Zweischneidige Sportförderung

Mike Kurt gehörte während fast zwei Jahrzehnten zur Weltspitze im Kanufahren und gilt als erfolgreichster Schweizer Slalomkanute der letzten 50 Jahre. Seit Anfang dieses Jahres ist er Mitglied im Exekutivrat von Swiss Olympic. Mit SRG.D sprach er über das Spannungsfeld zwischen Sport, Medien und Sponsoring.

Herr Kurt – der Begriff «Randsportart» scheint ein etwas pejorativer Begriff zu sein. Gibt es eine bessere Bezeichnung?
Ich spreche grundsätzlich von «medialen» und «nicht medialen Sportarten», auch wenn das etwas umständlich klingt. «Randsportart» ist allerdings bisweilen irreführend, denn welche Sportarten im Fokus der Aufmerksamkeit – also nicht am Rand – stehen, variiert global extrem stark.

Zum Beispiel?
Die Schweiz ist eine Skination, wie man so schön sagt, und Skifahren ist eine der wichtigsten Sportarten des Landes. Weltweit gibt es allerdings nur etwa fünf Länder, die das gleich intensiv tun. Überall sonst ist Skifahren nicht so wichtig.

Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die SRG für den Sport?
Eine grosse. Gerade SRF ist als Sportförderin in der Schweiz wahnsinnig wichtig. Dies gilt in besonderem Masse für die Berichterstattung von den Olympischen Spielen. Die Schweizer Athletinnen und Athleten verschiedenster Sportarten stehen im Fokus, es gibt Beiträge im Vorfeld, Hintergrundberichte und viele Live-Übertragungen.

Die Übertragungsrechte für globale Sportereignisse werden allerdings immer teurer...
Das ist wahr. Es ist damit zu rechnen, dass die SRG in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr alle diese Grossanlässe wird übertragen können, weil es schlicht zu kostspielig ist. Es kann allerdings auch ein Vorteil für die nicht medialen Sportarten sein, denn durch diese Entwicklung gibt es im Programm mehr Platz. Im Kleinen sieht man das gegenwärtig bereits mit der Erhöhung der medialen Präsenz von Unihockey. In der Schweiz ist die Disziplin relativ bekannt, global spielt sie jedoch kaum eine Rolle.

Wie sieht es diesbezüglich beim Kanusport aus?
In der Schweiz fristet Kanufahren tatsächlich eher ein Nischendasein. Tschechien, Frankreich und England sind traditionell starke Kanu-Länder. Vor allem auf der Insel gibt es ein breites staatliches Sportförderungsnetz.

Hängt der Erfolg einer Sportart allein von der medialen Aufmerksamkeit ab?
Mitnichten: Es ist ebenso wichtig, dass vonseiten der Sportler, beziehungsweise des Verbandes investiert wird, beispielsweise eine Veranstaltung etabliert, die medial überhaupt von Interesse sein könnte. In der Schweiz gibt es beispielsweise keinen Kanu-Weltcup, weil es im ganzen Land keinen einzigen, nach internationalen Standards gebauten Kanu-Kanal gibt. Im Gegensatz zu den Ruderern beispielsweise: Deren Weltcupfinale wird traditionellerweise in der Schweiz ausgetragen. Nichtsdestotrotz hilft es einer Sportart extrem, wenn Wettkämpfe im Fernsehen gezeigt werden. Im Falle meiner Disziplin ist es sogar so, dass die Quoten beispielsweise in Rio letzten Sommer immer vergleichsweise hoch waren. Der Sport ist unterhaltsam und das Interesse ist offenbar vorhanden. Mediale Präsenz macht den Sport ausserdem interessanter für Sponsoren, was wiederum die finanzielle Situation verbessert.

Stellen sie sich vor, es gibt einen Kanu-Kanal und keiner geht hin...
Es ist ein Wechselspiel aus verschiedenen Faktoren. Natürlich gibt es die Seite der Sportförderung, die sehr wichtig ist. Das heisst einerseits finanzielle Unterstützung und andererseits mediale Präsenz. Es braucht immer auch erfolgreiche Sportler mit spannenden Geschichten und die wiederum gibt es nur dann, wenn längerfristig viel in die Nachwuchsförderungen investiert werden kann. Gute Beispiele dafür sind Sportarten wie Leichtathletik oder Kunstturnen, wo die Schweiz seit einiger Zeit mit einer breiten Basis erfolgreich ist. Hier spielen alle relevanten Faktoren zusammen und ergeben eine Positivspirale: Tolle Nachwuchsarbeit, Grossanlässe in der Schweiz, herausragende Persönlichkeiten und damit auch die mediale Aufmerksamkeit. Die Sportförderung ist per Definition auch eine zweischneidige Angelegenheit, weil das System diejenigen belohnt, die gut sind. Das ist natürlich sinnvoll, macht aber die Schere zwischen medialen und nicht medialen Sportarten tendenziell grösser.

Gehört Sport und damit Sportförderung zum Service public?
Aus meiner Perspektive, ja. Gerade bei internationalen Anlässen wie den Olympischen Spielen ist die Berichterstattung mit Fokus auf Schweizer Sportlerinnen und Sportler elementar wichtig für nicht mediale Sportarten. Wenn das Sportprogramm nur noch nach rein kommerziellen Überlegungen zusammengestellt werden würde, wäre das eine Katastrophe für die kleinen Sportarten. Die gegenwärtigen Entwicklungen weisen in eine Zukunft, in der die SRG für die nicht medialen Sportarten immer wichtiger werden wird.

Wohin geht die Reise der Kanuten und ihrer Disziplin?
Die Zeichen stehen eigentlich nicht so schlecht. Der Präsident des französischen Olympiakandidatur-Komitees 2024 ist ein Kanute, das stimmt mich optimistisch. Wichtig ist jedoch vor allem, dass die Infrastruktur in der Schweiz verbessert wird, also dass es mehr Möglichkeiten gibt, den Sport einfacher ausüben zu können. Die Nationalmannschaft trainiert gegenwärtig in einem Kanal in Frankreich nahe Basel. Um ein derartiges Bauprojekt jedoch stemmen zu können, braucht es Sponsoren und dazu braucht es Medienpräsenz und dazu eine medial verwertbare Veranstaltung – sie sehen das Problem.

Text: SRG.D/lh

Bild: Stefan Munsch (fotomotion.ch)

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