man was zu sehen bekommt. Der Sport­interessierte, der ganz spezifische Inhalte will, ist gezwungen, sich verschiedene Abos und Serviceleistungen zuzulegen, was seine Gesamtkosten massiv in die Höhe treibt.

Wie muss man sich die Verhandlungen um TV-Übertragungsrechte vorstellen? Wird da um jeden Franken gefeilscht?
Die Verhandlungen sind in der Tat sehr komplex geworden. Es gibt viele Player im Markt und verschiedenste Pakete. Klar sind die Finanzen ein Thema, es ist aber bekannt, dass unsere Budgets eine Grenze haben. Wir haben da keinen Spielraum. Wir übertragen regelmässig 20 bis 25 Sportarten live und berichteten in den letzten Jahren insgesamt über rund 100 Sportarten. Für uns ist zentral, auch in Zukunft im Sinne des Service public die gesamte Breite des Sportgeschehens abdecken zu können.

Gehört die Übertragung stark kommerzialisierter Grossevents wie Fussball-WM oder Champions ­League zum Service public?
Ja, auf jeden Fall. Service public bedeutet auch, Inhalte zu zeigen, die ein sehr breites Publikum in allen Landesteilen interessieren. Dazu gehört eine Fussball-WM oder die Champions League. Solche Topprodukte möchten wir noch möglichst lange anbieten – unter den Rahmenbedingungen, die wir haben.

Was kann die SRG bei einer Übertragung leisten, was private Anbieter nicht können?
Sportübertragungen in der Schweiz lassen sich nicht refinanzieren. Unser grosser Vorteil ist, dass wir dank der Gebührengelder Events zeigen können, die sich für einen privaten Sender nicht rechnen. Radsport- oder ­Motocross-Produktionen etwa sind komplex und kosten einiges. Die SRG hat in der Produktion von Sportevents grosse Erfahrung und grosses Know-how. Die Umsetzung in vier Sprachen und den drei Medien Fernsehen, Radio und Web ist aufwändig.

Wie sieht die Sportstrategie der SRG aus?
Wir haben drei Säulen: erstens Athletinnen und Athleten, Clubs und Nationalteams aus der Schweiz, zweitens Schweizer Sportveranstaltungen mit internationaler Bedeutung und drittens internationale Topevents wie eine Fussball-WM oder Olympische Spiele. Das sind auch in Zukunft die Hauptpfeiler. Das zentrale Element bleibt der Schweizer Sport für das Schweizer Publikum, in seiner ganzen Breite. Wir möchten auch in Zukunft Sportarten mit weniger Publikumsbeachtung berücksichtigen.

Welche Rolle spielt künftig der Onlinebereich?
Die Digitalisierung ist eine grosse Herausforderung und gewinnt an Bedeutung. Broadcast – also das klassische Fernsehen – wird wohl noch mehrere Jahrzehnte wichtig sein, aber es heisst zunehmend «mobile first»: Das Handy ist das Gerät, auf dem immer mehr konsumiert wird. Daher wird auch das Live-Sport-Angebot der SRG grundsätzlich live gestreamt. Hier verzeichnen wir stark steigende Nutzerzahlen. Gewisse Angebote bringen wir ausschliesslich im Web, kürzlich waren es beispielsweise sämtliche Cup-Fussballspiele mit Super-League-Clubs. Wir bilden Kommentatoren aus, damit wir online noch mehr live kommentieren können.

Vor dem Hintergrund der «No Billag»-Initiative: Was würde die Abschaffung der SRG für den Schweizer Sport bedeuten?
Ohne die SRG würde es wohl für viele Verbände und Veranstalter schwierig werden. Es gäbe vielleicht ein paar Premium-Sportarten, die sich dank Bezahlfernsehen weiter finanzieren könnten, nicht aber die grosse Breite und Vielfalt im Schweizer Sport. Sportarten wie Reitsport, Schwimmen oder Unihockey wären entweder nicht mehr oder in einer viel tieferen Qualität zu sehen. Und die Zuschauerinnen und Zuschauer müssten für Sportübertragungen generell mehr bezahlen. Wegen der abnehmenden medialen Verbreitung würden manche Events und Sportarten an Attraktivität verlieren und folglich weniger Publikum und Sponsoren anziehen. Fazit: Die SRG braucht den Schweizer Sport, und der Schweizer Sport braucht die SRG.

Neue Magazine mit Sportanalyse und -hintergrund auf SRF zwei

«eishockeyaktuell» , an Werk­tagen mit vier oder mehr ­National-League-Spielen im ­Programm, ab ca. 22.20 Uhr.
«Super League – Goool» , ­sonntags, 18 Uhr Direkt im Anschluss an das TV-Livespiel des Tages
«sportpanorama plus» , an fussballfreien Sonntagen um 18.00 Uhr anstelle von «Super League – Goool»

Text: Daniel Bütler

Bild: SRF / Oscar Alessio

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