Interview mit Regierungsrat Mario Cavigelli in der «Rundschau» beanstandet
5210
Mit Ihrer E-Mail vom 27. Oktober 2017 beanstandeten Sie die Interviewführung im Gespräch mit dem Bündner Regierungsrat Mario Cavigelli in der Sendung „Rundschau“ (Fernsehen SRF) vom 24. Oktober 2017.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.
A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:
„Wie der Herr Sandro Brotz mit dem Regierungsrat Mario Cavigelli umgegangen ist, war schlicht eine Frechheit!! Herr Cavigelli ist offensichtlich bestens informiert seitens verschiedenster Experte-Gruppen; dass er den unsäglichlichen Felssturz nun nicht selber voraussagen konnte, war ja sowieso jedem Zuschauer bewusst (....die Natur fragt nicht nach unseren Meinungen....)
Und permanent das Nachhaken: <...wären Sie selber an jenem Tag in diese Berge aufgestiegen??... > Herr Cavigelli hat einige Male betont, dass er vielleicht aufgestiegen wäre; aber er kann ja nicht für Andere sprechen. Die Warntafeln verwiesen klar auf die Gefahr, dass ‚irgendwann‘ der Berg runter kommen würde !! Wen hätten die Hütten-Betreiber bei Vollsperrung für ausbleibende Einnahmen haftbar gemacht?? Falls ja nichts passiert, kennten wir den Aufschrei via ‚die Medien‘.
In gewissen Beiträgen mussten wir das Nachhaken unterstützen, wenn der/die GesprächspartnerIn die Fragen elegant umgehen will. Aber der Herr Regierungsrat hat dies in keinem Moment getan, blieb ruhig und brachte immer wieder die gleichen Tatsachen an.
Herr Brotz soll sich derweil wirklich (etwas) zurücknehmen!! Ich würde meinen, dass Herr Cavigelli ihm in keiner Hinsicht unterlegen ist! Bitte um Intervention und einen entsprechenden Verweis - so geht das nicht.“
B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die „Rundschau“ antwortete deren Redaktionsleiter, Herr Mario Poletti:
„Gerne nehmen wir Stellung zur Beanstandung von Herrn X. Im Zentrum des Schwerpunktes über die Folgen des Bergsturzes von Bondo in der ‚Rundschau‘ standen die von der Redaktion zusammengetragenen neuen Fakten und Zeugenaussagen – insbesondere, welche Wirkung die Warntafeln auf weitere Berggänger hatten und weshalb international anerkannte Wissenschaftler die Einschätzung der Bündner Behörden hinterfragen, ein Murgang sei nicht vorhersehbar gewesen.
Herr Regierungsart Mario Cavigelli ist eben genau deshalb als Theken-Gast eingeladen worden, weil er bestens über die Gegebenheiten vor Ort und die Aussagen der Experten informiert ist, wie es der Beanstander treffend schreibt. Mario Cavigelli hat die entsprechende Anfrage auch umgehend positiv beantwortet, weil es ihm die Möglichkeit gebe, die Sicht der Bündner Behörden darzulegen und auf Kritikpunkte einzugehen.
In einem ausführlichen Vorgespräch haben sich Moderator Brotz und Regierungsrat Cavigelli über die Themenfelder unterhalten und diese definiert. Ein wichtiger Punkt war dabei, dass Mario Cavigelli selber ein erfahrener Berggänger ist und sofort klar war, dies auch im Interview zu thematisieren. Dabei hat Herr Cavigelli in der Live-Sendung auch eine differenzierte und doch klare Aussage gemacht – er wäre wohl trotz Warntafeln weitergelaufen.
Wir weisen darauf hin, dass Herr Cavigelli das Gespräch keineswegs als ‚Frechheit‘ empfunden hat. Im Gegenteil: Er hat gleich nach dem Interview und noch im Studio Moderator Brotz gesagt, dass er jederzeit wiederkommen würde. Es geht übrigens auch nie darum, ob jemand dem Moderator ‚unterlegen‘ ist. Es ist sein Anliegen, dass sich der Zuschauer – gerade nach einem konfrontativen Gespräch – eine eigene Meinung bilden kann.
Die zumeist medial erfahrenen Thekengäste sind sich denn auch bewusst, dass sie in einem ‚Rundschau‘-Interview gefordert werden. Das wird durchaus geschätzt, weil es hilft, die Position zu schärfen – so wie auch der Moderator gefordert ist, entsprechend geschärft zu fragen. Oder wie es das Sendemandat der ‚Rundschau‘ vorsieht: Der Zugriff der Sendung ist immer kritisch und der Moderator habe ‚hart, aber fair‘ nachzufragen. Dies ist unseres Erachtens auch im vorliegenden Fall geschehen.
Aus diesen Gründen bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Blum, die Beanstandung abzuweisen.“
C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung des Interviews. Ich habe den Eindruck, dass Sie die Funktion journalistischer Interviews falsch einschätzen. Wenn es um ein umstrittenes Thema oder eine umstrittene Person geht, ist der Journalist immer der Widerpart des Befragten, egal, ob er gleicher oder gegenteiliger Meinung ist. Im konkreten Fall ging es um ein umstrittenes Thema, da internationale Experten die Ansicht vertraten, dass man mit einem solchen Murgang im Gefolge des Felssturzes habe rechnen müssen, während die Experten der Bündner Behörden den Murgang als völlig unvorhersehbar bezeichneten. Es war daher die Aufgabe von Moderator Sandro Brotz, Regierungsrat Dr. Mario Cavigelli mit den Kritikpunkten zu konfrontieren und ihn dann, wenn er nicht sofort und konkret auf eine Frage einging, auch zu unterbrechen. Der 52jährige Bau- und Verkehrsdirektor Cavigelli war in keiner Minute um eine Antwort verlegen; er kennt das Dossier, weiß um die Gefahren und um die Lageanalysen, wobei er als Jurist am Schluss stark juristisch argumentierte und nicht etwa verantwortungsethisch. Als Politiker, der in seiner Karriere Gemeinderat und Großrat war, zudem Präsident der CVP-Fraktion im Großen Rat, bevor er 2011 Regierungsrat wurde[2], ist er sich den Umgang mit den Medien gewohnt und weiß kritische Fragen zu parieren. Insofern war das ein völlig normales Ping-Pong zweier starker Kontrahenten mit unterschiedlichen Rollen, und das Interview war alles andere als eine Frechheit. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.
D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
[1] https://www.srf.ch/sendungen/rundschau/bondo-mario-cavigelli-afd-vordenker-oktoberrevolution-russland
[2]https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/bvfd/ds/ueberuns/departementsvorsteher/Seiten/RRLebenslauf.aspx
Kommentar