Medienpolitische Ruhe nicht absehbar

Auch nach No Billag steht eine Reihe von medienpolitischen Entscheiden an. Nicht nur zur SRG, sondern zum ganzen Mediensystem Schweiz. Auf Sommer hat der Bundesrat einen Vorschlag für ein Mediengesetz angekündigt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Konzession für die SRG muss erneuert, das Schweizer Mediengesetz überarbeitet werden.
  • Medienförderung muss möglich sein, ohne dass der Staat Einfluss auf Inhalte nehmen kann.
  • Der Service public ist in der Bevölkerung unbestritten. Die Grösse der SRG wird jedoch hinterfragt.

Die SRG hat die No-Billag-Abstimmung sehr gut überlebt. Medienpolitische Ruhe ist aber nicht absehbar. Es stehen im Bundesparlament und beim Bundesrat mehrere Entscheide mit Auswirkungen auf die ganze Medienlandschaft an. Sicher ist: Die SRG wird es auch künftig geben. Sie ist ein grosser Player im Mediensystem Schweiz, das sich im Wandel befindet. Für die Medienversorgung dieses Landes stellen sich wichtige Fragen: Wie sollen journalistische Leistungen auf Dauer finanziert werden? Wie kommen die grossen privaten Verlagshäuser, vor allem die Zeitungen, aus ihrer strukturellen Krise? Wie kann man eine schweizerische Nachrichtenagentur, die SDA, sichern? Sollen die privaten regionalen Radio- und TV-Sender mehr vom Gebührenkuchen erhalten? Welchen Leistungsauftrag (Konzession) soll die SRG erhalten? Wie soll dieser finanziert werden – wie viel über Gebühren, wie viel über Werbung? Und braucht es zugunsten von anderen Medienhäusern Einschränkungen für die SRG?

Service public stärken

Es wird vermehrt über Medienpolitik diskutiert. Das ist gut so, geht es doch um die Sicherung von Informations- und Kulturleistungen, die für das Funktionieren der Gesellschaft wichtig sind. Einig sind sich alle: Das Mediensystem Schweiz muss als Ganzes gesichert werden. Denn die grossen Konkurrenten sind ausländische und globale Medienunternehmen, die den Markt Schweiz dominieren können, ohne spezifische Leistungen für die Schweiz anzubieten. Die Vorschläge, wie die Medienpolitik regulieren soll, gehen weit auseinander. Bei den verschiedenen medienpolitischen Rezepturen sind drei grosse Ansätze erkennbar:

1. Einen starken Service public im Medienbereich und damit auch eine starke SRG, weil sie durch die öffentlichen Gebührengelder wichtige Leistungen nachhaltig garantieren. Dieser Ansatz ist durch die Volksabstimmung vom 4. März massiv gestärkt worden.

2. Möglichst wenig SRG. Auch nach dem eindeutigen Votum der Volksabstimmung ist dieses Lager nicht verstummt und hat sogar Forderungen deponiert, die angesichts des deutlichen Volksvotums erstaunen. Der Strauss dieser Vorschläge ist bunt: weniger Werbung, weniger Gebühren, weniger Sendekanäle, ein schmalerer Programmauftrag für die SRG, mehr Sendeplätze für externe Anbieter auf SRG-Kanälen, Aufteilung des Auftrags auf verschiedene Anbieter. Die Motive dieser Vorschläge sind unterschiedlich: Die SRG sei einfach zu gross, die Gebühren zu hoch, eine Beschränkung der SRG helfe privaten Medienhäusern.

3. Mehr öffentliche Medienförderung. Weil viele Medienleistungen für die Gesellschaft wichtig, aber wirtschaftlich kaum finanzierbar seien und weil es vielen Zeitungen schlecht gehe, soll der Staat Medien direkt oder indirekt fördern. Auch dazu gibt es vielfältige Vorschläge: Denkbar sind Beiträge an Infrastrukturen, etwa gemeinsame digitale Angebots-Plattformen (elektronischer Kiosk) oder an eine gemeinsame Nachrichtenagentur. Vorgeschlagen werden auch direkte Fördermittel an Medien oder an journalistische Leistungen.

Aktuell stellt sich die Frage bezüglich Förderung bei der Agentur SDA. Diese bietet quasi einen Basisdienst für alle Medien. Der Verwaltungsrat der SDA will massiv Stellen abbauen. Es gibt Vorschläge, die SDA mit öffentlichen Geldern zu stützen oder sie in ein Unternehmen mit Service-public-Auftrag umzuwandeln. Bei der ganzen medienpolitischen Debatte ums Gesamtsystem der Medien in der Schweiz geht es letztlich immer um zwei Grundfragen: Wie viel (oder wie wenig) Service public will und braucht die Schweiz? Und wie viel Staatsregelung und Staatsförderung? Anders formuliert: Soll die mediale Versorgung dem Markt überlassen oder aber über Gesetze und Fördergelder gestützt werden? Angesichts der Mediensituation ist die Offenheit in politischen Kreisen gegenüber staatlicher Förderung zwar grösser geworden. Nach wie vor sehr stark ist aber die Haltung, jegliche Regelungen und wirtschaftlichen Eingriffe des Staates in den Medienmarkt seien per se falsch.

Schicksalsjahr für Schweizer Medien

Einig sind sich alle, dass eine Förderung durch den Staat jeweils so gestaltet werden muss, dass der Staat keine Einflussmöglichkeit auf die Medien hat. Und unbestritten ist, dass eine umfassende öffentliche Medienförderung über die Bereiche Radio, TV und Online hinaus zuerst einer neuen Grundlage in der Bundesverfassung bedarf. Unmittelbar stehen vier grössere medienpolitische Geschäfte an:

Neue Konzession

Erstens die Erneuerung des Auftrags (Konzession) an die SRG für die Zeit ab 2019. Die Kompetenz liegt beim Bundesrat, der aber Postulate des Parlaments und aus der Vernehmlassung berücksichtigen kann. In seiner Vorlage hat der Bundesrat zwei grundlegende Aussagen gemacht. Der Aufwand für die Information muss bei der SRG mindestens 50 Prozent betragen; und das Programm soll seinen Service-public-Charakter verstärken, soll sich deutlicher von kommerziellen Angeboten unterscheiden. Nicht anzunehmen ist, dass der Bundesrat nach dem klaren Volksvotum vom 4. März den Auftrag an die SRG massiv verändern oder gar einschränken wird.

Gebührenhöhe

Zweitens die Festlegung der Mediengebühren. Die Kompetenz liegt beim Bundesrat. Erst kürzlich hat er die Gebühren mit Wirkung auf den 1. Januar 2019 auf 365 Franken reduziert. Auch wenn es Druck von rechter Seite gibt, die Gebühren weiter zu senken, ist in absehbarer Zukunft nicht damit zu rechnen.

Die Frage SDA

Drittens hat der Bundesrat im Rahmen einer Revision der Verordnung des Radio- und TV-Gesetzes den Vorschlag gemacht, dass die SDA einen (kleinen) Beitrag aus den Gebühren erhalten soll. Diesen Vorschlag hat der Bundesrat in die Vernehmlassung gegeben, bevor bekannt war, dass die SDA umstrukturiert und massiv Stellen abbauen will. Inzwischen stellt sich die Frage nach der Zukunft der SDA grundsätzlicher.

Neues Mediengesetz

Viertens die Vorlage für ein neues Mediengesetz. Auf Juni hat der Bundesrat seinen Entwurf angekündigt. Er hat aber mit dem Titel «Mediengesetz» falsche Erwartungen geschürt. Es wird um eine Regelung der Bereiche Radio, Fernsehen und Online gehen – nicht aber um die Printmedien oder um Journalismusförderung generell. Denn dazu fehlt die Grundlage in der Verfassung.

Der Bundesrat wird versuchen, ein Gesetz vorzulegen, welches das alte Radio- und Fernsehgesetz auf die digitale Realität transformiert. Damit kann er auf der schmalen Basis des Verfassungsartikels 93 («Die Gesetzgebung über Radio und Fernsehen sowie über andere Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen ist Sache des Bundes.») alles regeln und fördern, was unter «fernmeldetechnisch» respektive «digitalen Medien» erfasst werden kann. So ist es künftig auch möglich, reine Online-Medien über Gebühren zu unterstützen. Gegen ein Mediengesetz hat sich bereits Widerstand formuliert: Sowohl die SVP wie auch der Verlegerverband wollen kein solches Gesetz.

Mit Langzeitwirkung steht auf der politischen Traktandenliste die Frage, welche Form der öffentlichen generellen Medienförderung möglich ist. Und wie der Auftrag für die SRG fürs digitale Zeitalter und mit nachhaltiger Entwicklungsperspektive neu gefasst werden soll.

Text: LINK/Philipp Cueni

Bild: SRG.D

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