«Zwischen den Schlagzeilen» «Die Faneinstellung hat in Israel sehr viel mit Politik zu tun» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 25. November 2017 beanstandeten Sie die Sendung „Zwischen den Schlagzeilen“ auf SRF 4 News vom 15. November 2017 und dort den Beitrag „Die Faneinstellung hat in Israel sehr viel mit Politik zu tun“.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

SRF4News strahlte am 15.11.2017 um 10:17 Uhr, gefolgt von acht Wiederholungen bis zum 19.11.2017, im Rahmen des Formats ‚zwischen den Schlagzeilen‘ die Sendung ‚Die Faneinstellung hat in Israel sehr viel mit Politik zu tun‘ aus. Diese verstösst aus meiner Sicht gegen das Sachgerechtigkeitsgebot.

Begründung: In der Sendung wird durch die Autorin Marlen Oehler einzig Herr Moshe Zimmermann, Professor für deutsch-jüdische Geschichte und Körpergeschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem, zum genannten Thema interviewt. Seine berufliche Tätigkeit ist für die Wahl als Interviewpartner nicht relevant, einzig sein Bekenntnis als Fussball-Fan bringt ihn zum Thema in Verbindung.

Frau Oehler lässt Herrn Zimmermann frei über seine persönliche Haltung zur aktuellen Politik in Israel äussern, ohne je eine kritische Frage zu Herrn Zimmermanns Ansichten zu stellen. So bezeichnet er die Zulassung von sechs unterklassigen Vereinen aus israelischen Siedlungen aus dem Westjordanland in der Israelischen Liga als <Affront gegen die Grundregeln der FIFA, die diese Mannschaften eigentlich hätte boykottieren müssen>. Die FIFA habe allerdings <Schiss vor den Reaktionen aus Israel>.

Eine solche Aussage verlangt meiner Ansicht nach zwingend die Einräumung der Möglichkeit einer Stellungnahme durch die FIFA, denn diese wird scharf angegriffen. Möglicherweise handelt es sich um eine Falschaussage von Herrn Zimmermann, möglicherweise eine bewusst getätigte, um seine Haltung als Gegner der Siedlungspolitik zu untermauern.

Herr Zimmermann äussert sich auch zum Fussballclub Beitar Jerusalem und spricht ausführlich über deren rassistische Fans. Frau Oehlers Pflicht wäre aus meiner Sicht, dass sie Herrn Zimmermann mit der Tatsache konfrontiert, dass der Club Beitar Jerusalem dieses Jahr durch den israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin mit dem Antirassismus Preis ausgezeichnet wurde, weil er massive Anstrengungen gegen den Rassismus unternommen habe. So spielen nun auch arabischstämmige Israelis für den Club. Hierzu fehlte aber jegliche Information.

Ich beschränke mich auf diese beiden konkreten Punkte, die aus meiner Sicht das Sachgerechtigkeitsgebot verletzen. Es ist mir nicht klar, in welchem Zusammenhang das Interview über die politischen Aspekte des Fussballs in Israel überhaupt produziert und gesendet wurde. Einzig einen israelischen Intellektuellen minutenlang zu Wort kommen zu lassen, der seine politische Haltung ohne jegliche Einordnung oder Hinterfragung seitens der Autorin äussern darf, ist mir unverständlich. Ich muss vermuten, dass die Autorin die politischen Ansichten von Herrn Zimmermann teilt und mit der Wahl der Form des Interviews Herrn Zimmermann im Radio von SRF eine Verbreitungsplattform bot. Dies ist aus meiner Sicht nicht statthaft.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für SRF 4 News antwortete dessen Leiter, Herr Michael Bolliger:

«Ich danke Ihnen für die Möglichkeit zur Beanstandung 5244 Stellung nehmen zu können. Ich tue das als Leiter von SRF 4 News, welches die Rubrik ‚Zwischen den Schlagzeilen‘ (ZdS) wöchentlich produziert.»

Beanstandet wird die ZdS-Ausgabe vom 15.11.2017. Das Gespräch hatte das Ziel, die historisch bedingten unterschiedlichen religiös/kulturellen und politischen Ausrichtungen israelischer Fussballvereine aufzuzeigen.

Die eingereichte Beanstandung kritisiert, das Gespräch verletze das Sachgerechtigkeitsgebot in zwei Punkten. Einerseits werde die Fifa kritisiert, ohne dass diese entsprechend Stellung nehmen könne. Andererseits fehle die Information darüber, dass ‚Beitar Jerusalem‘ dieses Jahr mit einem Antirassismuspreis ausgezeichnet worden sei. Ausserdem kritisiert die Beanstanderin die Wahl des Gesprächspartners und stellt die Frage, in welchem Zusammenhang das Gespräch überhaupt gesendet wurde.

Ich gehe im Folgenden auf die Punkte im Einzelnen ein.

Anlass/Zeitpunkt des Gesprächs

‚Zwischen den Schlagzeilen‘ ist eine wöchentliche Gesprächsrubrik auf SRF 4 News, die sich dem ‚gewöhnlichen‘ Leben in andern Ländern zuwendet. Wir bieten damit unserem Publikum die Möglichkeit, gesellschaftliche, kulturelle und damit auch politische Gepflogenheiten in diesen Regionen, losgelöst von der tagesaktuellen und meist institutionellen Agenda, kennen zu lernen. Darum reden wir in dieser Rubrik über Themen wie den ‚Impfzwang für italienische Kinder‘, den ‚Schönheitskult in der venezolanischen Gesellschaft‘ oder den ‚Streaming-Boom in China‘, um drei zufällig gewählte Beispiele der letzten Zeit zu nennen. ‚Zwischen den Schlagzeilen‘ stellt einen attraktiven Mehrwert zu unserem Kerngeschäft dar, das sich in erster Linie an den News der (institutionellen) Politik und Wirtschaft orientiert. Weil sich ZdS Themen widmet, die nicht im aktuellen Schlaglicht stehen, haben diese Gespräche häufig keinen aktuellen Anlass (Aufhänger).

Wahl des Gesprächspartners

In der Regel sind es die SRF Radio-Auslandkorrespondentinnen und Korrespondenten, mit denen wir das Gespräch zu einer ZdS-Ausgabe führen. In Einzelfällen kann es aber auch sein, dass wir uns für das Gespräch mit einem Experten vor Ort entscheiden.

Das Gespräch über Fussball und Fankultur in Israel haben wir mit Moshe Zimmermann geführt, weil wir ihn als kompetenten Gesprächspartner für dieses Thema einstufen. Zimmermann ist ein über Israel hinaus, vor allem im deutschsprachigen Raum, renommierter Historiker. Sein Schwerpunkt ist deutsch-jüdische Geschichte und Körpergeschichte. Er hat sich intensiv mit der zionistischen Körperkultur auseinandergesetzt, also mit den Idealen der zionistischen Denker, starke, sportliche Juden für den Aufbau einer Heimstätte in Palästina zu gewinnen.

Ebenso hat er zum Thema ‚Fussball und Religion‘ publiziert, etwa 2006 mit einem Text im Buch ‚Fussball ver-rückt: Gefühl, Vernunft und Religion im Fussball‘ des Herausgebers Peter Noss.

Nicht zuletzt ist er Israeli, Hobbyfussballer und Fan. Für ein Gespräch über die Verknüpfung von Historie, Religion, Politik und Fankultur im israelischen Fussball ist Moshe Zimmermann also ein kompetenter Gesprächspartner. Dass er persönlich dem Club ‚Hapoel Katamon‘ nahesteht, macht Zimmermann gleich zu Beginn des Gesprächs auf die entsprechende Frage deutlich. Für das Publikum wird damit klar, dass der Interviewpartner einem liberalen, in der Arbeiterbewegung gründenden Verein, nach unserem hiesigen Verständnis also einem links orientierten Club, zugewandt ist.

Antirassismuspreis für ‚Beitar Jerusalem‘

Ziel des Gesprächs war es, wie eingangs erwähnt, zu verdeutlichen, dass Vereine und Fankultur im israelischen Fussball immer auch einen stark historisch, religiös oder politisch geprägten Hintergrund haben. Um das, und eben auch die Unterschiede zwischen den Clubs, zu verdeutlichen, wurden im Gespräch verschiedene Vereine und ihre Fans behandelt.

So wird der Verein ‚Beitar Jerusalem‘, im Gegensatz zu ‚Hapoel Katamon‘ als Beispiel eines nationalistisch geprägten Vereins beschrieben, dessen Fans in der Vergangenheit immer wieder durch antimuslimische Aktionen zu reden gaben.

Zimmermann beschreibt den Gegensatz so: <Hapoel Katamon ist besonders liberal und offen, Beitar ist besonders ethnozentrisch bis rassistisch. Diese Fans akzeptieren keine arabischen, auch israelisch-arabische Spieler in ihrer Mannschaft und bestehen darauf, dass ihre Mannschaft ohne Araber bleibt.>

Zimmermann hätte die Beschreibung noch ausweiten können. Der militante Teil der Beitar-Fans akzeptiert generell keine muslimischen Spieler im Club (nicht nur keine arabisch-muslimischen) und ist gemäss Medienberichten rechtsextrem und gewaltbereit. Als <Beitar Jerusalem> vor einigen Jahren zwei muslimische Spieler aus Tschetschenien verpflichtete, steckten ‚Beitar‘-Ultras das Vereinslokal in Brand. 2013 wurde im Stadion von ‚Beitar‘ ein Transparent gezeigt, das einen ‚reinen‘ Club verlangt, rein von muslimischen Spielern. Solche Meldungen gingen in den letzten Jahren auch durch die internationale Presse. Dass ein Club-Verantwortlicher noch diesen September – nach der Verleihung des in der Beanstandung erwähnten Antirassismuspreises - mit den Worten zitiert wurde, er sehe auch künftig keinen Platz für muslimische Spieler im Team, zeigt, dass das Thema Rassismus den Verein auch heute noch beschäftigt.

Offensichtlich bemüht sich der Verein aber seit einiger Zeit um eine Verbesserung der Situation und hat gemäss Medienberichten für diese Bemühungen diesen August den Antirassismus-Award durch Staatspräsident Reuven Rivlin erhalten. Mit zu diesen Bemühungen dürfte auch gehören, dass der oben beschriebene Manager nach Erscheinen des Interviews im September aus dem Verein ausschied.[2]

Diese Bemühungen wurden im Gespräch nicht erwähnt. Das scheint mir aus Gründen der journalistischen Fairness ein Fehler zu sein. Wir haben das darum auch auf der Online-Seite der ZdS-Ausgabe vom 15.11. 2017 nachgetragen.

Der Antirassismuspreis fokussiert allerdings nicht die historisch begründete nationalistische Ausrichtung des Vereins, er will die rassistisch motivierte Gewalt in den Stadien bekämpfen. Die Kernfrage des Gesprächs drehte sich aber umgekehrt nicht um die Anstrengungen eines einzelnen Vereins gegen seine rassistischen Ultras. Sie behandelte die Unterschiede verschiedener israelischer Clubs und Fangruppen und deren historische Verankerung. So wie im weiteren Verlauf des Gesprächs auch Mannschaften aus den Siedlungen oder Makabi-Vereine beschrieben werden, wurden hier im ersten Teil die beiden Clubs ‚Hapoel‘ und ‚Beitar‘ als Beispiele für politische und gesellschaftliche Gegensätze dargestellt mit den Stichworten ‘iberal‘ und ‚nationalistisch‘. Die nationalistische Orientierung von ‚Beitar Jerusalem‘ ist im Gespräch grundsätzlich nicht wertend, sondern als Feststellung beschrieben.

Trotzdem: Aus Gründen der Sachgerechtigkeit hätte der Antirassismuspreis an dieser Stelle des Gesprächs zumindest erwähnt werden müssen.

Kritik an der Fifa

Im weiteren Verlauf des Gesprächs werden Fussballmannschaften aus den Gebieten der israelischen Siedlungen erwähnt. Auch wenn diese Vereine nicht zur israelischen Fussball-Spitze gehören, scheint mir das eine interessante Frage. Aus der Aussenperspektive, wie wir sie etwa hier in der Schweiz haben, ist die Siedlungspolitik Israels ein prägender Teil des realpolitischen Alltags für die Menschen im Land, jüdische wie arabisch/muslimische. Entsprechend sind auch die Fussballclubs aus den Siedlungen ein interessanter und relevanter Teil in einem solchen Gespräch. Die konkrete Frage hier lautete:

<Nun gibt es auch sechs israelische Teams in den Siedlungen in den besetzten Gebieten. Welche Akzeptanz haben diese Siedlermannschaften?>

Moshe Zimmermann beantwortet die Frage mit dem Hinweis auf die internationale Kritik an der Fifa zu diesem Thema, respektive mit seiner Vermutung, warum die Fifa sich bisher nicht habe entscheiden können, Massnahmen in diesem Zusammenhang zu beschliessen. Mit Blick auf den bisherigen Gesprächsverlauf hätte ich an dieser Stelle eher erwartet, dass Zimmermann etwas zur Akzeptanz dieser Teams innerhalb Israels sagt. Wie reagieren zum Beispiel gegnerische Fans, wenn eine solche Mannschaft aufläuft oder wenn sie ein Heimspiel in ihrer Siedlung austrägt? Insofern fand ich die gegebene Antwort nur bedingt befriedigend. Trotzdem bin ich bei diesem Teil des Gesprächs nicht der Meinung, dass hier das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt wurde. Zimmermann formuliert wörtlich:

<Das sind Mannschaften, die nicht in der ersten Liga spielen. Aber die sind schon ein Affront gegen die Grundregeln der Fifa. Das sind jüdische Mannschaften, jüdische von Siedlungen in den besetzten Gebieten. Die hätten eigentlich nicht spielen dürfen. Die Fifa hätte die eigentlich boykottieren müssen. Aber die Fifa vertagt immer die Entscheidungen über die Boykottierung oder den Ausschluss der Siedlungsmannschaften, die in der israelischen Liga spielen. Das Rätselhafte ist, weshalb die Fifa als internationale Organisation nicht reagiert, nämlich das nicht zu akzeptieren, da auf den Unterschied zu achten zwischen Mannschaften aus dem Kernland Israel und israelische Mannschaften, die die Siedlungen in den besetzten Gebieten repräsentieren. Die Palästinenser haben es mehrmals versucht, hier etwas in Bewegung zu setzen, sind aber gescheitert. Weil sowohl die Fifa, als auch die Politik in Europa, irgendwie Schiss hat, wenn es um die israelische Reaktion geht.>

Mit dieser Antwort fasst Zimmermann zusammen, was schon seit längerem international thematisiert wird. So haben in den letzten Jahren verschiedene politische Akteure aus verschiedenen Ländern von der Fifa Massnahmen im Zusammenhang mit den angesprochenen Siedler-Mannschaften gefordert. Es geht um den zweiten Absatz des Artikels 72 der Fifa-Statuten. Wörtlich heisst es dort (in der deutschsprachigen Version):

<Die Mitgliedsverbände und ihre Klubs dürfen nur im Gebiet eines anderen Mitglieds spielen, falls dessen Bewilligung vorliegt.>

Aus diesem Satz leiten Fifa-Kritiker ab, dass Teams aus Siedlungen in den besetzten Gebieten, die gemäss UNO-Resolutionen auf palästinensischem Territorium liegen, nicht am israelischen Meisterschaftsbetrieb teilnehmen dürften, oder zumindest nicht auf den Plätzen in den Siedlungen spielen dürften, sondern lediglich auf Plätzen innerhalb des international anerkannten israelischen Staatsgebietes. Dass die Fifa in dieser Frage schon mehrfach zur einer konkreten Haltung und entsprechenden Massnahmen, bis hin zum angesprochenen Boykott der Mannschaften, aufgefordert wurde, ist seit Jahren dokumentiert. Entsprechend hat sich etwa der frühere UN-Sonderbeauftragte für Sport, der deutsche Willi Lemke (Nachfolger von Adolf Ogi in diesem Amt) geäussert[3], Mitglieder des Europarates haben bei der Fifa ebenso interveniert, wie auch Mitglieder des eidgenössischen Parlamentes. Der Brief von SP-Nationalrat Cédric Wermuth an die Fifa vom März 2017 ist hier als Beispiel mit dem entsprechenden Link beigelegt[4].

Das Thema beschäftigt auch die Fifa selber seit längerem. In einem Artikel vom Oktober 2016 schrieb etwa die ‚Süddeutsche Zeitung‘, bereits der frühere Fifa-Chef Joseph Blatter habe sich mit dem Thema auseinandergesetzt[5].

Letztmals war das Thema am Fifa-Kongress im Mai 2017 in Bahrain traktandiert, allerdings ohne entsprechenden Entscheid, wie Medienberichten zu entnehmen war. In der online geschalteten Traktandenliste dieses letzten Jahreskongresses (Mai 17) ist das Traktandum zwar vermerkt[6], gemäss den Medienberichten wurde ein entsprechender Entscheid aber auf Herbst 2017 verschoben. Ich habe allerdings in einer Online-Recherche für diese Stellungnahme weder in der Schweizerischen Mediendatenbank noch auf der Fifa-Webseite eine Antwort darauf gefunden, ob die Fifa diesen Herbst das Thema tatsächlich behandelt hat.

All den Diskussionen bis heute ist gemeinsam, dass die Fifa sich bisher nicht zu einem Entscheid in diesem Dilemma durchringen konnte. Unser Gesprächspartner Moshe Zimmermann äussert sich insofern kritisch dazu, in dem er vermutet, die Fifa habe ‚irgendwie Schiss‘, den Anträgen auf Boykott (oder andere Massnahmen) statt zu geben. Mit dem Wort ‚irgendwie‘ macht er aber deutlich, dass das erstens seine Interpretation ist, und dass er zweitens offensichtlich eine Vermutung äussert. Ich sehe darin keine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebotes, auch wenn die Seite der Fifa nicht explizit dargestellt wird.

Fazit

Die Ausgabe ‚Zwischen den Schlagzeilen‘ mit Moshe Zimmermann zur israelischen Fussball-Fankultur und deren gesellschaftlich/politischen Hintergründen ist meiner Ansicht nach ein interessantes Gespräch mit Mehrwert für unser Publikum. Mit Zimmermann hat das Format einen kompetenten Gesprächspartner gewählt, der zwar eine klare Position einnimmt, diese aber bereits in seiner ersten Antwort zur Frage nach seinem Lieblingsverein auch transparent macht. Mit der Antwort zu den Mannschaften aus den Siedlungsgebieten äussert sich Zimmermann kritisch der Fifa gegenüber, spricht aber darin einen Punkt an, der seit Jahren an die Fifa herangetragen wird und zu dem der internationale Fussballverband bisher keine (öffentlich bekannte) Position gefunden hat. Dass in der beanstandeten Stelle zum Verein ‚Beitar Jerusalem‘ die Verleihung des Antirassimuspreises an den Club nicht erwähnt wird, ist ein Fehler, den ich bedaure.

In diesem Sinne bitte ich Sie, diese Beanstandung als allenfalls teilweise gerechtfertigt zu beurteilen.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Wenn ich es richtig sehe, kritisieren Sie nicht nur zwei Punkte des Beitrags, wie Sie selber schreiben, sondern vier, nämlich

  • Die Wahl des Gesprächspartners, Prof. (em.) Moshe Zimmermann;
  • die fehlenden kritischen Nachfragen der Interviewerin Marlen Oehler;
  • die fehlende Stellungnahme der FIFA;
  • und die nicht erwähnte Verleihung des Antirassismus-Preises an den Fußballclub Beitar Jerusalem durch den israelischen Staatspräsidenten.

Ich nehme zu den einzelnen Punkten Stellung:

1. Moshe Zimmermann, emeritierter Professor für moderne deutsche Geschichte, für Geschichte der Juden in Deutschland, für Geschichte des Antisemitismus, für visuelle Geschichte und für Sportgeschichte an der Hebrew University of Jerusalem, ist nicht einfach ein israelischer Intellektueller. Er hat über Sport und Fussball geforscht und publiziert, wie die Aufsätze 54, 60, 70, 73a, 121, 123, 138 sowie die Miszellen 36, 55 und 56 in seiner Publikationsliste zeigen.[7] Er war darum ohne jeden Zweifel der richtige Gesprächspartner für das Thema. In diesem Punkt kann ich Ihnen darum nicht beipflichten.

2. Die Interviewerin Marlen Oehler war über das Thema gut informiert. Sie befragte allerdings Professor Zimmermann nicht in einem konfrontativen Interview, das stets auch dazu dient, die Person selber mit Vorwürfen, Gegenpositionen und Einwänden herauszufordern, sondern in einem explorativen Interview, in dem das Sachwissen des Experten gefragt war. In einem solchen Interview wäre eine korrigierende Intervention nur nötig, wenn der Gesprächspartner etwas eindeutig Falsches sagt. Auch in diesem Punkt kann ich Ihnen somit nicht folgen.

3. Die Position der FIFA fehlte in der Tat. Zwar ist es weder üblich noch möglich, dass zu allen Aussagen in einem Interview Stellungnahmen der Betroffenen eingeholt werden, aber sowohl Professor Zimmermann als auch die Journalistin hätten die neuste Position der FIFA kennen müssen. Denn knapp drei Wochen vor Ausstrahlung des Beitrags entschied der FIFA-Rat an seiner Sitzung in Indien, sechs Clubs aus den besetzten Gebieten zu erlauben, in den israelischen Leagen zu spielen, bestätigte also den Status quo.[8] Diese Information hätten die beiden Gesprächspartner in das Gespräch einbringen müssen. In diesem Punkt kann ich Ihre Beanstandung unterstützen.

4. Die Verleihung des Antirassismus-Preises an den nationalistischen Club Beitar Jerusalem hätte ebenfalls erwähnt werden müssen. Zwar waren die Fans inzwischen nicht von Bengeln zu Engeln geworden. Der Staatspräsident verlieh den Preis, um die bisherige Jugendarbeit des Clubs zu würdigen und um ihn aufzumuntern, mit dieser Arbeit weiterzumachen. Der Club also <was recognized for its youth work and the establishment of a forum to deal with incitement and racism>.[9] Auch in diesem Punkt kann ich Ihrer Beanstandung zustimmen.

Fazit: In zwei Punkten kann ich Ihre Beanstandung unterstützen (also zu 50 Prozent), in zwei Punkten nicht. In den beiden unterstützten Punkten war der Beitrag nicht sachgerecht.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/sendungen/zwischen-den-schlagzeilen/die-faneinstellung-hat-in-israel-sehr-viel-mit-politik-zu-tun

[2] Onlineausgabe Haaretz v. 13. September 2017 https://www.haaretz.com/israel-news/1.812234

[3] https://www.theguardian.com/world/2016/oct/11/un-sets-out-position-on-israeli-settlement-clubs-letter-fifa

[4] https://cedricwermuth.ch/brief-an-die-fifa-israelische-fussballmannschaften-aus-siedlungen-im-westjordanland/

[5] http://www.sueddeutsche.de/news/sport/fussball-fifa-im-dilemma-israels-siedlerclubs-droht-ausschluss-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-161012-99-779546

[6] http://resources.fifa.com/mm/document/affederation/bodies/02/87/91/29/agendade_german.pdf

[7] http://koebner.huji.ac.il/people/moshe-zimmermann

[8] https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/11/palestine-fifa-continue-israel-settlment-clubs-soccer.html

[9] https://www.timesofisrael.com/beitar-jerusalem-wins-anti-racism-award-for-reducing-anti-arab-chants/

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