Einfach lostschutte! Sport hilft bei der Integration

Wenn es um das Thema Integration geht, wird oft Fussball genannt. In wohl keiner anderen Sportart gibt es so viele multikulturelle Teams. Und wohl nirgendwo sonst werden Ausländer und Migranten so rasch als Teil der Mannschaft angesehen. Woher kommt das?

Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Migranten finden über Sport wie Fussball den Anschluss in der Gesellschaft.
  • Die Gründe: Die Sprache ist weniger wichtig, alle kennen die Regeln, die Vereine brauchen den Nachwuchs.
  • Der Verein und das Stadion sind wichtige Begegnungsstätte für soziale Kontakte.

Nicht nur in den grossen Stadien wird in der Schweiz am Wochenende Fussball gespielt, sondern auch auf den Plätzen kleiner Vereine. Und überall dort, wo sich ihnen die Gelegenheit bietet: auf Wiesen, freien Flächen und selbst in Hinterhöfen. Die Teams sind häufig bunt gemischt. Hautfarbe, kulturelle und soziale Herkunft stehen hier nicht im Vordergrund. Von Bedeutung sind nur Spass und Spiel. Auf dem Feld genauso wie auf der Ersatzbank, an den Seiten oder auf den Rängen.

Viele Vereinsmitglieder haben Migrationshintergrund

Fussball bringt Menschen zusammen wie kaum eine andere Sportart, heisst es darum auch. Dass dem wirklich so ist, zeigen die Zahlen der Swiss Football League (SFL). Demnach besassen in der Saison 2015/16 222 der 597 Profis keinen Schweizer Pass. Im Breitensport sieht es nicht anders aus: Dort begegnen sich Spieler aus 191 Ländern. In der Hälfte der 1450 Vereine haben mindestens 40 Prozent der ­Mitglieder einen Migrationshintergrund. Auch die Nati stünde ohne Eingebürgerte nicht dort, wo sie steht.

Dass sich im Fussball verschiedenste Kulturen tummeln, erklärt Thomas Gander, Verantwortlicher Corporate Social Responsibility und Prävention der SFL, mit dessen Niederschwelligkeit: «Man braucht einen Ball, etwas, das als Tor funktioniert, und Mitspieler. Mehr braucht man nicht.» Die Regeln seien weltweit bekannt. Man könne also direkt «los­tschutte». Auch sprachliche Hürden seien im Fussball einfacher zu überwinden als anderswo: «Manche Begriffe sind klar, ansonsten helfen Gesten.»

Durch diesen einfachen Einstieg kann Fussball zur Integration beitragen. Prominentes Beispiel: Admir Mehmedi. Der heutige Schweizer Nationalspieler mit mazedonischen Wurzeln kam als Neunjähriger nach Winterthur und sprach Albanisch und Italienisch. Die anderen Kinder verstand er nicht. «Ich fühlte mich unwohl», erinnert er sich Jahre später. Das änderte sich erst, als er beim FC Winterthur ins Training ging: Dort fand er Kollegen, mit deren Hilfe er rasch die Sprache lernte. «Das war perfekt für mich», so der Stürmer.

Vorbilder sind wichtig

«So talentiert wie Mehmedi sind natürlich nicht alle», sagt Gander. Doch er sei ein strahlendes Vorbild für viele. Und wie er könnten auch jene Migranten, die in der Amateurliga oder nur in der Freizeit tschutteten, ihre Integration beschleunigen: «Es wird ein Beziehungsnetz geschaffen und die Möglichkeit geboten, Freunde zu finden.» Gemeinsame Erfolgserlebnisse steigerten zudem das Selbstwertgefühl, was wiederum den Zusammenhalt untereinander und das Zugehörigkeitsgefühl der Neuen fördere.

Wie wichtig Migranten für den Schweizer Fussball sind, zeigt nicht nur der Blick auf die Nationalmannschaft: Viele kleine Vereine plagen Nachwuchssorgen, berichtete SFL-CEO Claudius Schäfer im vergangenen Jahr im Rahmen der Kampagne «Together», bei der Migration und Begegnung im Zentrum standen: «Das bietet – gerade Menschen mit Migrationshintergrund – die Chance, sich zu beweisen und zu zeigen: ‹Da können wir anpacken und mit euch zusammen etwas erreichen.›»

Regeln der Gesellschaft lernen

Fussball ermöglicht nicht nur vieles, der Sport bereitet auch auf das Leben in der hiesigen Gesellschaft vor, wie Gander sagt: «Du kannst nicht einfach nur Fussball spielen und dein Ding machen. Du hast einen Trainer oder eine Trainerin, das ist eine Autoritätsperson. Und du hast Regeln zu befolgen und musst Aufgaben übernehmen – im Verein, aber auch im Team.» Das seien wesentliche Aspekte unseres gesellschaftlichen Zusammen­lebens und das sich Daranhalten wichtige Schritte zur Integration.

Das Stadion: eine Begegnungsstätte

Einen anderen wichtigen Integrations­aspekt bringt Andreas Mösli, Geschäftsführer des FC Winterthur, ins Spiel: «Man sollte bei Fussball nicht nur den Sport sehen, sondern auch das soziale Drum­herum.» Schliesslich sei ein Stadion eine riesige Begegnungsstätte, wo Menschen unterschiedlichster Herkunft aufeinandertreffen, sich austauschen können und in Kontakt kommen. «Es ist auch ein Ort, um Ängste abzubauen.»

Mit ihrer Dokumentation «Ayham – Mein neues ­Leben» erzählen die SRF-Autoren Ilona Stämpfli und Marek Beles die Geschichte von Ayham, der mit seiner Familie vor dem Krieg in Syrien flüchten musste. In der Schweiz beginnt für den Elfjährigen ein neues Leben. Die ersten Monate sind hart, aber dank Fussball findet er schnell Freunde. 2017 gewannen die beiden Autoren für ihre Dokumentation den CIVIS Sonderpreis «Fussball + Migration». CIVIS zeichnet Programmleistungen aus, die das friedliche Zusammenleben in der euro­päischen Einwanderungsgesellschaft fördern.

Text: Fee Riebeling

Bild: Header: Karin Hofer / NZZ, Kasten: SRF

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