Über Zerstörtes muss man nicht mehr diskutieren
Reformieren statt abschaffen: Ein Gastkommentar von André Moesch, Präsident TeleSuisse, Verband der Schweizer Regionalfernsehen.
Ich habe keine Kinder. Und bezahle trotzdem mit meinen Steuern die Sanierung des Primarschulhauses im Dorf. Wenn ich den Zug benutze, dann fahre ich fast nur die Strecke St. Gallen–Bern. Und finanziere mit meinem Billett auch kaum benutzte Regionalstrecken im Bündnerland. Ich bezahle auch brav meine Beiträge an die Sozialhilfe. Und bekomme (hoffentlich) mein ganzes Leben nie etwas davon zurück!
Wenn es nach der Logik der No-Billag-Initianten geht, dann gehört das alles abgeschafft: Ich bezahle nur, was ich selber auch nutze. Diesen Satz höre ich jeden Tag von No-Billag-Befürwortern, ich lese ihn dutzendfach auf Facebook und ich werde ausgelacht, wenn ich mit «Solidarität» kontere. Diejenigen, die mich nicht nur niederschreien, landen rasch beim Totschlagargument: «Das kann man doch nicht vergleichen!» Wirklich nicht?
Natürlich sind die Medien nicht die SBB. Oder unsere Sozialwerke. Für unser Zusammenleben sind sie aber ebenso wichtig. Wir alle sind stolz auf unsere direkte Demokratie und halten sie für eine der zentralen Errungenschaften unseres Landes. Direkte Demokratie aber bedeutet nichts anderes, als dass nicht Berufspolitiker, sondern jeder einzelne Bürger sehr genau Bescheid wissen muss über jede Abstimmungsvorlage. Er braucht Information. Dafür sind die Medien da, insbesondere die konzessionierten Radio- und Fernsehstationen, die einen gesetzlichen Auftrag haben, über Politik ausführlich und ausgewogen zu informieren.
Kommt die No-Billag-Initiative durch, dann verschwindet die SRG und mit ihr 34 regionale Radio- und Fernsehstationen mit Gebührenanteil und Leistungsauftrag. Dann darf – auch in puncto politischer Information – der freie Markt spielen: Wer Fernsehen machen will, ersteigert sich eine Konzession, macht reine Unterhaltung wie die deutschen Privatsender oder macht, wenn genügend Geld vorhanden ist, ungeniert politische Propaganda. Als letzter Hort für seriösen Journalismus bleiben dann wohl nur die Zeitungen – aber auch die verlieren seit Jahren Leser, weil vor allem Junge sich immer mehr dem Internet zuwenden. Dort bewegen sie sich dann zwischen Wutbürgern und Filterblasen.
Es gibt viel berechtigte Kritik, an unserem Bildungssystem, am öffentlichen Verkehr, den Sozialwerken. Aber deswegen kommen wir nicht auf die Idee, sie abzuschaffen. Wir reformieren sie. Auch die gebührenfinanzierten Radio- und Fernsehstationen haben regelmässig Reformbedarf. Sie haben eine grosse Verantwortung im Umgang mit den Gebührengeldern und müssen sich der Kritik stellen. Wer aber Ja sagt zur No-Billag-Initiative, der verunmöglicht genau diese Diskussion. Was einmal zerstört ist, darüber muss man nicht mehr diskutieren.
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