«Die Zeit ist reif für DAB+»

Marco Derighetti, Direktor Operationen SRG und Initiant des Branchenforums, erklärt im Interview, weshalb die Schweiz bereit ist für DAB+ und wie die SRG mit technischen Herausforderungen umgeht.

Vorweg ein Blick in die Zukunft: Vor welchen technischen Herausforderungen steht die SRG?
Eine der grössten Herausforderungen sehen wir in der dynamischen Entwicklung der Consumergeräte und der Nutzergewohnheiten. Dafür muss die hochoptimierte und industrialisierte Umgebung der SRG noch effizienter und flexibler werden. Früher konnten wir Produktionssysteme jahrelang ohne grosse Anpassungen betreiben. Heute sind die Lebenszyklen kürzer. Bezüglich Rechenleistung und Bandbreite bietet die technische Entwicklung aber grosse Chancen: Unsere Anwendungen lassen sich zunehmend virtualisieren, was uns flexibler macht.

Die Gerätehersteller verkaufen nur noch UHD-Fernseher. Wann sendet die SRG in UHD?
UHD-Fernseher liefern sehr gute hochkonvertierte HD-Bilder und sind auf jeden Fall eine lohnenswerte Investition. Die SRG wird in den nächsten Jahren gewisse UHD-Inhalte produzieren, vor allem sportliche Grossanlässe. Regelmässige Sendegefässe in UHD sind derzeit jedoch nicht geplant. Dies wird frühestens ab 2022 aktuell. Allerdings beobachten wir die Entwicklungen intensiv und werden unsere UHD-Strategien je nach Bedarf anpassen.

Seit der No-Billag-Initiative steht die SRG vermehrt unter Spardruck. Gleichzeitig werden technische Innovationen verlangt. Wie lösen Sie dieses Dilemma?
Wir können mit neuen, digitalen Technologien Kosten senken. Beispielsweise ersetzen wir jetzige Produktionssysteme durch «smartere» Lösungen, die wandelbarer sind. Wo Routinearbeit verlangt wird, prüfen wir Standardisierungs- und Automatisierungs-möglichkeiten. Beispielsweise beim Archivieren von Beiträgen. Im digitalen Bereich gehen tiefere Kosten und Innovation oft Hand in Hand. Auch bei den langfristigen Investitionen in Immobilien erzielen wir mit neuen, innovativen Betriebskonzepten beachtliche Effizienz-gewinne.

Ab 2021 soll mit UKW Schluss sein. Welche Vorbereitungen müssen noch getroffen werden, damit die Umstellung auf DAB+ reibungslos klappt?
Die DAB+-Netze sind bereits sehr gut ausgebaut. In Kürze wird es die gleiche Abdeckung wie UKW erreichen. Auch die Versorgung in den Tunnels wird weiter vorangetrieben. Bis Ende 2019 werden praktisch alle Nationalstrassentunnel mit DAB+-Technologie ausgerüstet sein. Ein weiterer Fokus ist die Nachrüstung bei Autos: Obwohl die Branche schon sehr gute Lösungen anbietet, muss der Druck aufrechterhalten werden, damit sich Garagisten und Endkunden rechtzeitig auf die Umschaltung vorbereiten.

Auf den Schweizer Strassen fahren noch rund 70 Prozent aller Autos mit reinen UKW-Radios. Wieso wird die Um-/Nachrüstung dieser Autos auf DAB+ nicht stärker vorangetrieben?
Die SRG selbst sucht regelmässig den Austausch mit der Autobranche und thematisiert DAB+ im Auto in ihren Informationsmitteln und Ratgebern. Auch die Privatradios sollten ein Interesse daran haben, dass die Autofahrer umrüsten, weil sich dadurch oft ihr Einzugsgebiet vergrössert. Ich stimme aber zu, dass hier noch zu wenig passiert. Zukünftige Informationskampagnen müssen stärker auf diesen Aspekt aufmerksam machen, und auch die Autobranche kann noch aktiver werden.

Als erstes Land in Europa hat Norwegen im vergangenen Jahr komplett auf das DAB+-Netz umgestellt. Was wollen die Schweizer besser machen als die Norweger?
Die Norweger haben erstklassige Pionierarbeit geleistet und sind einige Risiken eingegangen. Wir Schweizer profitieren von einer besseren Ausgangslage: Wir haben das DAB+-Netz bereits ausgebaut, bieten wesentlich mehr Programme als auf UKW und haben die Radiobranche frühzeitig zusammengebracht. Eine Umstellung in den nächsten Jahren ist optimal, weil wir die nötigen Vorbereitungen getroffen haben.

Nach der Umschaltung auf DAB+ werden viele Radiogeräte nicht mehr brauchbar sein. Dieser zusätzliche Elektroschrott belastet die Umwelt. Was wird dagegen unternommen?
Bereits heute konsumieren wir länger Radio auf digitalem Weg als über UKW. Deshalb wird der Technologiewechsel keine Schrottwelle verursachen: es ist ein gradueller Prozess, wie wir ihn täglich bei anderen Konsumgütern wie Handys oder Computer erleben. Die CE-Branche der Schweiz verfügt zudem über ein vorbildliches Recyclingkonzept für ausgediente Geräte.

Die SRG schaltet UKW ab und prüft weitere Einsparungsmöglichkeiten bei den Verbreitungswegen. Ist der Service Public noch gewährleistet?
Selbstverständlich, denn zum Service Public gehört auch die angemessene Anpassung der Verbreitungswege an neue Technologien. Erst mit der Umstellung von Mittelwelle auf UKW wurde es beispielsweise möglich, im Tunnel Radio zu empfangen. Und auch ein Abbau darf nicht nur negativ interpretiert werden. Wenn wir Antennenanlagen abbauen, reduzieren wir auch Elektrosmog und Energieverbrauch.

Gemeinsam mit den Privatradios führt die SRG den Swiss Radioplayer ein. Konkurrenziert sie damit DAB+ direkt?
Nein. Wir betrachten den Player als Ergänzung zu DAB+. Er ist vor allem für jene eine Bereicherung, die bereits über Internet Radio hören. Auch für die Autohersteller ist der Radioplayer attraktiv, weil er praktisch alle Programme in einer einzigen App vereint. Andere werden das Radiosignal weiterhin aus der Luft beziehen. Zusammen mit den Privatradios werden wir bei diesem Branchenprojekt spannende Erfahrungen sammeln können.

Gibt es etwas Neues zu HbbTV?
HbbTV hat für die SRG eine hohe strategische Bedeutung. Einige der SRG-TV-Angebote werden in den nächsten Jahren schrittweise auf diesem Verbreitungsweg verfügbar sein. Das Angebot wird laufend weiterentwickelt und verbessert. Wir konzentrieren uns insbesondere auf grosse Sportanlässe, Livestreams und spannende Zusatzinformationen. Ein Angebot für sinnesbehinderte Menschen ist ebenfalls in Vorbereitung.

Text: SRG SSR

Bild: SRG SSR/Beni Balsiger

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